Am Dienstag,14. September, hat der Wirtschaftsausschuss des Sächsischen Landtages über den Antrag der Linksfraktion zur nachhaltigen Entwicklung des Flughafenstandortes Leipzig/Halle (Drucksache 7/6699) abgestimmt. Obwohl: Eigentlich geht es im Antrag eher um ein „Stopp“ für den Ausbau des Frachtflughafens. Aber die Ausschussmehrheit war für den Vorstoß wieder nicht empfänglich. Nur die Grünen meldeten sich noch zustimmend zu Wort.

„Die anderen Fraktionen haben unsere Vorschläge abgelehnt und damit gegen eine soziale, ökologische und friedliche Entwicklung des Flughafenstandortes Leipzig/Halle gestimmt“, interpretiert Marco Böhme, Sprecher für Klimaschutz und Mobilität der Linksfraktion, das Ergebnis im Ausschuss.„Auch die Bündnisgrünen stimmten gegen einen Ausbaustopp und mehr Lärmschutz, obwohl der Flughafen weiter massiv mehr Flugverkehr und Lärm erzeugt. Dies ist nicht nur für die lärmgeplagten Anwohner/-innen ein herber Schlag, sondern auch für den Klimaschutz. Ein weiterer Ausbau des Flughafens, der im deutschen Vergleich am meisten CO2 ausstößt, verträgt sich nicht mit den Pariser Klimaschutzzielen.

Während im Süden Leipzigs der Kohleausstieg vollzogen wird, wird im Norden der Flughafen weiter ausgebaut und auf einen weiterwachsenden Flugverkehr gesetzt – welch ein Irrsinn, zumal durch den Ausbau noch viel mehr Menschen in weiteren Gebieten unter dem Flugverkehr leiden müssten, bis weit nach Leipzig und Halle. Der Fluglärmschutzbeauftragte wird es jedenfalls leider nicht richten können.“

Die Linke fordere deshalb weiter einen sozial-ökologischen Umbau des Flughafens, um die Gesundheit der Anwohner/-innen sowie das Klima zu schützen und den Beschäftigten eine Perspektive zu geben.

„Wir schlagen eine deutliche Erhöhung der Start- und Landegebühren sowie eine Spreizung nach Emissionsklassen, orientiert am Frachtflughafen Köln/Bonn, sowie ein sofortiges Ausbaumoratorium vor. Nur Flugzeuge der leisesten Lärmklasse sollen nachts noch starten und landen dürfen“, findet Böhme.

„Zudem muss die Wirtschaftsstruktur diversifiziert und der Standort im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens nachhaltig entwickelt werden. Dies gelingt nicht durch einen weiteren Ausbau oder die Ansiedelung von Rüstungskonzernen. Stattdessen muss der bestehende, aber weitgehend für den Flughafen ungenutzte Umschlagbahnhof in das Transportkonzept der Logistikdienstleister eingebunden werden. Die Beschäftigten, die von diesem Strukturwandel betroffen sind, sollen eine Beschäftigungsgarantie sowie Qualifizierungsmaßnahmen erhalten.“

Aber so weit ist die Mehrheit im Wirtschaftsausschuss des Landtags noch nicht, der ja nicht umsonst so heißt: Hier sitzen jede Menge Abgeordnete, die ihre Rolle als Landtagsabgeordnete als eine Vertretung der „Wirtschaft“ verstehen, also jenes Teils der sächsischen Unternehmen, die in den schlagkräftigen Wirtschaftsgremien das Sagen haben.

Das Ergebnis ist eine selbst im Bundesvergleich zutiefst konservative und fossile Wirtschaftspolitik. Was sich erst ändern wird, wenn es auch in diesem Ausschuss einmal progressive Mehrheiten geben wird, die ihr Heil nicht in Kohlekraftwerken, Lkw-Flotten und Frachtflughäfen sehen.

Die Grünen versuchen, diese alten Mehrheiten vorsichtig aufzulösen und über sanfte Kompromisse mitzunehmen zu notwendigen Änderungen. Aber ob das klappt?

So klingt es zumindest, wenn Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, die Vorgänge im Ausschuss aus seiner Sicht beschreibt: „Wir Bündnisgrünen sehen den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle nach wie vor sehr kritisch. Die prognostizierte Steigerung der Flugbewegungen droht, ohne ambitionierte Schutzmaßnahmen, eine enorme Belastung für die Bevölkerung zu werden. Die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens und von einzelnen Unternehmen darf nicht über dem Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz stehen. Der Freistaat Sachsen muss seiner Verantwortung gerecht werden und darauf hinwirken, dass sowohl die CO2- als auch die Lärm- und Schadstoffemissionen des Flughafens und der dort tätigen Unternehmen gesenkt werden, auch im Wachstums-Szenario.“

Das Wachstums-Mantra ist sichtlich immer noch lebendig, obwohl gerade die Dringlichkeit der Klimawende zeigt, dass der Frachtflugverkehr nicht mehr wachsen darf. Und damit auch ein Ausbau des Frachtflughafens nicht klimaverträglich gemacht werden kann. Aber wie kommt man hier zu einem anderen Ansatz?

Gerhard Liebscher: „Als Weg zu konkreten Strategien und Maßnahmen und im Ergebnis der Sachverständigen-Anhörung im Juli 2021 schlagen wir ein ergebnisoffenes, paritätisch besetztes Dialog- und Mediationsverfahren, nach dem Vorbild des ‚Frankfurter Wegs‘ (des Prozesses am Flughafen Frankfurt/Main), vor. Dabei sollte neben kurzfristig wirksamen Lärm- und Emissionsschutzmaßnahmen, auch eine Langfriststrategie zur Flughafenentwicklung, mit entsprechenden Maßnahmenpaketen zum Interessensausgleich und Betroffenenschutz erarbeitet werden.“

Frankfurt hat diesen „Frankfurter Weg“ aber schon vor 1998 begonnen. Auch dort ging es um einen geplanten Ausbau des Flughafens. Nur hat Frankfurt heute ein nächtliches Start- und Landeverbot, von dem in Leipzig überhaupt keine Rede sein kann. Und es ist auch noch nicht so lange her, dass auch die Grünen in Sachsen ein Nachtflugverbot gefordert haben, womit eigentlich die gröbsten Fehler am Flughafen Leipzig/Halle schon gemildert wären.

„Auch der Flughafen Leipzig/Halle und die ansässigen Unternehmen werden, wie alle Bereiche im Verkehrssektor, zur deutlichen CO2-Reduktion und damit zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens beitragen müssen. Insbesondere nach dem ‚Klima-Urteil‘ des Bundesverwaltungsgerichts ist die Aufnahme der Klimaschutzziele in die Landesentwicklungsplanung eine Selbstverständlichkeit“, ergänzt Dr. Daniel Gerber, Leipziger Abgeordneter und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag.

„Damit steht die weitere Entwicklung des Flughafens natürlich unter der Maßgabe von Generationengerechtigkeit, Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Außerdem werden wir Bündnisgrünen im Maßnahmenprogramm des ‚Energie- und Klimaprogramms‘ (EKP) darauf hinwirken, dass auch im Luftverkehr der CO2-Ausstoß gesenkt wird.“

Das aber geht nur mit einem kompletten Ausbaustopp und den von der Linken beantragten höheren Start- und Landeentgelten. Und die für das Thema Klimaneutralität notwendige Senkung der Emissionen gibt es eigentlich auch nur mit einem resoluten Nachtflugverbot.

Ob das Maßnahmenprogramm zum EKP so weit gehen wird, darf man bezweifeln, gerade beim Flughafen Leipzig/Halle. Eher wird der Freistaat seine Hausaufgaben wohl vom Gericht zugewiesen bekommen, nachdem Sachsen von der Deutschen Umwelthilfe ebenfalls verklagt wurde, weil das Bundesland kein Klimaschutzgesetz hat.

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