Nein, glücklich sind die Grünen mit der sächsischen Innenpolitik ein Jahr nach Heidenau nicht. Und mit der Stellungnahme der Staatsregierung zu ihrem Antrag im Landtag „Nach den gewalttätigen Ausschreitungen Rechtsextremer in Heidenau – Flüchtlinge schützen, Gewaltmonopol des Staates wieder sicherstellen“ auch nicht. Die hat den Antrag - ein Jahr nach Heidenau - nämlich abgelehnt.

„Die Gefahr, dass sich derartige Ausschreitungen wiederholen können, ist weiterhin groß. Maßgeblich dafür ist die nach wie vor verbreitete fremdenfeindliche Stimmung und die hohe Gewaltbereitschaft rechtsextremer Personen in Sachsen aber auch die nach wie vor mehr als angespannte Personalsituation bei der Polizei“, fasst Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, zusammen, was für ihn zum Heidenau-Problem alles dazugehört. „Auch heute besteht weiterhin die Gefahr, dass es nicht gelingt, in kurzer Zeit ausreichend Polizeikräfte bei eskalierenden Lagen zusammenzuziehen, um der Situation Herr zu werden. Dies hat sich zuletzt in Clausnitz deutlich gezeigt. In Heidenau mussten zudem ein nicht unerheblicher Teil der Ermittlungsverfahren eingestellt werden, weil die Identitäten der Tatverdächtigen nicht festgestellt werden konnten. Auch dies ist eine mittelbare Folge der verfehlten Personalpolitik des Freistaates.“

Viel zu lange hat die sächsische Regierung zugeschaut, wie die rechtsextremen Strukturen sich in einigen Landesteilen regelrecht verfestigten. 1998 hatte man sogar die „Soko Rex“ eingestampft, obwohl das Problem gerade begann, jetzt auch deutlich auf das politische Klima in den Regionen durchzuschlagen und Gruppierungen wie die „Skinheads Sächsische Schweiz“ ganze Landschaften verunsicherten.

Aber nicht mal das Bekanntwerden des „NSU“ im Jahr 2011 hat wirklich als Wecksignal funktioniert. Ein paar Köpfe rollten. Aber im Grunde versuchten die Hauptverantwortlichen für die staatliche Seite des Dilemmas sich wegzuducken und alles beim Alten zu lassen. Erst mit der Gründung des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) der Polizei wurde wieder ein Stück Handlungsspielraum zurückgewonnen, den vernetzten Nazi-Strukturen beizukommen.

Doch gleichzeitig dünnte Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Polizeipräsenz in den ländlichen Räumen deutlich aus.

„Heidenau ist Symbol geworden für das Versagen des Rechtsstaates“, sagt Lippmann deshalb, der die Politik des Innenministers mit immer neuen dringlichen Fragen unter die Lupe nimmt. Denn wo der Staat sich wegduckt, füllen ziemlich schnell sehr dubiose „Bürgerwehren“ und rechte Akteure die leeren  Räume mit dem, was sie unter „Ordnung“ verstehen.

„Die dringendsten Fragen, nämlich wie man derartige Ausschreitungen künftig verhindern will und welche konkreten Schlüsse man aus den Ereignissen in Heidenau gezogen hatte, konnte Innenminister Markus Ulbig heute nicht überzeugend beantworten“, sagte Lippmann am Donnerstag, 18. August, nach der enttäuschenden Sitzung. „Der Beschluss des Antrages hätte die Chance geboten auch gegenüber der Öffentlichkeit transparent darzustellen, was man aus den Ausschreitungen von Heidenau gelernt hat. Diese Chance der Aufarbeitung hat die Koalition heute verpasst.“

Dabei lag der Antrag schon seit 2015 vor. Aber reden lässt sich über das, was getan werden müsste, leichter, als dann wirklich belastbare Strukturen zu schaffen, die Vorkommnisse wie in Heidenau tatsächlich verhindern.

Grüner Antrag mit umfassender Darstellung des Einsatzgeschehens in Heidenau „Nach den gewalttätigen Ausschreitungen Rechtsextremer in Heidenau – Flüchtlinge schützen, Gewaltmonopol des Staates wieder sicherstellen“ mit Stellungnahme der Staatsregierung. (Drs. 6/2557)

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