VideoEin klassisches Interview mit Robert Habeck war nicht angedacht und nicht gewollt. Mit dem neuen Vorsitzenden der Grünen sollte man einfach ein offenes Gespräch führen, Gedanken austauschen, mancher Frage etwas länger nachgehen, als ein Ja oder Nein gestattet. Weil er es genau so anbietet und einfordert auf seiner Sommertour „Des Glückes Unterpfand“. Es soll inhaltlich tiefergehen, als hastig aktuellpolitische Themen abzuhandeln. Der Lübecker Schriftsteller hat es eher mit den Grundfragen unserer Zeit. Und der Suche nach praktikablen Lösungen.

Während das Gespräch im Büro der L-IZ.de stattfindet, rotiert in den Tageszeitungen der Republik die Abrechnung Mesut Özils mit dem DFB rauf und runter. Tausende Kommentare zu Rassismus im DFB, Grindels Rolle und Hoeneß letzter Beitrag zur Debatte. Ein Fußballer, ein ultrakonservativer DFB-Präsident und ein Steuerhinterzieher bestimmen gemeinsam die Tagesagenda. Auch an Habecks Fersen hängen Medien, die ein Statement von ihm wollen.

Währenddessen sitzt er, morgens zu Hause um vier Uhr in der Frühe gestartet, nun im Haus der Demokratie in Leipzig, spricht mit den wirklichen Bürgerrechtlern von 1989. Später, bei der Fragerunde im Lene-Voigt-Park wird er Uwe Schwabe und seine Weggefährten als im Leben stehend und eher selbstgewiss beschreiben. Vielleicht eines seiner Erkenntnisse dieses Rundreisetages 23. Juli 2018 in Leipzig: ehemalige DDR-Bürgerrechtler sind eben beileibe nicht allesamt diese verbiesterten Zeitgenossen á la Vera Lengsfeld die 89er keine rechtsdrehende Veranstaltung. Es gibt sie noch, die, die die heutige Gesellschaft progressiv mitdenken wollen.

Als der Noch-Minister (seit 2012) für „Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung“ Schleswig-Holsteins kurz darauf das erste Mal in die L-IZ-Kamera blinzelt, sind andere Fragen angedacht.

Kurzes Umschalten, wer ist dieser Robert Habeck?

Vielleicht ist diese Einstiegsfrage nicht entscheidend vor dem Hintergrund dessen, was an Sachthemen so in 20 Minuten Gespräch eben hineinpassen. Die Antwort fällt norddeutsch-herb aus: Der Mann mit dem Bier in der Hand, eher im Hintergrund sitzend, kein „Chichie“ und Sekt auf der Bühne mit Habeck. Gute Antwort, Understatement auf einem Boden, der letztlich immer Überhöhung und Führungskult anbietet: die große Politik. Hier sucht einer Anschlussfähigkeiten in der Gesellschaft, bei politischen Mitbewerbern und will dennoch neue Wege gehen.

Weitere gute Antworten werden folgen. Im L-IZ-Gespräch und am Abend im Reudnitzer Lene-Voigt-Park. Vielleicht ist es nach drei Kernjahren illiberaler Seitwärtsbewegungen in ganz Europa auch einfach höchste Eisenbahn für die Benennung der wirklichen Themen unserer Zeit.

Wenig überraschend dreht sich schnell alles um „langsame, kleine Politik“ der letzten 10 Jahre unter Angela Merkel, eine CSU, deren Sprachgebrauch – und eine darauf wahrscheinlich folgende Klatsche bei der Bayernwahl – zuvor kaum denkbar gewesen war. Ganz schnell kann man dabei auch hinüberwechseln zum immer sichtbarer werdenden Klimawandel, fehlende Besteuerungen von Konzernen, schleppenden Wohnungsbau und Strukturfragen zum Europäischen Parlament.

Der rote Faden dabei: radikale Lösungen, um wieder realistische Ergebnisse zu erhalten.

Im Gespräch Robert Habeck. Video: L-IZ.de

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