Das Wahlergebnis zur SƤchsischen Landtagswahl im September war auch fĆ¼r die Linkspartei eine eiskalte Dusche: 10,4 Prozent. Solche Ergebnisse kannte bisher nur die SPD, die mit 7,7 Prozent diesmal noch schlechter abschnitt. Da war schon klar, dass zum nƤchsten Landesparteitag abgerechnet werden wĆ¼rde. Der fand am Wochenende in Dresden statt. Und Antje Feiks, die als Landesvorsitzende fĆ¼r das Wahldebakel die Verantwortung Ć¼bernahm, trat nicht mehr an.

Stattdessen wƤhlte Sachsens Linke erstmals ein FĆ¼hrungsduo: Susanne Schaper und Stefan Hartmann wurden als neue Vorsitzende in einer Doppelspitze gewƤhlt. Am Samstag, 16. November, entschieden die Delegierten, dass der Landesverband erstmals durch eine Doppelspitze gefĆ¼hrt werden soll. GewƤhlt wurde die Chemnitzerin Susanne Schaper und der Leipziger Stefan Hartmann.

ā€žWir setzen ein Signal, dass die Zeit der Selbstbefassung, die Fokussierung auf innere Befindlichkeiten, vorbei istā€œ, machte Schaper in ihrer Kandidatur deutlich. Die gelernte Krankenschwester und diplomierte Pflegewirtin bringt ā€“ neben ihrer Erfahrung in der Landtagsfraktion ā€“ politische Erfahrung auch aus der kommunalen Ebene mit, wo Schaper als Fraktionsvorsitzende in den letzten Jahren ein Mitte-Links-BĆ¼ndnis im Chemnitzer Stadtrat umgesetzt hat, ā€žin dem es darum ging, den Alltag der Menschen besser zu machenā€œ.

Stefan Hartmann machte in seiner Rede auf die Funktion der Linken aufmerksam: ā€žOb in Opposition oder Regierung: Die Linke steht gemeinsam fĆ¼r die Interessen der Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens sind. Der Menschen, die um einen guten Lohn kƤmpfen oder gegen Armut, die unter Diskriminierung leiden und ausgegrenzt werden, die behindert werden, die nur notdĆ¼rftig gepflegt werden oder eine bessere Bildung fĆ¼r ihre Kinder ertrƤumen.ā€œ

Aber das war ja dann auch irgendwie der Knackpunkt bei der Wahl gewesen: Die Botschaften der Linken drangen gerade im lƤndlichen Raum kaum noch durch. Dort hat die AfD mittlerweile die Rolle der Oppositionspartei Ć¼bernommen.

Und im Grundsatzbeschluss der Linken analysierten sie auch die mƶglichen Ursachen fĆ¼r diese drastische VerƤnderung, die das Land weit nach rechts gerĆ¼ckt hat.

ā€žDer regelrechte Riss quer durch Sachsen in der GroƟstadt-Umland-Dimension und damit nahezu zwangslƤufig des WƤhler/-innenverhaltens wird in gewisser Weise dadurch Ć¼berbrĆ¼ckt, dass eine groƟe Zahl von Berufs- und Ausbildungspendler/-innen fast jeden Tag in beiden Welten der davongeeilten StƤdte und des vernachlƤssigten lƤndlichen Raums zuhause istā€œ, kann man da lesen. ā€žAus diesem SpannungsverhƤltnis und seinem unabweisbaren Handlungsbedarf muss eine Ć¼berzeugende Strategie aufgebaut werden, wie neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter angesprochen bzw. gewonnen werden kƶnnen.ā€œ

Aber auch: ā€žDie bundesweite gesellschaftliche Rechtsentwicklung ist in Sachsen am weitesten fortgeschritten, wie nicht nur die Wahlergebnisse der AfD seit 2014 unter Beweis stellen. Das rechte und konservative Parteienspektrum umfasst mindestens 60 Prozent der WƤhlerschaft, wƤhrend die Mitte-Links-Parteien von weniger als 30 Prozent der Menschen gewƤhlt werden. Ob der bisherige autoritƤre Kurs der CDU durch eine Kenia-Koalition mit einer schrumpfenden SPD und regierungswilligen GrĆ¼nen gestoppt wird, ist fraglich. Die politische Rechtsentwicklung wird durch starke Stimmungen in der Bevƶlkerung (siehe Sachsen-Monitor) gestĆ¼tzt, die einer vƶlkischen Revolte weiterhin Vorschub leisten kƶnnten.ā€œ

Kann man so formulieren. Aber wahrscheinlich verfehlt es die Intentionen der WƤhler auch in dieser Interpretation.

Besser trifft wohl dieses EingestƤndnis: ā€žWir haben verloren, weil wir unsere Funktion in einer Gesellschaft im Umbruch nicht erklƤren konnten. Wir haben Vertrauen von WƤhler/-innen verloren, weil nicht erkennbar wurde, was originƤr linke Antworten auf die BewƤltigung der wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben sind. Dass man uns die Ostkompetenz (noch) zuschreibt, bestƤtigt, dass nicht alles falsch gelaufen ist. Dass man uns das Ɩkologische (noch) nicht zuschreibt, ist erklƤrbar. Dass man aber ausgerechnet beim Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus meint, denen die Stimme geben zu mĆ¼ssen, die ihr besonderes Erstarken in Sachsen erst ermƶglicht haben, ist besonders bitter.ā€œ

Aber was sind die ā€žoriginƤr linken Antworten auf die BewƤltigung der wichtigen gesellschaftlichen Aufgabenā€œ? Und was sind eigentlich die Aufgaben?

Eine Frage, um die sich auch andere Parteien immer wieder herummogeln. Man verliert sich ins Kleinklein, vermeidet Themen, die den WƤhlern etwas zumuten wĆ¼rden, und versucht auch die bĆ¼rgerliche Parteienkonkurrenz nicht allzu sehr zu verƤrgern.

Das klingt schon ein wenig an, wenn die Linke formuliert: ā€žWir haben verloren, weil wir auf die groƟen gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart keine oder nur unzureichende linke Antworten entwickelt haben. Wir haben bisher nicht ausreichend wirkungsvoll unseren Beitrag geleistet fĆ¼r eine wieder erstarkende politische Kultur, die Konflikte austrƤgt Ć¼ber verschiedene mƶgliche Antworten auf die groƟen Fragen bzw. Verunsicherungen, um deren Bedeutung ,alleā€˜ irgendwie ,wissenā€˜: Demografie und regionale Ungleichheit, Digitalisierung, Klimakatastrophe und Wachstum, Migration und Transnationalisierung sowie die Mƶglichkeiten europƤischer und globaler Kooperation in Zeiten wachsender Nationalisierung. ReprƤsentieren heiƟt nicht widerzuspiegeln, sondern VorschlƤge zu machen, wohin und nach welchen Regeln sich Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln sollen; VorschlƤge, hinter denen sich unterschiedliche Teile eines sozial heterogenen ,Volkesā€˜ versammeln kƶnnen.ā€œ

ā€žDrittens stehen wir vor erheblichen organisationspolitischen Herausforderungen, mit jeweils anderer Schwerpunktsetzung in den groƟen StƤdten und auƟerhalb dieser. Die Initiative ,LƤndlicher Raumā€˜, die vor zwei Jahren beschlossen wurde, ist wirkungslos versandetā€œ, sagte Christian Hartmann.

Wie diese Lƶsungen fĆ¼r ein auseinanderdriftendes Land aussehen kƶnnten, konnte natĆ¼rlich auch Hartmann noch nicht sagen.

Das soll nun Thema einer groƟen Strategiekonferenz werden. Denn es sind ja nicht nur die sƤchsischen Linken, die zunehmend politisch in die Defensive geraten sind. Es geht fast allen linken Parteien in Europa so, die den KollateralschƤden einer enthemmten Marktwirtschaft keine Ć¼berzeugenden Ideen entgegensetzen kƶnnen, wƤhrend es den Rechtspopulisten leichtfƤllt, den zunehmend verunsicherten WahlbĆ¼rgern die RĆ¼ckkehr des Nationalismus als hochemotionale Alternative anzubieten. Denn es sind die elementaren Ƅngste der verunsicherten Menschen, bei denen die Nationalisten ansetzen und Versprechungen machen, die sie gar nicht einlƶsen kƶnnen. Aber das Versprechen allein wirkt. Zumindest solange, bis die politische Konkurrenz wieder den Mut hat, handfeste Lƶsungen fĆ¼r die schwelenden Krisen der Gegenwart anzubieten.

Sachsens Linke unterm Boden: Ein ā€žNeuanfang, politisch und personellā€œ oder die Abrissbirne?

Sachsens Linke unterm Boden: Ein ā€žNeuanfang, politisch und personellā€œ oder die Abrissbirne?

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