Das neue Bildungspaket in Sachsen ist ein echter Debattenauslöser und eine neue Richtung der Bildungsfinanzierung im Freistaat. Auch von den Vertretern der Lehramtsstudenten der Leipziger Universität gibt es Lob, vor allem dafür, dass sich die Bremse nun angesichts eines 1,7 Milliardenprogramms in den kommenden fünf Jahren nach Jahren des Wartens gelöst zu haben scheint. Überraschenderweise jedoch lehnen eben diejenigen die von der CDU gewollte Verbeamtung ab, denen sie angeblich nützen soll: die zukünftigen Lehrer. Mangelnde Gleichbehandlung, drohende Unmündigkeit im Beruf und ein unsolidarischer Obrigkeitsstaat schrecken sie eher ab.

In einem offenen Brief an die sächsische Landesregierung, Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hinterfragen mit Felix Fink, ein Referent für das Lehramt an der Uni Leipzig, die Interessensvertretung „Junge GEW Sachsen“ und der „Landesausschuss der Studentinnen und Studenten in der GEW Sachsen“ (LASS Sachsen) vor allem den Sinn von Verbeamtungen. Und dies dann auch noch nur für Lehrer bis 42 Jahre.

Vor allem aber sprechen sie von Respekt gegenüber ihren zukünftigen, älteren Kollegen, wenn sie schreiben: „Allen Neuerungen voran stellen Sie, trotz massiver Kritik im Vorfeld, das vermeintliche Allheilmittel der Lehrer*innenverbeamtung. Diese Maßnahme wird aber, anstatt für die angehenden jungen Lehrkräfte einen interessanten und attraktiven Berufsstart mit guten Rahmenbedingungen zu fördern, zu neuen Ungerechtigkeiten führen: Wir jungen Lehramtsstudierende sollen nach dem Studium im Vorbereitungsdienst von erfahrenen Lehrkräften, die den bildungspolitischen Notstand Sachsens in den letzten 20 Jahren verwalten mussten, zu Lehrer*innen ausgebildet werden. Hierbei erwartet uns (wenn unter 42 Jahren alt) die großzügige Bezahlung in der Entgeltgruppe A 13, während unsere Mentor*innen, die größtenteils über 42 Jahre alt sind, von diesem Geldsegen nichts mehr (ab-)bekommen werden.“

Womit tatsächlich eben die, welche vor allem die letzten 10 Jahre des Hinhaltens vor der SPD-Offensive ausgehalten haben, nachträglich abgewertet werden. „Dies wird zwangsläufig zu einer Entsolidarisierung im Lehrer*innenzimmer führen.“, halten die Verfasser des offenen Briefes fest. Natürlich sind solche Ideen vor allem finanziell begründet – da ist der Staat längst genauso zynisch, wie jeder privater Unternehmer: Wozu noch verbeamten, wenn sie es doch eh nicht mehr lange machen?

Doch in Wirklichkeit stellen die Nachwuchslehrer letztlich die Gretchenfrage der heutigen Bildungspolitik in ganz Deutschland:

Braucht es wirklich Lehrer, die Beamte sind?

Sie selbst scheinen dies nicht so nötig, ja eher störend zu finden. Denn so der Nachwuchs für kommende Schülergenerationen im Brief: Als Beamter könne man sie in die „Brandgebiete des Freistaates (Bautzen, Erzgebirge, Plauen usw.)“ versetzen, streiken könnten sie auch nicht und sich somit (hier also wieder ein Vorteil der Lehrer über 42 Jahre) nicht mehr mündig in politischen Fragen und in demokratische Prozesse einmischen. Was die Frage aufwirft, ob es sich eine lebendige Demokratie eigentlich leisten kann, auf Lehrer als Aktivposten zu verzichten?

Die Verbeamtung jedenfalls „entspricht nicht den modernen Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts“, so die Schreiber des offenen Briefes. Angekündigt hatte man diese Haltung bislang erfolglos auch schon in den Vorgesprächen zum Bildungspaket, doch die CDU wollte wohl mal wieder nicht zuhören. „ … immerhin haben wir Studierende Ihnen (Herrn Kretschmer, Herrn Piwarz und Frau Stange) in einer nichtöffentlichen Gesprächsrunde am 18.01.2018 an der Universität Leipzig sehr deutlich gemacht, was wir an der Lösung aller Probleme (hier z.B. mangelnde Lehrer*innen in den ländlichen Regionen) durch die Verbeamtung kritisieren.“

Was nochmals hervorhebt, dass die Verbeamtung nur dazu dienen soll, junge Lehrer „aufs Land“ zu schicken, also Probleme zu lösen, für die der Nachwuchs an der Tafel nichts kann. Welcher sich etwas anderes wünscht und sich dann vielleicht sogar angesichts geringerer Mieten und anderer Möglichkeiten gar von ganz allein Richtung Kleinstadt bewegt – mehr Mitsprache und Eigenverantwortung: „Dringend eingerichtet werden muss neben ständigen Gesprächsformaten auch eine eigene Personalvertretung für alle Lehrer*innen im Vorbereitungsdienst, um gravierende strukturelle Probleme (wie gerade bei vielen Seiteneinsteiger*innen) zeitnah und auf Augenhöhe zu Lösungen zu bringen.“

Bei allen überaus positiven Neuregelungen, wie „die bessere Bezahlung der Grundschullehrer*innen, … die Planungen zu Neueinstellungen von Schulsozialarbeiter*innen oder Psycholog*innen“ und der „Neukonzeptionierung der Lehr- und Stundenpläne“ sowie die nicht akzeptierten „einseitigen Kürzungen im musischen, künstlerischen und sportlichen Bereich“ heißt es dann auf den letzten Metern:

„Wir sagen Ihnen zum neuen Maßnahmenpaket: Nein, danke. Ein System, in dem wir die Wahl haben, ob man im Angestelltenverhältnis bleibt und sich mit seinen erfahrenen Kolleg*innen im Lehrer- und Klassenzimmer solidarisch zeigt sowie die gerade für junge Menschen notwendige Flexibilität behält oder ob man wesentlich mehr Geld annimmt und sich dadurch dem Druck des Beamtenverhältnisses unterwirft, lehnen wir ab.“

Dies sei für Studierende „alles andere als ein Lockmittel um in Sachsen zu bleiben und geht wichtige Gründe, wie die Rahmenbedingungen des Unterrichtens, nicht an.“

Eine Lösung sei einfach: „Erhöhen Sie den Lohn aller Lehrer*innen auf das Niveau des Beamtenstatus und legen Sie die unsolidarische Verbeamtung in die Aktenschränke der Geschichte.“

Zumindest jedoch spricht man nun wieder miteinander, das war in den Jahren zuvor noch anders. Da kamen einfach neue Erlasse aus Dresden – und der Nachwuchs verließ Sachsen. Offenbar nicht nur wegen der fehlenden Verbeamtung.

Geschrieben haben den offenen Brief: Felix Fink, Mine Hänel, Sebastian Müller, Paul Fietz, Bernd Hahn, Tina Bauer, Florian Melcher. Felix Fink ist Referent für Lehramt beim Student*innenRat der Universität Leipzig und damit studentischer Vertreter des größten Lehramtsbildenden Standorts Sachsens. Mine Hänel, Sebastian Müller und Paul Fietz sind Sprecher*innen der Jungen GEW Sachsen. Bernd Hahn, Tina Bauer, Florian Melcher sind Sprecher*innen des Landesausschusses der Studentinnen und Studenten in der GEW Sachsen.

Der offene Brief in ganzer Länge

Wohin verschwinden all die Lehrer? Gerade mal jeder vierte Pädagogikstudent kommt auch im sächsischen Bildungswesen an

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