In den laufenden Haushaltsverhandlungen des Freistaates Sachsen drohen zentrale Zukunftsbereiche wie Natur-, Arten- und Klimaschutz zum Opfer einer kurzsichtigen Sparlogik zu werden. Aus Sicht der konservativen Politik sind das alles „softe“ Themen, die man sich sparen kann. Als gäbe es kein Artensterben, keine Bodenverluste, keine zunehmende Zerstörung unserer lebendigen Umwelt. Nicht nur der NABU Sachsen mahnt deshalb eindringlich vor den ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten dieser Politik.

„Die Natur kennt keinen Zahlungsaufschub. Was wir heute zerstören oder vernachlässigen, kehrt mit Zinsen zurück: als Katastrophen, Krisen und Milliarden an Reparaturkosten“, sagt Maria Vlaic, Vorsitzende des NABU Sachsen. „Der Verzicht auf Investitionen im Umweltbereich ist keine Einsparung, sondern eine verdeckte Verschuldung auf Kosten kommender Generationen.“

Was wir allgemein Natur nennen, ist unsere Lebensgrundlage: unser Wasser, unsere Böden, unsere Luft zum Atmen, Tiere und Pflanzen. Die Leistungen, welche die Natur erbringt (Ökosystemleistungen), sind unersetzlich. In einer gemeinsamen Studie des NABU mit der Boston Consulting Group belaufen sich die Schäden durch deren Verlust weltweit schon heute auf bis zu 30 Billionen US-Dollar pro Jahr.

Der blinde Fleck: Die Leistungen der Natur

„Was die Natur heute kostenlos leistet – Hochwasserschutz, Trinkwasser und Wasser für die Landwirtschaft, Luftreinigung, Klimaregulation – muss künftig technisch ersetzt und teuer wiederhergestellt werden“, beschreibt Vlaic die Kosten dieser Art technischem Denkens. Die Folgen reichen bis hin zu gesundheitlichen Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger, beispielsweise durch mehr Hitze durch weniger natürliche Kühlung oder durch stärkere Luftverschmutzung wegen geringerer natürlicher Luftfilterung.

Mit der radikalen Wahlkampagne gegen die Grünen und deren Verlust einer Regierungsbeteiligung ist nun einmal auch naturschutzfachlicher Sachverstand aus der gegenwärtigen Minderheitsregierung in Sachsen verschwunden.

Eine der Folgen davon ist: Die Kürzungsvorschläge um Umweltbereich finden schon im Umweltausschuss des Landtags keine Mehrheit.

Jetzt gelte es, ein zukunftssicheres Konzept zu entwickeln. „Wir fordern die Rücknahme pauschaler Kürzungen in den Bereichen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, insbesondere bei der Förderrichtlinie Natürliches Erbe, und lehnen einen Abbau der Beteiligungsrechte durch Kürzung bei Naturschutzverbänden vehement ab“, fasst der NABU Sachsen seine Forderungen zusammen.

Der Biber als Schlüsselart

Mit den anderen großen Naturschutzverbänden zusammen bewirbt er einen der unermüdlichen Helfer bei der Rettung kaputter Naturräume, der aber in Sachsen teils immer noch als Problem gesehen wird, weil er auch Wirtschaftsgüter unter Wasser setzen kann: der Biber.

Deutschland und die EU-Staaten haben sich 2024 verpflichtet, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen (EU-Wiederherstellungsverordnung). Doch Renaturierungen kosten oft Millionen. Sachsen hat dafür kaum Mittel eingeplant. Im Gegenteil, Förderprogramme liegen größtenteils auf Eis, dabei müsste der Freistaat dringend investieren.

Versiegelte Flächen trotz vorhandener Brachflächen, wirtschaftlich genutzte und entwässerte Feuchtgebiete, begradigte Flüsse und Tagebaukohlegruben zeigen den Handlungsbedarf. Die Herausforderung ist gewaltig, nicht nur wegen des Wiederherstellungsgesetzes, sondern vor allem, um die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu sichern.

Doch mit den Kürzungsplänen im Haushalt beweist die aktuelle Minderheitsregierung, dass sie von den Möglichkeiten, die Biodiversität in Sachsen zu erhalten oder gar zu stärken, keine Ahnung hat. Auch nicht davon, welche Folgekosten diese Ignoranz für den Freistaat mit sich bringt. Der Kürzungshaushalt spiegelt die ganze Visionslosigkeit der aktuellen Regierung. Sie hat kein Bild von einem zukunftsfähigen Sachsen. Schon gar keins von einem, in dem die Natur wieder lebendig ist und intakte Ökosysteme die Folgen des Klimawandels abmildern.

Ein Helfer bei der Renaturierung

Renaturierung ist teuer und langwierig. Doch der Biber erledigt diese Arbeit kostenlos und effizient. NABU, BUND, Grüne Liga und NaSa engagieren sich ehrenamtlich für die Wiederherstellung und den Schutz von Kleingewässern, Flüssen und Bächen, Teichen, Mooren, Auen und anderen wasserbezogenen Ökosystemen. Der Biber unterstützt sie dabei auf natürliche Weise.

Mit seinen Dämmen staut er Fließgewässer, hebt den Grundwasserspiegel und sorgt für Überschwemmungen an den Ufern. So stellt er einen ursprünglichen Zustand her, der einer Renaturierung gleichzusetzen ist und für einen natürlichen Wasserrückhalt in der Fläche sorgt. Er spart damit dem Freistaat Millionen. Trotzdem fordern viele seinen Abschuss, wenn Konflikte entstehen.

Das Töten der Tiere (amtlich: „letale Entnahme“) werde oft als einzige Lösung dargestellt. Tatsächlich können Konflikte entstehen, wenn Biber-Aktivitäten den wirtschaftlichen Interessen von Flächennutzern widersprechen, bestätigen die vier Naturschutzverbände. Doch es gebe Alternativen. Gewässerrandstreifen und eine Entflechtung der Nutzungen würden viele Probleme entschärfen. Sie würden nicht nur die Gewässer schützen, sondern auch zur Erfüllung der EU-Gewässerrahmenrichtlinie beitragen.

Wo solche Maßnahmen nicht ausreichen würden, würden Absprachen mit der Naturschutzbehörde oder Härtefallausgleiche helfen, die selbst im aktuellen Sparhaushalt vorgesehen seien. Ein Abschuss sei daher unnötig.

NABU, BUND, Grüne Liga und NaSa fordern deshalb eine sachliche Debatte. Der Biber sei nicht nur eine geschützte Art und ein Erfolg des Naturschutzes, sondern auch ein Verbündeter im Kampf gegen Trockenheit und Starkregen. Diese Wetterextreme haben Landwirten in den letzten Jahren erhebliche Verluste gebracht. Eine „Bestandsregulierung“ löse die Probleme der Land-, Fisch- und Forstwirtschaft nicht. Stattdessen brauche es finanzielle Anreize und klare Regeln, um Konflikte zu vermeiden.

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