Wahrscheinlich gehören gerade Politiker zu jenem Personenkreis, die Mathematik nach der Grundschule einfach abwählen, weil sie glauben, die brauche man nicht zur Verwaltung eines Staates. Das ist jetzt überspitzt formuliert. Aber mindestens zweimal im Jahr merkt man, dass an der Spitze der deutschen Finanzministerien keine Leute sitzen, die mit einer mathematisch fundierten Staatsfinanzierung irgendetwas am Hut haben. Sie spielen „schwäbische Hausfrau“. Im Ton des Sächsischen Finanzministeriums klingt das dann so: „Spardruck bleibt in den nächsten Jahren erhalten.“
Das Wort „Spardruck“ hat auch der Bundesfinanzminister benutzt. Mal abgesehen davon, dass die Formulierung auch noch untertrieben ist und so klingt, als hätte man gerade mal ein kleines Einnahmenproblem, das sich in ein paar Monaten wieder auflöst. Aber da wird sich nichts auflösen, wenn es im Bund nicht zu einer umfassenden Steuerreform kommt und die Vermögenssteuer die Finanzen der Länder wieder stärkt.
Aber das sind dann schon Tabu-Worte, die Sachsens aktueller Finanzminister Christian Piwarz tunlichst vermeidet.
Das Maskenwort für Kürzungen: Konsolidierung
„Trotz der erfreulichen Steuermehreinnahmen in diesem Jahr wird der Konsolidierungsdruck im Staatshaushalt für die kommenden Jahre nicht kleiner, sondern eher noch größer. Wir müssen unsere Sparbemühungen weiter forcieren, um die erwarteten Einnahmen in Einklang mit den Ausgaben zu bringen“, kommentierte er am Montag, 27. Oktober, die Ergebnisse der Steuerschätzung.
Er redet zwar von Sparbemühungen. Aber es geht in Sachsen längst nicht mehr ums „Sparen“. Das Wort ist völlig falsch an dieser Stelle. Es geht um Kürzungen. Und zwar immer weiter gehende Kürzungen, deutlich heftiger, als schon im „Sparhaushalt“ 2025/2026.
Sachsen muss in den nächsten Jahren mit weniger Steuereinnahmen rechnen, als noch im Mai erwartet, so das Finanzministerium. Nur im laufenden Jahr 2025 werden die Steuereinnahmen höher ausfallen als bislang prognostiziert.
Der sächsische Staatshaushalt kann im Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung 2025 in den Jahren 2025 und 2026 mit Steuereinnahmen in Höhe von 20,1 und 20,3 Milliarden Euro rechnen. Für das laufende Jahr 2025 liegen die Einnahmen damit rund 410 Millionen Euro über den bisherigen Erwartungen.
Für 2026, das deutlicher von den Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen belastet ist, ergeben sich gegenüber der Mai-Schätzung kaum Veränderungen. In den beiden Folgejahren wirken sich die Steuerrechtsänderungen deutlicher aufkommensmindernd aus, sodass die Einnahmen auf Landesebene mit 20,6 Milliarden Euro (2027) bzw. 20,9 Milliarden Euro (2028) in Summe rund 50 Millionen Euro unter den bisherigen Erwartungen liegen.
Wenn Staatsinvestitionen einfach zur Konsumtion erklärt werden
„Die Maßnahmen der Bundesregierung für mehr Investitionen zeigen auch in der Steuerschätzung Wirkung. Die verbesserten Wachstumserwartungen kommen jedoch nicht zum Nulltarif“, versucht Finanzminister Christian Piwarz das Kuddelmudddel zu erklären.
„Entlastungen für unsere Unternehmen und Bürger im steuerlichen Bereich schlagen sich nicht unmittelbar in Steuermehreinnahmen nieder. Eine schnelle Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist jedoch dringend geboten, um den künftigen Wohlstand in der Bundesrepublik zu sichern.
Allerdings sorgen der demografische Wandel sowie der Strukturwandel in der deutschen Industrie dafür, dass die Bäume trotz dieser Maßnahmen nicht in den Himmel wachsen. Die Investitionsimpulse müssen daher von dauerhaften Entlastungen bei den konsumtiven Staatsausgaben flankiert werden. Ansonsten geht die Rechnung für die öffentlichen Haushalte nicht auf.“
Womit er das nächste Märchen über die Staatsfinanzen erzählt: das Märchen von den konsumtiven Ausgaben. Als würde der Staat die Steuergelder einfach verfrühstücken und nicht in Wirklichkeit investierten – und zwar komplett. In reale Investitionen in Bauwerke und Technik, in Bildung, Gesundheit, Sicherheit. Die CDU redet zwar alle naselang von „Sicherheit und Ordnung“.
Dass die Finanzierung der Polizei eine echte Sicherheitsinvestition ist, ignoriert man aber einfach. Genauso wie die elementare Investition in Recht und Gerechtigkeit – nämlich in ein funktionierendes Justizwesen. Und da kommt man schnell an den Punkt: Was bedeutet es, wenn Piwarz von „dauerhaften Entlastungen bei den konsumtiven Staatsausgaben“ redet? Welchen Bereich der Staatsinvestitionen will er jetzt kürzen und zusammenstreichen?
Die Frage steht.
Keine Entwarnung für die Kommunen
In der neuen Steuerschätzung ergeben sich positive Effekte vor allem bei der Lohnsteuer und zunächst auch noch bei den gewinnabhängigen Steuern, so das Finanzministerium. Allerdings dreht die Körperschaftsteuer durch die stufenweise Absenkung des Steuersatzes ab 2028 gegenüber der Mai-Schätzung 2025 deutlich ins Minus.
Das der neuen Schätzung zugrundeliegende nominale Wirtschaftswachstum ist unter anderem vom Preisdruck bei Bauten und Investitionsgütern geprägt. Dies wirkt zunächst zwar positiv auf die erwarteten Steuereinnahmen, wird sich aber absehbar auch auf der staatlichen Ausgabenseite widerspiegeln.
Für Sachsens Kommunen werden 2025 und 2026 Einnahmen in Höhe von 4,9 Milliarden Euro bzw. 5,2 Milliarden Euro erwartet. Insgesamt ergeben sich damit Steuermindereinnahmen in Höhe von insgesamt 38 Millionen Euro gegenüber der Mai-Schätzung 2025. In den Jahren ab 2027 fallen die Einnahmeerwartungen höher aus als im Rahmen der Mai-Schätzung 2025 erwartet.
Wer nur spart, riskiert Stillstand
Deutlich sinnvoller war der Beitrag der haushaltspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Juliane Pfeil, zu den von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen zur Oktober-Steuerschätzung.
„Natürlich bleibt der finanzielle Spielraum eng. Wer aber in Krisen nur auf Sparen setzt, riskiert Stillstand. Wer investiert, stärkt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“, sagte sie etwas, was dem üblichen „Spar“-Gerede der Union zumindest etwas entgegensetzt.
„Das gilt für Deutschland insgesamt – und für Sachsen ganz besonders. Deswegen werden wir den eingeschlagenen Weg mutig weitergehen. Mit dem Sachsenfonds haben wir hier das richtige Instrument für gezielte Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Zukunftsindustrien und den sozialen Zusammenhalt. Denn jeder Euro, den wir heute klug in die Zukunft investieren, schafft morgen mehr wirtschaftliche Stärke und gesellschaftliche Stabilität.“
Nun sei es wichtig, dass der Bund keine weiteren Steuergeschenke zu Lasten der Kommunen einführt oder ihnen zusätzliche Aufgaben überträgt, ohne diese auch selbst zu finanzieren. Es ist ja nicht nur Leipzig, das unter diesen nicht-finanzierten Aufgaben vor allem im Sozialbereich immer tiefer in die Roten Zahlen rutscht.
Die Steuermehreinnahmen in diesem Jahr seien ein erfreuliches Signal, so Juliane Pfeil, „aber kein Freifahrtschein. Sie geben uns die notwendige Luft zum Atmen.“
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Keine Kommentare bisher
Danke, lieber Autor, und ich bin der Meinung, daß es nicht “nur” sozusagen böser Wille oder notorisches CDU-gemäßes Gebaren eines Finanzpolitikers wie Christian Piwarz ist, es ist Unvermögen. Aber woher soll er als Rechtsgelehrter auch etwas von Volkswirtschaft verstehen? Er kann es nicht können! Wie auch Georg Unland, ein sog. Maschinenbauer, es nicht können konnte, der v.a. den Satz auswendig gelernt hatte, daß man jeden Euro nur einmal ausgeben könne.
Aber es ist noch schlimmer, die Volkswirte können es selbst nicht minder nicht! Hier ein Essay des kenntnisreichen Heiner Flassbeck zum heutigen “Weltspartag”: https://www.relevante-oekonomik.com/2025/10/30/neoklassische-konfusion-an-deutschen-universitaeten-arme-studenten