Noch im Februar bekamen die Grünen im Landtag vom sächsischen Innenminister die Stellungnahme, dass es ganz und gar nicht einfach sei, Rechtsextremen den Waffenbesitz zu untersagen. Im März gab es dann die Kehrtwende. Am 17. März berichtete dpa, dass die Waffenbehörden in einem entsprechenden Erlass des Innenministeriums aufgefordert wurden, „unverzüglich“ die Zuverlässigkeit der Waffenscheininhaber aus dem Kreis der NPD zu überprüfen und die waffenrechtlichen Erlaubnisse aufzuheben.

Man gehe bei NPD-Mitgliedern von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit aus, zitiert Valentin Lippmann die dpa-Meldung weiter. Aber schon im Januar gab es ja auch die Gerichtsentscheidung zum NPD-Verbot. Die NPD wurde zwar nicht verboten, aber höchstrichterlich als verfassungsfeindliche Partei eingestuft. Was ja ungefähr heißt: Die Demokratie muss auch derart radikale Parteien aushalten, aber sie muss sich nicht alles gefallen lassen. Und sie muss Leuten, die sich nicht an die Regeln halten, auch keine Waffen lassen.

Deswegen war der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann, von der Auskunft des Innenministers im Februar eher verblüfft.

Warum Innenminister Markus Ulbig (CDU) noch im Februar ganz anders antwortete, erklärt dieser nun so: „Das Staatsministerium des Innern schöpft den durch das Waffengesetz (WaffG) gegebenen Handlungsrahmen aus, um in der praktischen Umsetzung den Waffenbesitz auf jene zu beschränken, die die persönlichen Voraussetzungen besitzen, um mit einem solchen Vertrauensvorschuss bedacht zu werden. Waffen gehören nicht in die Hände von Rechts- oder Linksextremisten und nicht in die Hände jener, die Recht und Gesetz nicht als für sich bindend betrachten.“

Auch NPD-Kadern habe man versucht, die Waffenberechtigung zu entziehen: „In Sachsen wurden mehrfach waffenrechtliche Widerrufe, die sich auf NPD-Kader bezogen, gerichtlich aufgehoben. Dies erfolgte teils unter Hinweis auf das Parteienprivileg, welches die Betrachtung des parteibezogenen Verhaltens überhaupt untersage, teils mit der Begründung, es fehle an dem Nachweis der eigenen, konkreten Aktivitäten des Betroffenen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, soweit man beispielsweise ‚nur‘ feststelle, es handele sich um einen Kreisvorsitzenden und stellvertretenden Landesvorsitzenden der NPD mit verschiedenen Veranstaltungsteilnahmen und Veröffentlichungen in NPD-Publikationen.“

Aber die Lage habe sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 verändert, denn das habe „nun die NPD auch in ihrem Parteistatus als Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt. Dies führte zum Beispiel zur Erwägung, die Parteienfinanzierung neu zu regeln.“

Man habe also sehr wohl reagiert – aber nicht so schnell, wie von den Grünen erwartet.

Auch wenn man schon am 27. Januar das Thema in einer Dienstbesprechung mit der Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, und den unteren Waffenbehörden im Freistaat Sachsen auf der Tagesordnung hatte. Am 13. März 2017 wurde daraus erst ein Erlass des Staatsministeriums des Innern an die Landesdirektion Sachsen (LDS).

Das Bundesverfassungsgericht weise jedoch klar darauf hin, dass etwa auf Einschüchterung, Bedrohung sowie den Aufbau von Gewaltpotentialen mit den Mitteln des präventiven Polizeirechts und des repressiven Strafrechts rechtzeitig und umfassend reagiert werden müsse.

„Waffenrecht sei präventives Sicherheitsrecht und die Feststellungen des BVerfG über die Verfassungsfeindlichkeit der von der NPD verfolgten Ziele führten – so der Erlass – auch angesichts des Hinweises des Gerichts auf das Verhältnis des Artikels 21 Abs. 2 zu Artikel 9 GG als lex specialis dazu, dass Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse, die als Anhänger oder Mitglieder der NPD deren Bestreben unterstützt haben, regelmäßig als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu gelten haben, da es sich bei der unterstützten Bestrebung um eine gegen die verfassungsmäßige Ordnung gehandelt habe“, stellt Innenminister Ulbig nun fest.

Die Landesdirektion sei daher gebeten worden, „dafür Sorge zu tragen, dass die Waffenbehörden in Bezug auf die vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gemeldeten Mitglieder der NPD unverzüglich in aktuelle waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfungen eintreten und die waffenrechtlichen Erlaubnisse aufheben, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Um eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Waffenbehörden sicherzustellen, sei das LfV in einer Besprechung am 28. Februar 2017 gebeten worden, Hinweise auf NPD-Mitgliedschaften und Unterstützungshandlungen für die NPD im Wege der Spontanübermittlung und im Rahmen des § 12 Abs. 1 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz an die LDS zu geben.“

Aber wie das dann umgesetzt worden sei, das könne man freilich noch nicht sagen.

Denn der Erlass stamme ja erst vom 13. März, an die sächsischen Waffenbehörden in den Landkreisen und Kreisfreien Städten sei er mit Anschreiben vom 21. März 2017 am 22. März 2017 übermittelt worden.

Aber in seiner Antwort an Lippmann widerspricht sich Ulbig einmal mehr.

Während er sich den Satz „Waffen gehören nicht in die Hände von Rechts- oder Linksextremisten und nicht in die Hände jener, die Recht und Gesetz nicht als für sich bindend betrachten“ nicht verkneifen konnte, begründet er in Bezug auf den Grünen-Antrag, in dem es um die „Entwaffnung extremer Rechter“ insgesamt ging, wortreich: „Die Stellungnahme der Staatsregierung zu diesem Antrag beschränkte sich darauf, auf die Untauglichkeit und Rechtswidrigkeit der konkret aufgestellten Forderung hinzuweisen: Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 des WaffG begründet der Nachweis, dass Personen einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit.“

Die NPD-Mitgliedschaft genügt also dieser Bedingung. Muss man also nur wieder aus der NPD austreten, damit die Waffenbehörden keine Handhabe mehr haben? Der Eiertanz geht also weiter. Gar nichts ist geklärt.

Kleine Anfrage von Valentin Lippmann (Grüne) „Erlass des Innenministeriums an die Waffenbehörden wegen der Zuverlässigkeit von NPD-Mitgliedern“. Drs. 8910

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