„Jede fünfte Kommune in Sachsen ohne Haushalt!“, versucht André Schollbach, kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag, auf den Punkt zu bringen, was seine jüngsten Anfragen zu den Haushaltsplänen der sächsischen Städte und Gemeinden ergeben hat. Aber es muss wohl wirklich besser heißen: „Jede fünfte Gemeinde in Sachsen ist ohne beschlossenen Haushalt.“

Denn es sind die kleinen Städte und Gemeinden, die mit den verfügbaren Geldern nicht mehr über die Runden kommen. Und das hat vor allem mit dem Kommunalen Finanzausgleich in Sachsen zu tun. Der Freistaat versucht alles über pauschalisierte Sätze für alle zu regeln und gleichzeitig die Mittel für die Kommunen so knapp wie möglich zu halten.

In Kreisen und Großstädten wird das meist noch dadurch abgefedert, dass man einfach jahrelang auf wichtige Investitionen verzichtet und damit die Löcher im Konsum mit den Löchern in der Investition bezahlt. Denn Konsum ist ja, wie wir von sächsischen Unionspolitikern immer wieder zu hören bekommen, etwas geradezu Verwerfliches.

Doch je mehr Sozialaufgaben den Gemeinden übergestülpt werden, umso höher sind zwangsläufig die Konsumausgaben.

Und wenn das die Kämmerer bei aller Mühe nicht mehr in Einklang zu bringen vermögen, dann entsteht genau das Bild, das André Schollbach durch seine Anfragen bekommt: Immer mehr Gemeinden schaffen es im Lauf des Jahres nicht mehr, einen vom Gemeinderat beschlossenen Haushalt aufzustellen.

Im Freistaat Sachsen waren vor Sommerbeginn insgesamt 82 Gemeinden ohne beschlossenen Haushalt. Das entspricht einem Anteil von fast 20 Prozent, stellt Schollbach im Ergebnis seiner Kleinen Anfrage (Parlaments-Drucksache 6/13625) fest.

In negativer Hinsicht fallen insbesondere die Landkreise Bautzen (17 Gemeinden ohne beschlossenen Haushalt), Mittelsachsen (11 Gemeinden ohne beschlossenen Haushalt), der Vogtlandkreis (10 Gemeinden ohne beschlossenen Haushalt) und der Erzgebirgskreis (10 Gemeinden ohne beschlossenen Haushalt) auf. Unter den genannten Gemeinden befinden sich zum Beispiel Hoyerswerda, Niesky, Weißwasser, Dippoldiswalde, Meerane, Waldheim und Neustadt.

Aber es sind nicht nur die Landkreise an der Peripherie, die Haushaltsprobleme aufweisen. Das geht auch Gemeinden im direkten Umfeld Leipzigs so, im Landkreis Leipzig zum Beispiel Belgershain, Borsdorf, Machern und Regis-Breitingen, in Nordsachsen den Gemeinden Belgern-Schildau, Krostitz, Löbnitz, Schönwölkau und Zschepplin.

Da hilft die schönste Lage nichts, wenn die Finanzzuweisungen nicht ausreichen, den normalen Geschäftsbetrieb zu finanzieren.

Gemäß § 76 Absatz 2 der Sächsischen Gemeindeordnung ist die Haushaltssatzung vom Gemeinderat in öffentlicher Sitzung zu beraten und zu beschließen. Die vom Gemeinderat beschlossene Haushaltssatzung ist der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen; sie soll ihr spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres vorliegen. Dies wäre der 30. November 2017 gewesen.

„Die erste Hälfte des Jahres 2018 ist bereits Geschichte, aber ein großer Teil der Kommunen im Freistaat Sachsen hat noch immer keinen beschlossenen Haushalt“, sieht Schollbach das Phänomen bestätigt, das ihn schon in den Vorjahren beschäftigt hat. „Dieser Umstand verdeutlicht, dass es bei den Kommunalfinanzen zum Teil erhebliche Probleme gibt.

Vielfach reichen die vorhandenen Gelder für die Erfüllung wichtiger kommunaler Aufgaben nicht aus. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Freistaat immer wieder Aufgaben auf die Kommunen abwälzt, ohne die dafür erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen. Die CDU-geführte Staatsregierung hat mit ihrer jahrelangen verfehlten Finanzpolitik viele Kommunen finanziell regelrecht ausgetrocknet.“

Und das hat dazu geführt, dass das in den 1990er Jahren entwickelte Modell für den Kommunalen Finanzausgleich für praktisch alle Kommunen in Sachsen nicht mehr funktioniert. Doch nicht einmal der Protest der Bürgermeister aus dem Erzgebirge hat die erstarrte Staatsregierung dazu bewegen können, den Kommunalen Finanzausgleich endlich den heutigen Bedürfnissen anzupassen.

Denn im Effekt würde das natürlich heißen, dass die Kommunen allesamt mehr Mittel zugewiesen bekommen. So wie es jetzt ist, ist Sachen ein Land, in dem immer mehr Städte und Gemeinden in Haushaltssituationen abdriften, die mit Eigenverantwortung und Planbarkeit nichts mehr zu tun haben.

Und das betrifft nicht nur die kleinen Gemeinden. Auch Städte wie Leipzig erkaufen sich ihre soziale Ausgabendeckung mit dem Verzicht auf dringend notwendige Investitionen im Umfang von mindestens 100 Millionen Euro im Jahr.

Sozialausgaben fressen die Investitionsspielräume der sächsischen Großstädte auf

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