Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Valentin Lippmann, war fleißig im August. Gleich nach dem Ferienende ging er daran, die ganzen Fragen an die Staatsregierung zu stellen, die sich aufgehäuft hatten. Nicht nur zu diesem Mann mit Deutschlandhütchen, der sich am Rand einer PEGIDA-Demonstration so seltsam benahm. Denn was ist eigentlich aus all den Neonazis geworden, die seinerzeit im Verdacht standen, das „NSU“-Terrortrio in Zwickau unterstützt zu haben?

Der Prozess gegen Beate Zschäpe, die Überlebende dieses Trios, in München ging ja aus wie erwartet. Gerade was das Versagen der Ermittler (nicht nur in Sachsen) betraf, bohrte das Gericht nicht wirklich nach. Und was die Unterstützernetzwerke betraf, hielten sich Gericht und Staatsanwaltschaft ebenfalls merklich zurück. Auch wenn eine ganze Reihe bekennender Neonazis in diesem riesigen Fallkomplex namhaft wurden. Sie sind dann auf der sogenannten 129er-Liste gelandet. Mehr nicht.

Und so fragte Valentin Lippmann nach dem so erwartbaren Ende des Mammutprozesses bei der sächsischen Staatsregierung an: „Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Mitgliedschaft von wie vielen Personen der sogenannten 129er-Liste in neonazistischen Parteien, Vereinen, Gruppen usw. bzw. einer Zugehörigkeit zur neonazistischen Szene in Sachsen?“ Und: „Um welche Parteien, Vereine, Gruppen usw. handelt es sich dabei?“

Darauf zumindest bekam er nun von Innenminister Dr. Roland Wöller (CDU) eine Antwort: „Zu 13 Personen der 129er-Liste liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, dass diese auch nach dem 4. November 2011 Mitglied in einer rechtsextremistischen Gruppierung im Freistaat Sachsen waren oder an Ereignissen der rechtsextremistischen Szene im Freistaat Sachsen teilnahmen.

Sechs dieser Personen haben ihren Wohnsitz nicht in Sachsen, sondern traten hier unter anderem als Anmelder für Versammlungen der rechtsextremistischen Szene in Erscheinung. Bei den Personen handelt es sich um ehemalige bzw. aktuelle Mitglieder der rechtsextremistischen Parteien ‚Nationaldemokratische Partei Deutschland‘ (NPD) und ‚Der Dritte Weg‘ sowie um Personen, die der parteiunabhängigen rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden.“

Dass die Frage brisant war, zeigen ja aktuell die Vorfälle um die rechte Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“, die ja augenscheinlich in die Stiefeltapsen der verbotenen rechtextremen Gruppe „Sturm 34“ getreten ist. Was ja zu erwarten war. Sachsens Innenminister zelebrieren zwar ab und zu medienwirksam das Verbot solcher extremistischer Gruppen – aber die Mitglieder dieser Vereinigungen verschwinden ja nicht. Genauso wenig die Netzwerke, in denen sie aktiv sind und sich (auch zu Straftaten) verabreden.

2001 etwa wurde die Gruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“ verboten – was an den rechtsextremen Aktivitäten in Ostsachsen wenig geändert hat. „Blood and Honour“, das 2000 in ganz Deutschland mitsamt seinem militanten Arm „Combat 18“ verboten wurde, hatte seinerzeit auch ein starkes Netzwerk in Chemnitz – das wiederum ab 1998 das „NSU“-Trio unterstützt hatte. Die ganzen Verbote haben nicht dazu geführt, dass die Netzwerke und ihre Netzwerker verschwanden. Die änderten nur Name und Auftritt und machten einfach weiter.

Und dass das dem Sächsischen Verfassungsschutz durchaus bekannt ist, gibt Roland Wöller indirekt zu, wenn er in seiner weiteren Antwort erklärt, warum er Lippmann mehr zu den handelnden Akteuren nicht mitteilen kann und will: „Darüber hinaus liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor, deren Mitteilung überwiegende Belange des Geheimschutzes (Art. 51 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Sachsen) entgegenstehen.“

Der Absatz in der Verfassung lautet: „Die Staatsregierung kann die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren oder einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen.“

Dass es aber im Kern um die mögliche Enttarnung von V-Männern in der rechten Szene geht, macht Wöller ein wenig später deutlich, wenn er erklärt: „Diese Personen wären bei einer Mitteilung in ihren Grundrechten auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit der Person gefährdet. Die Staatsregierung trifft eine Schutzpflicht gegenüber ihren nachrichtendienstlichen Quellen und sie hat insoweit jegliche Handlungen zu unterlassen, die zu einer Enttarnung der Quelle führen können.

Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Fähigkeit eines Nachrichtendienstes, die Identität seiner Quellen zu schützen, für seine Funktionsfähigkeit essenziell. Die Mitteilung von Erkenntnissen im gewählten Verfahren, die Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche Zugänge zulassen, würde sich nachhaltig negativ auf die Fähigkeit des LfV Sachsen auswirken, solche Zugänge zu gewinnen bzw. solche Kontakte fortzuführen.“

Womit wir zumindest schon einmal wissen, dass das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz weiter mit V-Leuten im rechten Milieu arbeitet.

Ob es wirklich hilft, erfährt man natürlich nicht.

Und Valentin Lippmann bekommt – zumindest hier – keine Details.

„Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden kann, wenn die Informationsübermittlung unterbleibt“, meint Wöller. „Es wird darauf hingewiesen, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission auf deren Verlangen weitergehende Auskunft erteilt wird.“

Genau diese Kommission aber hadert seit 2012 mit der Auskunftsfreude der Landesregierung. Und trösten wird das Lippmann überhaupt nicht, denn derzeit hat zwar die AfD einen Sitz in der fünfköpfigen Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtags, aber nicht die Grünen-Fraktion.

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