Das Leipziger Neuseenland ist nicht die einzige Seenregion, die in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist. Am 1. August berichtete die „Süddeutsche“ über das Fränkische Seenland. Das ist noch eine Ecke älter als das Leipziger Neuseenland. Am 1. August 1986 weihte der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß dort als ersten den Kleinen Brombachsee ein.

Entstanden war die fränkische Seenlandschaft nicht durch Kohlebergbau, sondern als Wasserausgleichsystem zwischen dem „trockenen Norden mit dem feuchten Süden Bayerns“. Irgendwie ist auch ein bisschen Tourismus entstanden. Aber nicht ganz so in dem Sinn, den einige Touristiker heute im Fokus haben. Vor allem auch, weil die Bayern Wert darauf legten, dass an den Ufern nicht gebaut wurde.

„Natürlich kommen Urlauber“, schreibt die „Süddeutsche“. „2015 gab es mit 960.000 Übernachtungen ein Rekordergebnis, das fünfte Plus in Folge. Allerdings: Selbst im Rekordjahr entfallen auf das Seenland nicht mal fünf Prozent aller Übernachtungen in fränkischen Beherbergungsbetrieben. Kein Wunder, bei nur neun klassifizierten Hotels, die sich im Unterkunftsverzeichnis des Tourismusverbands Fränkisches Seenland finden. Die Fränkische Riviera, von der manch einer träumte, als das Projekt 1970 im Landtag beschlossen wurde, ist es dann doch nicht geworden. Stattdessen prägt eine Art Nebenerwerbstourismus die Region, der mitunter charmant ist, aber wenig Vollerwerbs-Arbeitsplätze bietet.“

Man sieht: Der Autor des Beitrags nimmt eine besondere Kurve: Der geringe Tourismus habe mit zu wenig Hotels zu tun. Mehr Hotels könnten mehr Touristen bringen.

Aber das Fränkische Seenland hat dasselbe Problem wie das Leipziger: Betrieb ist auf den Seen nur in der warmen Jahreszeit – von Mai bis September. Dann ist auch dort die Herrlichkeit vorbei. Ganz zu schweigen davon, dass die anwohnenden Franken die Hauptnutzer der Seen sind. So wie im Leipziger Raum die Leipziger und Westsachsen. Das wird sich auch nicht ändern, wenn man mehr Spaßangebote an die Seen bringt.

Man habe zwar mittlerweile mehr Angebote für Hotelinvestoren geschaffen, heißt es weiter. Aber so recht wollen die augenscheinlich nicht anbeißen. Warum nicht, darauf geht der Autor des Beitrags nicht ein. Aber selbst dieser Kurzbesuch an den stillen fränkischen Seen zeigt: Wirklich „Wassertourismus“ in dem Sinn erzeugen solche Seensysteme nicht. Der wird erst künstlich erschaffen.

Auch die Franken versuchen nun auf einem Feld mitzuspielen, wo die Betriebsamen in Mitteldeutschland schon seit Jahren für Remmidemmi sorgen: mit großen Musikfestivals und Partys für junge Leute am See. Am Wochenende hat ja gerade das Think-Festival am Cospudener See getobt. Jeder See bekommt jetzt augenscheinlich so ein Fest. Den Tourismus, den viel beschworenen, wird auch das nicht ankurbeln. Festivals dieser Art sind kurz, laut  – und dann? Die Festmeute reist wieder ab.

Und am See gibt es trotzdem keine Vollzeitarbeitsplätze rund ums Jahr. Nachhaltig, um das Wort mal wieder zu gebrauchen, ist das nicht.

Ob Hotels am Seeufer etwas ändern, darf bezweifelt werden. Der Freistaat Bayern jedenfalls legt Wert darauf, dass die Ufer frei zugänglich bleiben. Dafür gibt es schon die spaßigen Angebote vom Kitesurfen bis zum Wakeboarden. „Während die Bereiche Kultur und Sport dabei sind, sich zu einem Zentrum für unternehmungslustige Gutverdiener zu entwickeln, fehlt im Tagesgeschäft am Ufer die gewachsene Struktur“, heißt es im Text. Das hört sich ganz so an, als hätte man sich ein paar Berater aus dem Leipziger Neuseenland geholt, die jetzt mal zeigen, wie man aus einer erholsamen Seenlandschaft eine wilde Event-Landschaft macht.

Aber der Beitrag hat wieder dieselben Denk-Fehler, die auch im Neuseenland zu tragischen Ergebnissen führen. Er arbeitet mit den Übernachtungszahlen der Region. Die sich übrigens gar nicht so sehr unterscheiden. Der Landkreis Leipzig zum Beispiel kam 2015 auf 868.070 Übernachtungen. Nur erfasst niemand, aus welchem Grund die Gäste kamen. Zum Familienurlaub (den das Fränkische Seenland sehr aktiv bewirbt) oder eher, weil die Hotels der nahen Großstadt Leipzig zu voll oder zu teuer sind?

Die eigentlichen Gäste für das „Tagesgeschäft am Ufer“ zählt niemand. Und so fokussieren sich die Tourismusmacher auf lauter künstliche Leuchttürme und lassen die Räume für Erholung und naturnahe Freizeitgestaltung immer mehr zusammenschrumpfen.

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