Am heutigen Sonntag, 10. Juli 2022, ist es so weit, Dresden wählt einen neuen Oberbürgermeister – oder eine Oberbürgermeisterin. Für die grüne Kandidatin Eva Jähnigen stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie Amtsinhaber Dirk Hilbert (FDP) an der Stadtspitze ablöst. Steht der Landeshauptstadt ein Politikwechsel bevor?

Kein Amt wird in Deutschland auf eine längere Zeit gewählt. Für ganze sieben Jahre steht die Person der Stadtverwaltung vor, die am 10. Juli die meisten Stimmen erhält. Die Herausforderungen sind vielzählig: Klimaneutralität, Verkehrsentwicklung, Wohnen. Das sind nur einige Felder, die das zukünftige Stadtoberhaupt angehen muss.

19:24 Uhr: Dresden ist halt anders

Nein, nicht der Sieg eines FDP-Kandidaten mit CDU-Unterstützung verleitet zu eben dieser Feststellung, sondern die Wahl seiner Siegeslocation. Statt, wie in Leipzig üblich, hat Dirk Hilbert nicht im Rathaus Quartier für seine Wahlparty genommen, sondern im Schloss an den Elbhängen.

Feudaler Barock trifft auf Demokratie. Steiler Auftakt für die kommenden sieben Jahre in Dresden.

Jetzt, 19:25 Uhr sind jedenfalls nur noch zwei Wahllokale offen und Dirk Hilbert gewinnt die Wahl mit rund 45,2 Prozent vor Eva Jähnigen (38,4) und dem AfD-Kandidaten Maximilian Krah (12,2).

Die PARTEI dürfte sich dennoch als Sieger darstellen, allein schon deshalb, weil ihr Kandidat Jan Pöhnisch mit 2,2 Prozent den sogenannten „Querdenker“ Marcus Fuchs (2,0) hinter sich lässt. Trotz der Menge an Kandidat/-innen bleibt die Wahlbeteiligung wohl bei mickrigen rund 41 Prozent stehen.

Zur Wahlergebnisseite auf Dresden.de

19:10 Uhr: Hände anwärmen zur Gratulation an Hilbert

Das dürfte es gewesen sein für die rot-rot-grünen Ambitionen in Dresden. Der bisherige und neue OB der sächsischen Landeshauptstadt heißt Dirk Hilbert (FDP). Dafür war die Unterstützung der CDU nötig, der Hilbert nun mehr als noch zuvor verpflichtet sein dürfte.

Um 19:04 Uhr sind nur noch 23 Wahllokale offen und Dirk Hilbert ist auf 45 Prozent Zustimmung gestiegen. Für Eva Jähnigen (Grüne) hat sich der Anfangstrend nicht mehr gedreht und sie landet von Beginn bis jetzt auf dem zweiten Platz mit derzeit 38,5 Prozent.

Die amtliche Wahlbeteiligung von 18 Uhr ist noch nicht bekannt, dürfte aber dabei eine Rolle gespielt haben: zu wenige Linke und Wählerinnen der Sozialdemokraten haben hier offenbar eine Rolle gespielt. Die rechnerisch über 44 Prozent sind nicht zusammengekommen und Eva Jähnigen bleibt nur noch die Gratulation an Hilbert.

19:10 Uhr: Das Ergebnis steht fest, Hilbert baut kurz darauf seinen Vorsprung sogar wieder auf 45,3 % aus, währen Jähnigen auf 38,2 zurückfällt. Screen: dresden.de

18:59 Uhr: Fast durch, Hilbert weiter vorn

Es sind nur wenige Minuten vergangen, da geben die neuen Zahlen der Prognose „es geht zu langsam vorwärts für Jähnigen“ recht. Nunmehr sind nur noch 101 Wahllokale von 538 offen und der Abstand ist weiter geschmolzen. Aber eben nur auf 37,8 zu 44,7 für Hilbert. Krah verliert weiter und Pöhnisch hat mit nun 2,1 Prozent den Querdenker Marcus Fuchs (1,9) überholt.

Eva Jähnigen könnte sich schon mal darauf vorbereiten, Dirk Hilbert zur ersten gewonnenen OB-Wahl gratulieren zu müssen. Es sind immerhin aktuell schon rund 10.000 Menschen mehr, die Dirk Hilbert (gesamt rund 69.000) bis hierhin gewählt haben.

18:50 Uhr: Jähnigen holt auf, aber noch zu langsam

Mittlerweile sind 365 Wahllokale von 538 ausgezählt und damit ist so etwas wie ein Halbzeitergebnis erreicht. Amtsinhaber Dirk Hilbert könnte OB bleiben, wenn es so weitergeht.

Denn zwar holt Eva Jähnigen langsam auf (während Maximilian Krah nun auf gegen 14 Prozent rutscht), doch die 44,3 Prozent von Hilbert sind schon mal ein ganz schönes Pfund. Jähnigen kommt aktuell Stand 18:43 Uhr auf 37,2 Prozent und muss nun hoffen. Das Halbzeit 2 besser läuft.

18:40 Uhr: Bei RRG

Noch ist die Stimmung gut, es gibt Bier und Unterstützung für Eva Jähnigen (Grüne) an diesem Abend von SPD und Linken gegenüber vom Dresdner Rathaus. Auf der Wahlparty haben sich mit André Schollbach (Linke) und Albrecht Pallas (SPD) jene Kandidaten der 1. Runde eingefunden, die Jähnigen unter Rücktritt vom weiteren Wahlkampf für Runde 2 unterstützt haben.

Unser Vor-Ort-Reporter Tom Rodig wechselt nunmehr an der Seite seines (Transparenzhinweis!) PARTEI-Kollegen Jan Pöhnisch Richtung Dresdner Rathaus, wo die weiteren Ergebnisse (neben dresden.de bekannt werden) und gefeiert werden sollen. Apropos feiern: Pöhnisch ist selbstverständlich auch angesichts der bisherigen 1,9 Prozent siegesgewiss.

18:27 Uhr: Die ersten Zahlen

Hilbert startet stark in der ersten Auszählung bei noch wenigen Bezirken. Screen: dresden.de

Wie immer heißt es noch nichts, wenn die ersten Zahlen kommen. Doch jetzt wird es Schlag auf Schlag gehen. Dirk Hilbert liegt vorn, Jähnigen mit doch einigem Abstand und sogar der AfD-Kandidaten hat sich bei 16-17 Prozent eingefunden.

Schon 18:31 Uhr wird das Bild etwas klarer: Hilbert geht in die Wahlauszählung mit immerhin fast 10 Prozent Vorsprung.

Weitere Wahllokale ausgezählt, Abstand bleibt stabil. Screen: dresden.de

Update 17:30 Uhr: Jaja, die Wahlbeteiligung

Lag sie im ersten Wahlgang noch bei gesamt 47,7 Prozent, droht der heute entscheidende Wahlgang jene Zahl noch zu untertreffen.Die Stadt Dresden meldete 16 Uhr jedenfalls eine Wahlbeteiligung von 37,2 Prozent – zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale. Nicht ungewöhnlich, da ja einige Kandidatinnen bereits raus sind und die verbleibenden nicht unbedingt die Stimmen der Ausgeschiedenen erhalten.

Doch das Gesamtniveau der Beteiligung ist einfach ziemlich niedrig. Zur gleichen Zeit lag die Wahlbeteiligung bei der OB-Wahl in Leipzig 2020 bereits bei 44, 1 Prozent. Und für beide Kandidaten – hier Burkhard Jung (SPD) und Sebastian Gemkow (CDU) – stiegen die Stimmenanteile im zweiten Wahlgang stark an.

Sehr darauf hoffen muss nun jedoch Eva Jähnigen (Grüne), wenn dann ab 18 Uhr die Auszählungen in der sächsischen Landeshauptstadt starten, wird sich zeigen, wie viele Wählerinnen von SPD und Linken sie hinzugewinnen konnte. Rund 13 Prozent muss Jähnigen mindestens zugelegt haben, wenn sie von 18,9 Prozent aus Wahlgang 1 kommend zu Amtsinhaber und Kandidat Dirk Hilbert (32,5 Prozent) wenigstens aufschließen will.

Um wirklich in die Lage zu kommen, ihn zu schlagen, ist es also noch eine deutliche Schippe mehr.

Der Manager

Der amtierende OB Dirk Hilbert (FDP). Foto: hilbert-fuer-dresden.de

Seit 2015 ist Hilbert gewählter OB von Dresden, nachdem er bereits 2013 die Geschäfte kommissarisch von Helma Orosz (CDU) infolge ihrer Krebserkrankung übernommen hatte. Nun versucht er, eine zweite Amtszeit zu gewinnen.

Hilbert sieht sich selbst „weniger als Politiker, sondern vielmehr als Manager“. Für ihn gelten vor allem steigende Zahlen in der wirtschaftlichen Entwicklung als Erfolgskriterium. Dabei führt er seine „Überparteilichkeit“ ins Feld, betont den Ausgleich, den er als Vermittler zwischen den verschiedenen politischen Fraktionen herstellen möchte.

Im Dresdner Stadtrat herrscht ein Patt: Die Fraktionen links der Mitte haben gleich viel Stimmen im Rat, wie die Fraktionen rechts davon. Somit kommt dem OB in Dresden eine entscheidende Rolle zu. Bei kontroversen Abstimmungen entscheidet seine Stimme. Zumindest bis zur nächsten Kommunalwahl 2024 wird das auch so bleiben.

Der Weg zur Kandidatur war für Hilbert pannenreich. Fast wäre sein Name gar nicht auf den Wahlzettel gekommen. Zwar ist er Mitglied der FDP, doch kandidiert er für den Wahlverein „Unabhängige Bürger für Dresden“. Dabei kam es zu Ungereimtheiten bei der Aufstellung, die nach strenger Auslegung des Wahlgesetzes zu seinem Ausschluss geführt hätten. Doch die Rettung kam aus der Landesdirektion.

Nach Beschwerden durch die Mitbewerber entschied sie für Hilbert, argumentierte mit der Beschädigung der Wahlfreiheit, hätte Hilbert nicht antreten dürfen.

Im ersten Wahlgang vor vier Wochen bekam Hilbert 32,5 % der Stimmen. Damit blieb er unter den Erwartungen, wurde er doch nicht nur von der FDP unterstützt, sondern auch von der Dresdner CDU. Diese hatte auf einen eigenen Kandidaten verzichtet, und unterstützte im Wahlkampf den Amtsinhaber.

Die für einen Sieg nötige absolute Mehrheit wurde nicht erreicht, somit kommt es zum zweiten Wahlgang, bei der eine einfache Mehrheit ausreicht. Und das könnte Jähnigens Chance sein.

Die grüne Herausforderin

Eva Jähnigen (Grüne) mathematisch auf dem Weg zur neuen Oberbürgermeisterin. Foto: David Brandt

Die amtierende Bürgermeisterin für Umwelt und Kommunalwirtschaft der Stadt Dresden ist von Dirk Hilbert 2015 als Beigeordnete in das Amt geholt worden. Nun hat sie die Chance ergriffen, das Ruder selbst in die Hand zu bekommen. In Absprache mit den Kandidaten von SPD und Linke, sie bekamen im ersten Wahlgang 15,2 und 10,3 %, treten sie zugunsten von Jähnigen in der zweiten Runde nicht erneut an.

Somit besteht die Option, im zweiten Wahlgang viele Stimmen des Lagers links der Mitte zu bekommen. Ein schwieriges Unterfangen, denn noch ist unklar, wie sich die voraussichtlich niedrige Wahlbeteiligung auf die Ergebnisse auswirkt. Im ersten Wahlgang waren es lediglich 47,7 %. Außerdem ist nicht ausgemacht, dass die rot-rote Wählerschaft ihre Stimmen an Jähnigen geben wird. Doch die Chance auf einen Wahlsieg besteht.

Diese Gefahr sieht auch Hilbert und attackierte Jähnigen in den letzten Wahlkampfwochen auf ihrem grünen Kerngebiet: Klimaschutz. Der Amtsinhaber urteilte über Jähnigen, sie wäre ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Sie hätte keinerlei Konzept vorgelegt, um Dresdens Energieversorgung nachhaltig zu gestalten.

Tatsächlich hat sich im Bereich Klima seit 2015 nicht viel getan in Dresden. Zum Beispiel wurde der CO₂-Ausstoß in der Stadt nur marginal verringert. Die Grüne erwidert die Vorwürfe damit, dass ihre Vorschläge vom OB nicht in die Umsetzung gebracht wurden. Hilbert sei der Flaschenhals, der alle weitreichenden Maßnahmen blockiert habe.

Die Herausforderin hat natürlich auch andere grüne Themen auf der Liste ihrer Wahlversprechen. Besserer ÖPNV, mehr Fahrradfreundlichkeit, mehr klimafreundliches Bauen. Doch letztlich wird es auf ihre Fähigkeit ankommen, die Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Zusammengerechnet haben Rot-Rot-Grün im ersten Wahlgang 44 % erzielt.

Das würde für den Wahlsieg reichen, wenn Hilbert bei den vormals erzielten 32 Prozent bleibt. Und zweite Wahlgänge der reinen Summenlehre folgen würden.

Krah, Fuchs und Pöhnisch – Die Außenseiter

Neben den Favoriten treten noch drei weitere Kandidaten in der zweiten Runde an: Maximilian Krah (AfD), Marcus Fuchs (Querdenken) und Jan Pöhnisch (Die PARTEI). Der AfD-Kandidat Krah hatte dabei die höchsten Stimmenanteile (14,2 %), obwohl auch er auf ein besseres Ergebnis gehofft hatte, vor allem aus dem konservativen Lager, in dem ein CDU-Kandidat fehlte. Doch ungeachtet des Ergebnisses will es Krah noch einmal wissen.

Für den Russlandfreund und Radikal-Katholik besteht kein Unterschied zwischen Hilbert und Jähnigen. Sein Slogan: „Wer Hilbert wählt, wählt grün“. Was für einige Beobachtende nach grobem Unfug klingt, entspricht der Position der Chancenlosigkeit, in die sich die AfD seit einiger Weile bundesweit manövriert.

Der mit 3,4 % im ersten Wahlkampf wenig erfolgreiche Marcus Fuchs aus dem Umfeld der Dresdner Querdenken-Bewegung steht nur aus Versehen auf dem Wahlzettel. Er wollte eigentlich zurückziehen, doch verpasste die Frist und tritt nun erneut an. Hämische Kommentare à la „Wer nicht einmal Fristen einhalten kann, sollte gewiss kein OB werden“ blieben nicht aus.

Anders Jan Pöhnisch von Die PARTEI. Er tritt mit voller Absicht zum zweiten Wahlgang an, auch wenn er lediglich 1,3 % beim ersten Wahlgang bekommen hatte. Der Kandidat Pöhnisch hatte im Wahlkampf Plakate verteilt, die sich an den Designs der anderen Parteien orientierten, um die aus seiner Sicht gegebene Austauschbarkeit der Positionen zu verdeutlichen. In bekannter PARTEI-Manier schert er sich wenig um das strategische Wählen und betont die Wahlfreiheit der Wahlberechtigten.

Wie der heutige Tag nach Willen der Wähler/-innen wirklich wird, berichtet die LZ fortlaufend.

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