Bei einer Straßenblockade der „Letzten Generation“ in Stralsund hat ein Lkw-Fahrer am Mittwoch einen Demonstranten angefahren. Der sachsen-anhaltische CDU-Landtagsabgeordnete Sven Rosomkiewicz bezeichnete den Fahrer daraufhin als „Opfer“, das „geschützt“ werden müsse. Erst vor einer Woche war Rosomkiewicz wegen eines Tweets über „Ökofaschisten“ in die Kritik geraten.

Klima-Aktivist*innen hatten gestern in Stralsund eine Straße blockiert. In einem Video des NDR ist zu erkennen, wie ein Lkw-Fahrer zunächst zwei Demonstrant*innen körperlich angeht, in sein Fahrzeug zurückkehrt und losfährt. Einen Aktivisten, der sich wieder auf die Straße gesetzt hat, schiebt der Lkw etwa einen Meter nach vorne.

Dass der Lkw-Fahrer absichtlich einen Menschen angefahren hat, lässt sich nicht sicher feststellen; aber er nimmt es zumindest in Kauf. Laut NDR ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Zudem habe der Mann seinen Führerschein abgeben müssen.

In den sozialen Medien reagierten viele Menschen empört und verwiesen auf die steigende Gefahr für Klima-Aktivist*innen durch aggressive Fahrer*innen und Passant*innen. Ein Twitter-User schrieb: „Dieser Lkw-Fahrer gehört ganz klar in den Knast.“

Lkw-Fahrer als Opfer

Sven Rosomkiewicz, CDU-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, reagierte auf diesen Tweet mit einer eigenen Sicht der Dinge: „Nicht der Lkw-Fahrer (Opfer!) gehört in den Knast, sondern die Chaoten (#Ökofetischisten), die unerlaubt in den Straßenverkehr eingreifen (Täter!). Opferschutz vor Täterschutz!“

Darauf gab es zahlreiche Reaktionen, unter anderem vom langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz: „Wer mit einem 40-Tonner einen Menschen vor sich herschiebt, begeht eine Straftat. Wie verroht muss man sein, um das nicht zu erkennen.“

Andreas Schmidt, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, twitterte: „Die Landesverfassung tut es und die innere Überzeugung sollte es: Allen Abgeordneten gebieten, die Einhaltung von Recht und Gesetz zu vertreten und nichts anderes. Selbstjustiz ist in Deutschland nicht zulässig. Die CDU-Fraktion hat hier was zu tun.“

CDU-Fraktionsvorstand distanziert sich

Diese wiederum möchte die Twitter-Äußerungen ihres Abgeordneten „intern auswerten“, wie es in einem Pressestatement des Fraktionsvorsitzenden Guido Heuer heißt. Die in Stralsund „ausgeübte Selbstjustiz“ werde „von uns klar abgelehnt“.

Rosomkiewicz war erst in der vergangenen Woche überregional in die Schlagzeilen geraten. Ebenfalls auf Twitter hatte er die Grünen als „Ökofaschisten“ bezeichnet und auf deren starkes Wahlergebnis in Münster bei der Bundestagswahl 2021 verwiesen. Dies war eine Reaktion auf einen Tweet von Polenz, der Münster als positives Beispiel für ausbleibenden Zuspruch für die „faschistische AfD“ genannt hatte.

Einen Tag später bat Rosomkiewicz um Entschuldigung für seine Wortwahl. Klima-Aktivist*innen wie jene der „Letzten Generation“ bezeichnet er seitdem als „Ökofetischisten“.

Der Vorfall mit dem Lkw in Stralsund war im Übrigen kein Einzelfall. Erst am Dienstag war es in Halle zu einer ähnlichen Situation gekommen. Dort hat der Fahrer eines Kleintransporters einen Demonstranten der „Letzten Generation“ angefahren. In beiden Fällen blieben die betroffenen Personen offenbar unverletzt.

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