Noch zögert die CDU in der Sächsischen Regierung, will lieber warten, bis die neuen Steuerschätzungen im November kommen. Dabei drängt die Zeit, denn die seit 2013 in der sächsischen Verfassung verankerte „Schuldenbremse“ droht dem Sächsischen Haushalt ab 2023 die Luft abzuschnüren. Bevor die Haushaltsverhandlungen 2022 beginnen, müssen die Tilgungsfristen in der Verfassung verändert werden, fordern über 100 sächsische Organisationen.

In einem Offenen Brief wandten sich jetzt über 100 sächsische Organisationen aus dem Sozial-, Kultur- und Bildungsbereich sowie Gewerkschaften an die Fraktionen im Sächsischen Landtag und fordern, die in der Schuldenbremse festgelegte Tilgungsfrist zu strecken.Die Unterzeichner warnen, dass die Rückzahlungsverpflichtungen für die coronabedingten Kredite zu weitreichenden Kürzungen in den kommenden Landeshaushalten und zum Wegfall von Investitionen führen könnten. Aktuell müsste Sachsen in nur 8 Jahren über 6 Milliarden Euro zurückzahlen.

In dem Offenen Brief loben die Unterzeichner die Staatsregierung dafür, dass diese coronabedingte Kredite in dieser Größenordnung aufnehmen will, was in der Krise ein schnelles Handeln des Freistaates ermöglichte. Ob die vom Landtag bewilligten 6 Milliarden Euro tatsächlich ausgereizt werden, ist noch offen. Das hängt von der wirtschaftlichen Erholung im Land ab.

Offener Brief für eine lebenswerte Zukunft und Generationengerechtigkeit.

Aber Berechnungen des Finanzministeriums zeigen, dass der Freistaat schon ab 2023 enorme Belastungen verkraften müsse, wenn die Schulden sofort wieder in einem engen Zeitfenster abgetragen werden müssen.

Die in der Landesverfassung festgeschriebene Tilgungsfrist könnte so zu einer unverhältnismäßigen Belastung der kommenden Haushalte führen. Pro Haushaltsjahr seien bis zu 1 Milliarde Euro zurückzuzahlen. Die dafür notwendigen Einsparungen würden Leistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und Kommunen in Sachsen gefährden. Dringend notwendige Investitionen für Infrastruktur und Digitalisierung könnten nur unzureichend getätigt werden.

„Damit wären die gesamte soziale und kulturelle Infrastruktur in ihrem Kern, sowie auch die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung bedroht“, heißt es in dem Schreiben.

Die in der sächsischen Verfassung verankerte Tilgungsfrist müsse gestreckt werden, damit der Freistaat handlungsfähig bleibt, fordern die Unterzeichner. Andernfalls würden zukünftige Generationen mit einem enormen Sanierungs- und Investitionsstau konfrontiert. Die Fraktionen im Sächsischen Landtag sollten schnellstmöglich eine Änderung der Verfassung herbeiführen, die einen vernünftigen Schuldenabbau mit Handlungsfähigkeit des Freistaates in Einklang bringt. Nur so lasse sich der Zusammenhalt in Sachsen langfristig absichern.

Den Offenen Brief findet man auch auf der Website des DGB Sachsen.

Zu den unterzeichnenden Organisationen gehören unter anderem der DGB Sachsen, der Kinder- und Jugendring Sachsen, Paritätischer Wohlfahrtsverband Sachsen, Deutscher Kinderschutzbund Sachsen, Arbeiterwohlfahrt Sachsen, Landesverband Soziokultur und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen.

Die 2013 beschlossene Schuldenbremse

Die in der sächsischen Verfassung verankerte Schuldenbremse (Art. 95) sieht für die Kreditaufnahme „in außergewöhnlichen Notsituationen“ eine Tilgungsfrist von acht Jahren vor und enthält damit die bundesweit kürzeste Frist zum Schuldenabbau.

Wenn der coronabedingt aufgesetzte Sonderfonds von über 6 Milliarden Euro voll ausgeschöpft wird, müssten ab dem Doppelhaushalt 2023/24 jährlich jeweils 1 Milliarde Euro sofort wieder getilgt werden, um die gesetzte Acht-Jahres-Frist einzuhalten. Das entspricht in etwa einem Drittel der „ungebundenen“ Mittel im Landeshaushalt, da weite Teile des Etats gesetzlich gebunden sind. Aus den ungebundenen Mitteln werden beispielsweise soziale Angebote, Kultur-, Demokratie und Wirtschaftsförderung sowie Arbeitsmarktmaßnahmen und Investitionen finanziert.

Die aktuell geltende Tilgungsfrist würde demnach ab 2023 zu Einschnitten in den benannten Bereichen führen. SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke stehen einer Ausweitung der Tilgungsfrist offen gegenüber. Die CDU ist noch unentschlossen. Die AfD lehnt den Ansatz ab.

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