Ein kleiner Hoffnungsschimmer tut sich auf für die Bürgerinitiative Böhlitz. Seit dem Herbst 2018 kämpft sie gemeinsam mit vielen Verbündeten gegen die Pläne des Tiefbauunternehmens KAFRIL, das Natur- und Klettergebiet „Holzberg“ mit einer 30 Meter mächtigen Schicht aus Erdaushub und Bauschutt zu verfüllen. Aber ist ein Mediator, wie ihn der Ministerpräsident jetzt vorschlägt, tatsächlich die Lösung?

Denn wer streitet hier eigentlich mit wem? Geht es hier nicht um den Umgang der Staatsregierung mit dem Bergrecht und einer bis zur Unsichtbarkeit verblassten Umweltschutzpolitik, die im Kabinett von Ministerpräsident Michael Kretschmer schlicht nicht mehr besetzt ist? Deswegen verhallen ja die Rufe aus Böhlitz, das wertvolle Biotop am Holzberg wirklich zu schützen, unerhört.

Kretschmers Regierung ist das Problem. Hier wird auch das Bergrecht konsequent über den Artenschutz gestellt. Die Antworten der Staatsregierung auf die Anfragen aus dem Landtag sprechen eine klare Sprache: eine verdruckste und ausweichende. Da will sich kein Verantwortungsträger in Verantwortung begeben. Man weicht aus und lässt damit den Käufer des einstigen Steinbruchs mit seinen Plänen gewähren, das wertvolle Biotop zu verkippen.

Was dann geschehen würde, kommentiert der Leipziger Alpinist Dr. Olaf Rieck in seinem Blog „Holzberg: Das Gutachten“ wie folgt:„Es bleibt nichts, aber auch gar nichts von der Flora und Fauna des Holzbergs übrig.“

Aber es ist ja Landtagswahlkampf

Auch Michael Kretschmer möchte Stimmen sammeln. Und so kommt wieder ein bisschen Bewegung in die mögliche Rettung des einzigartigen Natur- und Klettergebiets „Holzberg“ vor den Toren Leipzigs. Der Anstoß dafür ging offenbar direkt vom Sächsischen Ministerpräsidenten aus.

Michael Kretschmer (CDU) hatte sich in der vergangenen Woche im Anschluss an eine Podiumsdiskussion in Leipzig klar für den Erhalt dieser einzigartigen Begegnungsstätte von Mensch und Natur ausgesprochen. Gegenüber dem Leipziger Stadtrat und Aufsichtsratsmitglied der Leipziger Wasserwerke Andreas Geisler (SPD) und dem Sprecher der Bürgerinitiative Böhlitz, Gunter Winkler, machte der Ministerpräsident den Vorschlag, einen Mediator einzusetzen, um den wertvollen Lebensraum zu erhalten. Gedacht sei dabei an eine verdiente Persönlichkeit der Sächsischen Landespolitik.

Aber wie soll eine Mediation am Holzberg funktionieren?

Ein aktuelles wissenschaftliches Gutachten belegt dem Vorkommen eine schier unglaubliche Artenvielfalt auf engstem Raum: Allein 47 Vogelarten, zehn Fledermausarten, fünf Amphibienarten, fünf Reptilienarten und 21 Tagfalterarten wurden demnach im Holzberg nachgewiesen. Gleich mehrere dieser Arten sind nach europäischem Naturschutzrecht streng geschützt.

Soll der Käufer des Steinbruchs mit seinem jahrzehntealten Bergrecht mit den Bürgern einen Kompromiss schließen, wie viel vom seit 20 Jahren entstandenen Biotop zerstört werden darf? Oder soll er mit dem Freistaat darüber verhandeln, ob das Land den Steinbruch jetzt selbst kauft, damit er als Naturschutzreservoir erhalten bleibt?

Denn letztlich geht es darum, dass die Landesregierung selbst endlich Farbe bekennt: Will Kretschmer das Biotop erhalten, muss er die entsprechenden Schritte in seiner Regierung einleiten und dem Besitzer des Steinbruchs ein Angebot machen. Alles andere ist wieder nur Augenwischerei. Es sei denn, es gibt mal einen Umweltminister in Sachsen, der den Mumm hat, den Steinbruch gleich in die höchstmögliche Naturschutzliga zu hieven und jeden Eingriff zu untersagen. Aber wo ist der?

Der Ruf nach einem Mediator macht nur Sinn, wenn zwei Parteien sich raufen, die beide ein bisschen Macht besitzen und dem anderen richtig wehtun können. Die Bürgerinitiative Böhlitz sitzt, so wie die Umweltpolitik in Sachsen nun einmal ist, am kürzesten Hebel. Und die Regierung stellt sich tot, als könne sie so gar nichts tun.

Die Wehmut steckt schon in den Sätzen, wenn die Bürgerinitiative Böhlitz (hier im Netz) schreibt: „Dieses einzigartige Ökosystem hat sich nach der Beendigung der bergbaulichen Tätigkeit vor 22 Jahren ganz ohne menschliches Zutun herausgebildet. Am Beispiel des Holzbergs wird deutlich, dass der strenge Schutz natürlicher Lebensräume von grundlegender Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität im Freistaat ist. Ohne eine gesicherte Biodiversität ist Lebensqualität und Wohlstand völlig undenkbar. Es muss verhindert werden, dass die Natur an gleicher Stelle ein zweites Mal zerstört wird. Der Klimawandel zwingt uns einen Kampf gegen die Zeit auf. Wir können es uns überhaupt nicht erlauben, Jahrzehnte erfolgreicher Renaturierung leichtfertig wieder zunichte zu machen. Es ist das Gebot der Stunde, solche Habitate unantastbar zu machen.“

Nur gibt es in Kretschmers Regierung keinen Amtsinhaber, den „der strenge Schutz natürlicher Lebensräume“ derzeit irgendwie interessiert. Vielleicht ist es ja nach der Wahl am 1. September 2019 endlich einmal anders. Das wäre mal was wirklich Neues in Sachsen.

Minister weiß nichts von einem naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zum Biotop am Holzberg

Minister weiß nichts von einem naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zum Biotop am Holzberg

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