Der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier darf sein Richteramt nicht mehr ausüben. Den Antrag dazu hatte das sächsische Justizministerium im März 2022 gestellt. Das Dienstgericht für Richter in Leipzig untersagte dem 60-Jährigen nun vorläufig die Führung der Amtsgeschäfte.

Wie das Gericht mitteilt, seien wegen des erheblichen Eingriffs in die Unabhängigkeit des Richters „besonders strenge Maßstäbe“ an die Ruhestandsversetzung angelegt worden. Doch Maiers Aktivitäten im Zusammenhang mit dem aufgelösten „Flügel“ der AfD hätten die nun getroffene Entscheidung des Gerichts unumgänglich gemacht.

Rechtsextremist im Richteramt und Bundestag

Bis zu seiner Wahl zum AfD-Bundestagsabgeordneten 2017 war Maier Richter am Landgericht Dresden. Dort hatte er auch in Medien- und Presserechtsfragen geurteilt und bereits für Aufsehen gesorgt, als er 2016 dem renommierten Politologen Steffen Kailitz auf Antrag der NPD kritische Aussagen über die rechtsextreme Partei zunächst verbot.

Im Bundestag verkörperte Maier den völkisch-rassistischen „Flügel“ der AfD. So trat er öffentlich als Geschichtsrevisionist auf und relativierte mit Bezug auf das Vernichtungslager Auschwitz den Holocaust, indem er den „Schuldkult für beendet, für endgültig beendet“ erklärte. Zudem offenbarte er sein rechtsextremes Weltbild, indem er eine Zerstörung nationaler Identität durch eine angebliche Herstellung von „Mischvölkern“ beklagte.

Wenige Monate später zeigte der AfDler während einer Veranstaltung im Gasthof Heidekrug in Cotta bei Pirna Verständnis für die Taten des Rechtsterroristen Anders B. Breivik, welcher 77 Menschen tötete. Dieser wäre „aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder geworden“. Er stellte die Frage, ob „Multikulturalismus“ und die Vermischung mit „Kulturfremden“ „nicht […] zum Wahnsinnigwerden“ sei und relativierte so Breiviks Taten.

Auch in den sozialen Medien äußerte sich der ehemalige Richter rassistisch und nannte eine vermeintliche Muslima „Schleiereule“ und „Gesindel“, für welches er nur noch „Wut und Zorn“ empfinde. Wegen eines Tweets wurde Maier zudem 2019 zur Zahlung von 15.000 Euro Schmerzensgeld an Noah Becker verurteilt. Der älteste Sohn von Tennislegende Boris Becker war auf dem Twitter-Account des Dresdner Politikers rassistisch beleidigt worden.

So wurde der sächsische Verfassungsschutz auf Maier aufmerksam und stufte ihn 2020 als rechtsextrem ein. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl wurde Maier nicht wiedergewählt. Laut Abgeordnetengesetz steht es einer Person dann zu, in das frühere Dienstverhältnis zurückzukehren. Das Justizministerium bestätigte 2021, dass ein entsprechender Antrag Maiers „fristgerecht“ eingegangen ist.

Verfassungsuntreu, parteiisch und eigennützig

Zwar liegen Maiers Aussagen schon einige Jahre zurück und fallen zum Teil in eine Zeit, in der Maiers Rechte und Pflichten aus dem Richterdienstverhältnis geruht haben. Dennoch erlaubten diese Tatsachen eine Prognose, ob der Richter sich künftig den Anforderungen seines Amtes entsprechend verhalten werde, so das Dienstgericht.

„Konkret ist das Dienstgericht der mit den Erkenntnissen des Verfassungsschutzberichts 2020 begründeten Einschätzung des Freistaats Sachsen gefolgt, es sei zu befürchten, dass der Richter aufgrund seiner exponierten Tätigkeit im ‚Flügel‘ der AfD in der Öffentlichkeit als Rechtsextremist wahrgenommen werde“, heißt es.

„Dies könne zu einer schweren Beeinträchtigung der Rechtspflege führen, weil seine Rechtsprechung nicht mehr als glaubwürdig erscheinen könne und dadurch das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige und unvoreingenommene Rechtspflege beseitigt oder gemindert würde.“

Der öffentliche Eindruck des Richters lasse ihn gegenwärtig nicht mehr als tragbar erscheinen, resümiert das Dienstgericht. Maier biete nicht die Gewähr, sein Amt verfassungstreu, unparteiisch und uneigennützig und ohne Ansehen der Person zu führen. Das lege vor allem seine Aussage nahe, dass er sein Amt explizit als „AfD-Richter“ wahrnehmen wolle.

Laut Grünen-Justizministerin Katja Meier hat die Entscheidung bundesweit eine Signalwirkung: „Verfassungsfeinde werden im Justizdienst nicht geduldet. Alle Richterinnen und Richter sowie Beamtinnen und Beamte müssen sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung jederzeit eintreten.“

Disziplinarverfahren und Richteranklage

Parallel zum Verfahren vor dem Dienstgericht für Richter hatte das Landgericht Dresden, an dem Maier tätig war, ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. SPD, Grüne und die oppositionellen Linken hatten sich zusätzlich zu den beiden laufenden Verfahren für eine Richteranklage gegen Maier ausgesprochen.

Damit könnte der Landtag das Bundesverfassungsgericht anrufen, um die Versetzung Maiers in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu erreichen oder auch seine Entlassung zu erwirken. Das Instrument der Richteranklage wurde seit seiner Einführung vor 70 Jahren nicht benutzt. Für diesen Schritt ist allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erforderlich. Die CDU steht der Richteranklage bislang skeptisch gegenüber.

„Ehemaliger AfD-Bundestagsabgeordneter Maier darf nicht in Justiz zurückkehren“ erschien erstmals am 1. April 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 100 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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