Isa ist voller Vorfreude. Aufgeregt erzählt sie ihren Kolleg*innen, dass sie Neuigkeiten zum Traktor hat, rennt aber gleich weiter, um sich ihre Hände schnell am Wassertank zu waschen. Es gibt gerade Mittagessen; viel Reis und Kidneybohnen mit Mangold, dazu eine süß-säuerliche Soße. Heute direkt unterm Himmel auf der Bierbank. „Hoffentlich gute Neuigkeiten“, sagt Anne und lacht. Sie ist Gärtnerin bei Ackerilla, gemeinsam mit Isa, Sarah, Christina, Nils und Kunz.

Ackerilla ist eine von 445 sogenannten Solidarischen Landwirtschaften (Solawi) in Deutschland. Ein wachsendes Konzept, das die Menschen, die unser Essen anbauen, wieder mehr mit den Menschen zusammenbringen soll, die es konsumieren. Inmitten von konventionellen Rapsfeldern erreicht man die längliche Fläche von Ackerilla nur über Feldwege. Sie liegt östlich von Leipzig, in der Nähe von Taucha.

Vor der Mittagspause ist Isa mit dem roten IHC-Traktor aus den 70ern rausgefahren, um bei einer benachbarten Solawi nach Rat zu fragen und um Pferdemist zu holen. „Ah, so geht das mit der Handbremse!“ Sie ist sichtlich erfreut, als Tsveti von der anderen Solawi es ihr am Traktor zeigt.

Isa ist von Anfang an bei Ackerilla dabei. 2019 hat sie die Solawi mitgegründet. Zuerst hat Isa Germanistik und Philosophie in Dresden studiert. „Irgendwie war ich immer die Kreative in unserer Familie, habe gerne gelesen.“ Nach dem Studium wollte Isa erst in Richtung Kulturjournalismus gehen und absolvierte auch Praktika. Letztendlich seien dann aber die Atmosphäre und der Umgang in dem Bereich nicht das Richtige für sie gewesen.

Von der Vision zur Umsetzung

Isa ist nun Mitte 30, trägt eine kurze, braune Arbeitshose mit Leggins darunter und ihren großen gräulichen Hoodie. Nach dem Mittagessen steht das Hacken an. „Das mache ich am liebsten mit der Pendelhacke. Die pendelt unten, deshalb heißt sie so.“ Sie nimmt sich eine aus dem roten Geräteschuppen. Es ist ein langer Stab mit einem ovalförmigen, dünnen Metallstück am Ende.

Mittagessen unter freiem Himmel. Foto: Annika Seiferlein

Sie erzählt, dass sie nach dem Bachelor auf Reisen ging: Arbeit auf Kiwiplantagen in Neuseeland und Weinernte in Frankreich. „Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mit dem Konzept der Solawis in Berührung gekommen bin. Na ja, spätestens in Leipzig“, sagt Isa und lacht.

Mit ihrer Arbeit als Gemüsegärtnerin ist sie eine von wenigen Geisteswissenschaftlern*innen, die nach dem Studium in die Landwirtschaft gehen. Weniger als sieben Prozent sind es laut einem Report des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2019. Insgesamt werden aber sogenannte „studienuntypische Berufe“ gar nicht so selten angegangen. Immerhin machen diese mehr als 42 Prozent aus.

Mit Ende 20 kommt die Idee für Ackerilla: „Ich habe mir das damals zusammen mit Benno und Nils überlegt. Wir haben alle zusammen in einem Hausprojekt gewohnt.“ Mit den richtigen Leuten war für sie dann der richtige Zeitpunkt gekommen. Seit Oktober 2019 nutzen sie die Fläche in der Nähe von Taucha. Ganz zu Beginn war hier nur Acker. Jetzt stehen hier drei Folientunnel, mehrere Felder mit verschiedenen Gemüsesorten, eine Außenküche und allerlei Selbstgebautes.

Wöchentlich versorgt das Ackerilla-Team über 100 Haushalte in und um Leipzig mit Gemüse – aktuell Kohlrabi, Fenchel, Rucola und Radieschen. Isa steht jetzt, ausgestattet mit ihrer Pendelhacke, vor elf Beetreihen. Diese muss sie von Wildwuchs befreien. „Das Unkraut wächst schneller und nimmt das Licht weg von unseren Kulturen.“

Eigenständige Ausbildung

Cover Leipziger Zeitung Nr. 115, VÖ 29.07.2023. Foto: LZ

Neben ihren Praktika in der Landwirtschaft hat Isa zusammen mit anderen Solawis auch eine selbst organisierte Ausbildung zur Gärtnerin absolviert, viermal im Jahr und das für drei Jahre. 2021 war laut dem Statistischen Bundesamt jede vierte Fachkraft in der Landwirtschaft eine Frau. Für Isa sei die Arbeit im Gemüsebau am sinnvollsten. Hier kann sie der Gemeinschaft etwas zurückgeben.

Behände arbeitet sie sich durch die Reihen, zupft hier und da längere Stängel Gras raus. Zusammen sind das 550 Meter Beete, mit jeweils drei Pflanzenreihen. Dafür braucht sie dann schonmal den ganzen Tag. „Man muss gut aufpassen, damit man die Gemüsepflanzen nicht verletzt.“

Woanders als bei Ackerilla zu arbeiten, kann sie sich nicht vorstellen. „Mir gefällt es, dass wir hier alles zusammen entscheiden, wie lange wir arbeiten, was wir machen und so weiter. Unter einem Chef könnte ich nicht mehr arbeiten. Das habe ich in meinen alten Nebenjobs gemerkt.“

Sie sitzt zusammen mit Christina vor den Beeten. Wichtig sei ihr auch, dass sie draußen in der Natur arbeitet. Von der ist man definitiv umgeben. Die vielen Vögel finden neuen Lebensraum: in den Hecken, die die gesamte Fläche umrahmen. „Das sind Hainbuche, Vogelbeere, Schwarzdorn und – uff – alles Mögliche“, sagt Isa und macht sich zurück an die Arbeit.

„Solidarische Landwirtschaft: Von der Bibliothek aufs Feld“ erschien erstmals in der Juli-Ausgabe, ePaper LZ 115, der LEIPZIGER ZEITUNG.

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