Die Elbe ist eigentlich keine Wasserstraße mehr. Seit Jahren führt sie über Monate hinweg viel zu wenig Wasser, um tatsächlich als sicherer Transportweg für die Wirtschaft zu dienen. Acht Monate Niedrigwasser – von Ende Februar bis Ende Oktober – haben die Elbe in diesem Jahr geprägt. Erst mit den Regenfällen im November füllt sich der Fluss wieder. Was dramatisch klingt, ist keine Ausnahme mehr, sondern ein Trend mit alarmierenden Ausmaßen, stellt der BUND Sachsen fest.
Das zeigt auch eine Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Bundestagsabgeordneten Steffi Lemke, BĂĽndnis 90/Die GrĂĽnen, ehemals Umweltministerin, zu Niedrigwasser und GĂĽtertransporte auf der Elbe. AuĂźerdem bleibt das Ministerium die Antwort, was eigentlich auf der Elbe transportiert werden soll, schuldig.
„Die Zahlen sind eindeutig“, sagt Prof. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen. „Seit 2014 wurde im Durchschnitt an über 65 Tagen pro Jahr die vorgesehene Mindestabflussmenge unterschritten – eigentlich sollte dies nur an etwa 20 Tagen geschehen. Ein trauriger Rekord: Auf der Strecke zwischen Dresden und Riesa gab es 2018 sogar 200 Unterschreitungstage. Die wesentliche Voraussetzung, um die angestrebte Mindest-Fahrrinnentiefe von 1,40 Meter zu erreichen, ist nicht gegeben. Schlicht: Es fehlt das Wasser.“
Auch die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) bestätigt in ihrer aktuellen Auswertung des Zeitraums 2014 bis 2023: Das Wasserdargebot der Elbe ist gegenüber der Referenzperiode 1981 bis 2010 um 28 Prozent zurückgegangen. Trotz dieser Realität plant das Bundesverkehrsministerium weiterhin die Vertiefung der Elbe als Wasserstraße. In der Antwort an Steffi Lemke schreibt es: „Aufgrund verschiedener Faktoren wurde im hydrologischen Fachgutachten empfohlen, eine Anpassung des GlW [dem Referenzwasserstand] zu verschieben.“
19 Millionen Euro fĂĽr einen Hafen ohne Containerschiffe?
Besonders absurd aus Sicht des BUND Sachsen: Der Ausbau des Containerhafens in Riesa soll mit knapp 19 Millionen Euro gefördert werden – obwohl dort seit über vier Jahren kein Containerschiff mehr be- oder entladen wurde und eine Preisexplosion der Baukosten zu erwarten ist.
Die Folgen des anhaltenden Niedrigwassers gehen weit über die Schifffahrt hinaus. Die Landschaft trocknet zunehmend aus – mit gravierenden Folgen für Mensch und Natur. Mitverantwortlich dafür ist die fortschreitende Tiefenerosion der Elbe: Der Fluss gräbt sich erzwungenermaßen immer tiefer in sein Bett ein.
Für den BUND Sachsen bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet: Für welche Gütertransporte soll die Elbe überhaupt vertieft werden? Eine weitere Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen offenbart: Das Verlagerungspotential von LKW auf Binnenschiffe ist in Deutschland „sehr gering“ – für die Elbe gilt dies umso mehr. Für Massengüter reichen die Tiefen nicht, Container scheinen laut Bundesverkehrsministerium auch in anderen Elbehäfen (ohne Kanalanschluss) nicht umgeschlagen zu werden. Selbst für schwere und große Gütertransporte konnte das Bundesverkehrsministerium keine konkreten Bedarfe benennen.
„Wir steuern auf eine Wasserkrise zu oder sind bereits mittendrin“, warnt Ekardt. „Das oberste Gebot muss sein, Wasser in der Landschaft zurückzuhalten und auf natürliche Weise zu speichern. Das funktioniert nicht mit einer eingeengten und schnell fließenden Elbe, die sich kontinuierlich weiter vertieft“. Der BUND Sachsen kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung scharf: „Das Bundesverkehrsministerium verletzt seine Vorsorgepflicht. Das geht zu Lasten der Menschen in Sachsen und der Natur.“
Ohne Mindestabfluss keine Wassertransporte
Über das Auenzentrum in Lenzen (Elbe) setzt der BUND innovative Projekte um, die zeigen, wie Hochwasserstände gesenkt und Auen reaktiviert werden können. Diese Auen speichern nicht nur Wasser, sondern auch CO₂ in Form von Kohlenstoff. Damit die Projekte ihre volle Wirkung entfalten können, muss die Elbe wieder ihre Aue erreichen – dafür ist es zwingend notwendig, die Tiefenerosion der Elbe zu stoppen und umzukehren, wie es das Gesamtkonzept Elbe vorsieht.
Um das Fahrrinnentiefenziel des Bundesverkehrsministeriums, das im Gesamtkonzept Elbe festgehalten ist, zu erreichen, bedarf es eines bestimmten Mindestabflusses, der GlQ bzw. der GlW 2010. GlW steht für Gleichwertiger Wasserstand, bezieht sich auf bestimmte Wasserstände und dient als ein Parameter zur Unterhaltung der Wasserstraße.
Mindestens „1,40 m unter GlW 2010“ bedeutet, dass eine Fahrrinnentiefe von mindestens 1,40 Meter bei einem bestimmten Abfluss erreicht werden soll. Wenn das Wasser nicht vorhanden ist, wird die Fahrrinnentiefe von 1,40 Meter nicht erreicht.
Der BUND stellt fest, dass die realen Fahrrinnentiefen weit hinter den Zielen des Bundesverkehrsministeriums zurückbleiben. Weitere Auswertungen zu den realen Fahrrinnentiefen und deren Entwicklung finden sich ebenfalls in dem Tagungsband des Magdeburger Gewässerschutzseminars 2025 auf Seite 45 und ff. oder auf Anfrage in der BUND-Landesgeschäftsstelle.
Die IKSE hat eine Niedrigwasserstudie für die Jahre 2014–2023 erstellt, die in Kürze auf deren Webseite publiziert wird. Ein Auszug daraus wurde im Tagungsband des Magdeburger Gewässerschutzseminar 2025 veröffentlicht (Seite 150).
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