Ein bisschen zuspitzen, ein bisschen skandalisieren. Das kann auch der MDR, der am Morgen des 8. Februar vermeldete: „Sachsens Verkehrsminister verhängt Fördermittelstopp für kommunalen Straßenbau“. Das klang schon fast genauso wie der Empörungsruf des FDP-Bundestagsabgeordneten Torsten Herbst vom Vorabend: „Dulig-Ministerium darf Kommunen nicht den Fördermittelhahn zudrehen!“ – Dieser schreckliche Herr Dulig! Oder wollte Torsten Herbst nur vom Debakel des FDP-Möchtegern-Ministerpräsidenten in Thüringen ablenken? Mit Klamauk.

„Sachsens Wirtschafts- und Verkehrsministerium hat heute die Fördermittel für neue kommunale Straßenbauprojekte gestoppt“, ließ Herbst noch am Freitag vermelden. „Die Zahl der Anträge übersteige bei weitem die zur Verfügung stehenden Mittel, begründete Minister Martin Dulig (SPD) seinen ,harten Schnitt‘. Anträge, die bis Ende Oktober 2019 von den Kommunen eingereicht wurden, sollen laut Ministerium bis Ende 2021/2022 abgearbeitet werden. Alle danach eingereichten Anträge werden zurückgeschickt; in den nächsten beiden Jahren solle es vorerst keine neuen Bewilligungen geben.”

Augenscheinlich hat der MDR den Tonfall dann einfach übernommen.

So eine Meldung hatte die sächsische FDP auch schon im Juli 2019 rausgehauen. Damals war es der damalige FDP-Vorsitzende Holger Zastrow, der den großen Klammerbeutel rausholte, nachdem das zuständige Landesamt für den Straßenbau gemeldet hatte, dass die Fördermittel für 2019 ausgeschöpft waren und weitere Anträge aus den Kommunen nicht mehr bedacht werden könnten.

Dass der zuständige Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) die Fördermodalitäten endlich so geändert und die Förderbeiträge so aufgestockt hatte, dass sich viele Kommunen jetzt endlich eine Antragstellung leisten konnten, ließ Zastrow dabei lieber weg.

Und auch der sächsische Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst, der für die FDP auch noch Obmann im Verkehrsausschuss des Bundestags ist, ließ das lieber weg, als er behauptete: „Offenbar ist das totale Missmanagement des Dulig-Ministerium jetzt über dem Minister zusammengebrochen. Zwei Jahre lang soll keine einzige kommunale Straßenbau-Maßnahme mehr vom Freistaat gefördert werden – das ist eine Bankrotterklärung.

Wenn Dulig nicht in der Lage ist, den von ihm verantworteten Schlamassel zu lösen, muss ihm aus der Staatskanzlei oder dem Finanzministerium mit Fachwissen und politischem Verstand ausgeholfen werden. Den Kommunen jetzt jahrelang den Fördermittelhahn komplett zuzudrehen, ist jedenfalls keine Lösung. Insbesondere auch für die Lausitz, wo die Kommunen aufgrund des Strukturwandels schwierigen Zeiten entgegensehen, ist das ein Akt der Sabotage an der Region.“

Und so klingt eben auch die MDR-Meldung, auf die dann ganz ähnlich empört die Linksfraktion im sächsischen Landtag reagierte.

Laut Bericht des MDR habe das sächsische Verkehrsministerium die Fördermittel für neue kommunale Straßenbauprojekte gestoppt. Zunächst müsse eine riesige Bugwelle an bestehenden Anträgen abgearbeitet werden. Deshalb sei ein harter Schnitt notwendig, sagte Verkehrsminister Martin Dulig.

Der MDR hatte es tatsächlich behauptet: „Sachsens Verkehrsminister verhängt Fördermittelstopp für kommunalen Straßenbau“.

Die "Förderstopp"-Meldung des MDR.- Screenshot: L-IZ
Die „Förderstopp“-Meldung des MDR.- Screenshot: L-IZ

Eigentlich hatte er sogar behauptet: „Sachsens Verkehrsminister verhängt Fördermittelstopp für kommunalen Straßenbau“. Dass der MDR die Meldung regelrecht zusammengeschludert hat, sieht man nicht nur am Schreibfehler, sondern auch an der Datumsangabe 8. April. Das sollte wohl eher 1. April heißen.

Das hat mit einer sachlichen Mitteilung nichts zu tun. Es ist schlicht falsch. Auch wenn Stefan Hartmann, Co-Vorsitzender der sächsischen Linken, so eine Meldung natürlich empörenswert findet: „Wenn bereits heute die Mittel für die Haushaltsjahre 2019/20 ausgeschöpft sind, so offenbart das eine unglaubliche Fehleinschätzung und -planung der Landesregierung in Bezug auf den notwendigen Investitionsbedarf in die Straßeninfrastruktur im Freistaat. Ihr ist offensichtlich nicht bekannt, wie es um den Zustand sächsischer Straßen steht, sonst hätte sie mehr Investitionsmittel bereitstellen müssen.“

Dabei bezieht er sich tatsächlich auf die Zahlen, die das Verkehrsministerium gemeldet hatte: Insgesamt seien bislang 420 Anträge eingereicht worden, die ein Gesamtvolumen von rund 245 Millionen Euro hätten. Das übersteige die zur Verfügung stehenden Gelder. Für den Bau von kommunalen Brücken, Straßen und Radwegen in Sachsen sind für 2020 rund 179 Millionen Euro eingeplant. Laut Dulig könne noch über 29 Millionen Euro frei verfügt werden. Kommunen, die Anträge nach dem Oktober 2019 eingereicht hätten, würden ihre Fördermittelanträge zurückgeschickt.

Da wurden also keine Fördermittel gestoppt. Im Gegenteil: Sämtliche Gelder, die der Landtag für den kommunalen Straßenbau genehmigt hat, sind schon zum Jahresbeginn in genehmigten Anträgen verplant. Die neuen Antragsmodalitäten funktionieren also.

Das einzige Problem: Natürlich sitzen die Kommunen nach den mickrigen Förderungen der Vorjahre alle auf einem riesigen Investitionsstau. Auch Leipzig, das jetzt zum Beispiel die Bornaische Straße ohne Landesförderung bauen muss. Und die vom Landtag bewilligten Gelder reichen nicht hinten und nicht vorne.

Das ist eigentlich der Kern der Meldung aus dem SMWA: „In Abstimmung mit Ministerpräsident Michael Kretschmer informierte heute Verkehrsminister Martin Dulig die Spitzenvertreter des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG) und des Sächsischen Landkreistages (SLKT) darüber, dass die Förderung der kommunalen Straßen- und Brückenbauvorhaben neu aufgestellt werden muss. Hierfür wird nun auf die bereits im vergangenen Jahr begonnenen Gespräche mit der kommunalen Ebene aufgesetzt.

Verkehrsminister Martin Dulig: ,Unser Ziel ist es, die Förderung des kommunalen Straßenbaus grundlegend neu auszugestalten und den für die Maßnahmen zuständigen kommunalen Partnern mehr Selbstbestimmungsmöglichkeiten über die Mittelverwendung und -verteilung zu überlassen.‘“

Dabei geht es um mehr Mittel, über die die Kommunen in Eigenregie entscheiden können.

Eins aber ist nun auch klar: Der Mittelansatz, der im Doppelhaushalt 2019/2020 beschlossen wurde, ist zu niedrig. Er reicht nicht, um den aufgelaufenen Bedarf der Kommunen zu decken. Da hilft auch keine „neue Fördersystematik“, wie Dulig betont, sondern nur ein deutliches Aufstocken der Fördersumme im nächsten Doppelhaushalt (oder schon vorher, denn Rücklagen hat der Freistaat mehr als genug).

Die Linke-Landtagsabgeordnete Susanne Schaper ergänzt dazu: „Die Kommunen dürfen von der Staatsregierung nicht im Regen stehen gelassen werden. Der Zustand der kommunalen Straßen wird sich in den kommenden zwei Jahren durch den Förderstopp nicht verbessern. Deshalb ist die Staatsregierung aufgefordert, weitere Investitionsmittel bereitzustellen, die dem realen Bedarf in den kommenden zwei Jahren entsprechen. Ein Förderstopp von zwei Jahren ist für uns inakzeptabel.“

Wie gesagt: Einen Förderstopp gab es gar nicht. Nur die bewilligte Fördersumme ist völlig ausgereizt, nun schon zum Jahresanfang und nicht erst im Sommer. Das wäre eigentlich Thema für einen Haushaltsantrag im Landtag und vor allem die einmalige Gelegenheit für Sachsens Regierung, den Stau im kommunalen Straßenbau erst einmal mit einer Sonderzuweisung aufzulösen.

Wie man aus einem Verkehrsminister, der gerade 360 Millionen Euro verteilt hat, einen Bankrotteur macht

Wie man aus einem Verkehrsminister, der gerade 360 Millionen Euro verteilt hat, einen Bankrotteur macht

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar