Am Mittwoch, 13. Dezember, wurde Michael Kretschmer vom Sächsischen Landtag recht knapp zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Er bekam 69 von 122 Stimmen, acht weniger, als die Regierungskoalition von CDU und SPD Mitglieder hat. Entsprechend dissonant sind die Erwartungen, die die unterschiedlichen Parteien haben. Aber der Grundtenor ist eindeutig: Die Landespolitik braucht wieder Inhalte. Und von der Linken gab’s gleich zwei Bücher als Geschenk.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Kupfer:

„Herzlichen Glückwunsch an Michael Kretschmer und Gottes Segen für seine Amtsführung. Wir wünschen uns eine gute Zusammenarbeit und versprechen Michael Kretschmer unsere Unterstützung als regierungstragende Fraktion. Es steht eine Vielzahl von Aufgaben vor uns, die wir schnell erledigen müssen – auf unsere konstruktive Begleitung kann er sich verlassen.“

Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag:

„Wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit Michael Kretschmer die drängenden Probleme unseres Landes zügig anpacken werden. Wir haben bereits gemeinsam Lösungswege aufgezeigt. Uns geht es um mehr Gerechtigkeit in unserem Land. Wir werden in den Bereichen Bildung, Sicherheit, Kommunen, Infrastruktur, Breitbandausbau sowie Soziales und Pflege neue Wege zur Bewältigung der offenkundigen Probleme finden. Denn die Bürger erwarten von uns, dass ihr Staat funktioniert.“

Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen:

„Sachsen braucht eine moderne Politik. Anders als sein Vorgänger darf Ministerpräsident Kretschmer sich nicht weiter vor den großen Herausforderungen wie dem notwendigen Einstieg in den Kohleausstieg und dem Strukturwandel in den Kohleregionen drücken. So könnte Sachsen zum Vorreiter beim Klimaschutz werden und zeigen, wie innovative, zukunftsfähige Energieversorgung funktioniert. Mit einem neuen Ministerpräsidenten könnten die Weichen in Sachsen jetzt in Richtung Zukunft gestellt werden, zum Beispiel hin zu einem funktionierenden Staat mit ausreichend Personal, bürgernah und grundrechtsorientiert. Ein neuer Ministerpräsident könnte die Schulkrise zur Chefsache machen. Kein Kultusminister kann dies allein lösen. Sachsen braucht jetzt einen ressortübergreifenden Pakt für gute Bildung. Mit einem neuen Ministerpräsidenten könnte der gesellschaftliche Zusammenhalt in Sachsen wieder gestärkt werden. Doch dazu müsste sich Michael Kretschmer quasi neu erfinden: Als langjähriger Generalsekretär der sächsischen Union hat er alle relevanten Entwicklungen der sächsischen Staatsregierung in den letzten Jahren mitgetragen und mitverantwortet.“

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag:

„Im Interesse der Menschen in Sachsen wünsche ich Herrn Kretschmer – unbeschadet unserer tiefgreifenden politischen Gegensätze – die nötige Klugheit bei der Ausübung seines Amtes. Deshalb habe ich ihm heute zur Gratulation zwei Geschenke übergeben: das Buch ‚Unter Sachsen‘ und den ersten Band von ‚Das Kapital‘ auf einer Seite: Nur wer Probleme anerkennt, kann sie lösen. Und nur, wer den geistigen Tunnelblick meidet und sich für Gedanken anderer öffnet, vermag ein Land mit Weitsicht zu regieren.

Wir wünschen uns eine faire Zusammenarbeit mit dem neuen Ministerpräsidenten, wie es sich in einer ordentlichen Demokratie zwischen Regierung und Opposition gehört. Sein Vorgänger Stanislaw Tillich ist ein im Herzen weltoffener Mann, der leider nicht den Mut hatte, sich gegenüber dem Provinzialismus in seiner Partei durchzusetzen. Herr Kretschmer hat sich gleich von Anfang an als verlängerter Arm einer selbstgenügsamen rechtskonservativen Weltanschauung präsentiert. Die Verjüngung des Amtsinhabers an der Spitze Sachsens ist nicht gleichbedeutend mit Erneuerung, denn tatsächlich ist Herr Kretschmer in seiner Weltsicht ein Konservativer von gestern. Für einen wirklichen Politikwechsel in Richtung eines sozialen Sachsen können ohnehin nur die Wählerinnen und Wähler 2019 sorgen.“

Holger Zastrow, Landesvorsitzender der FDP Sachsen:

„Die Herausforderungen für die schwarz-rote Regierungskoalition sind riesig – von der Bekämpfung des Lehrermangels über die Stärkung des inneren Zusammenhaltes bis zum Aufholen des Digitalisierungsrückstandes, dem Ausbau der verkehrlichen Infrastruktur und deutlich besseren Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln in Mittelstand, Handwerk und der Wirtschaft insgesamt. Außerdem muss es für Sachsen endlich wieder ein Ziel, eine Vision und Ehrgeiz geben. Ob zwei Parteien, die in Deutschland und Sachsen enorm an Zustimmung verloren haben und ein Gespür für Land und Leute zunehmend vermissen lassen, den Freistaat in eine gute Zukunft führen können, muss bezweifelt werden. Die Repräsentanten von Union und SPD geben bislang kein Indiz für echte Reformen und neues Denken ab. Der neue Ministerpräsident und sein Kabinett werden sich daran messen lassen müssen, spätestens 2019, wenn sich Michael Kretschmer erstmals dem Votum der Bürger stellen muss.

Das Wahlergebnis zeigt, dass auch intern längst nicht alle Koalitionsabgeordneten vom neuen Ministerpräsidenten überzeugt sind. Das Misstrauen zwischen den Koalitionspartnern schwelt weiter. Klar ist, dass die CDU/SPD-Koalition vor allem von der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten wird.“

Jens Spiske, Landesvize der Freien Wähler:

„Allein schöne Worte oder Showman sein, reicht nicht mehr. Sachsen ist nicht Berlin. Als Ministerpräsident muss Kretschmer Ideen zünden und handeln. Die harte Realität sind Abwanderung, wachsendes Durchschnittsalter, abgehängte Regionen oder auch Wolfserwartungsland genannt, gesellschaftliche Spaltung und Platz 15 im deutschen Glücksranking. Sachsen steht wirtschaftlich noch immer auf sehr wackligen Beinen, wie zuletzt erst wieder die Enttäuschung durch Bombardier, Solarworld und Siemens gezeigt hat. Sachsens Image ist trotz jahrelanger Landes-PR-Kampagne ramponiert. Wir wollen nicht mehr nur in der heute-show durch den Kakao gezogen werden. Auch hier muss die Regierung gegensteuern. Wir brauchen – wie es Loriot ausdrückte – wieder mehr Lametta.“

Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern im Freistaat Sachsen:

„Die sächsische Wirtschaft hat sich in den zurückliegenden Jahren sehr positiv entwickelt – das spiegeln auch die Konjunkturergebnisse der sächsischen Industrie- und Handelskammern eindrucksvoll wider. Die gute Konjunkturlage darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die sächsische Wirtschaft im Vergleich zu den Wachstumsregionen in Süd- und Südwestdeutschland noch immer viel zu kleinteilig, zu wenig international ausgerichtet und zu zurückhaltend bei den Investitionen sowie bei der Forschung und Entwicklung ist. Die Erwartungshaltung an die Sächsische Staatsregierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer ist daher hoch: Es bedarf einer zukunftsweisenden wirtschaftspolitischen Vision, um eine neue Entwicklungsdynamik für mehr unternehmerisches Größenwachstum im sächsischen Mittelstand zu entfachen.“

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