Wer regiert eigentlich? Das darf man ruhig fragen, wenn man auf die wachsenden Schuldenberge in Bund und Kommunen schaut, die fehlende Gegenfinanzierung und die Tatsache, dass Sachsens Kommunen gerade dabei sind, reihenweise in die Zahlungsunfähigkeit zu rutschen. Und die Antwort lautet am Ende wohl: Nicht die CDU, die ganz offensichtlich von Staatsfinanzierung keine Ahnung hat, sondern private Ratingagenturen. Denn wenn man Staaten wie Unternehmen managt, macht man sie zum Spielball des Finanzkapitals.
Griechenland hat das leidvoll erfahren. Deutschland ist auf dem besten Weg dahin. Und Sachsens Finanzminister feiert sich für ein Rating, das nicht das bedeutet, was er selber glaubt.
Es ist zwar schon eine etwas abgelegte Meldung. Aber sie sagt im Grunde alles aus über das Denken, das im Sächsischen Finanzministerium herrscht. Dort jubelte man tatsächlich am 5. Oktober: „Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat dem Freistaat Sachsen mit der Ratingeinstufung ‚AAA‘ die bestmögliche Bonität attestiert.
Das ist das Ergebnis des jüngsten, Ende August 2025 abgeschlossenen Ratingverfahrens. Mit dem Top-Rating würdigt die Agentur unter anderem den Beschluss des Doppelhaushaltes 2025/2026. Trotz Minderheitenregierung beweise die Verabschiedung des Haushaltes die politische Fähigkeit und Stärke von Staatsregierung und Landtag, die finanziellen Herausforderungen zu meistern, heißt es in dem Bericht.“
Wenn ein Land seine Investitionen zusammenstreicht
Nur zur Erinnerung: Der Doppelhaushalt war ein rigider Kürzungshaushalt, in dem rund 2 Milliarden Euro über die beiden Haushaltsjahre 2025/2026 als Ausgaben gestrichen wurden, um nur ja keine neuen Kredite aufnehmen zu müssen. Wobei das Wort Ausgaben irritiert, denn wie Axel Stommel ja in seinem Buch „Staatsfinanzen“ sehr kompetent erläutert, sind Ausgaben des Staates immer auch Investitionen.
Erst recht, wenn es tatsächliche Investitionen in Infrastrukturen aller Art betrifft. Und genau bei denen hat die Sächsische Staatsregierung in ihrem Doppelhaushalt massiv gestrichen – egal, ob bei Staatsstraßen, Brücken oder gar Schulen. Womit gerade Städte wie Leipzig, die einen immer größeren Investitionsstau vor sich her schieben, auch noch die Fördergelder für diese Investitionen wegbrechen und Löcher aufreißen, die mit dem sogenannten „Sondervermögen“ nicht geschlossen werden können.
Das heißt: Sachsen erkauft sich seine Schwarze Null im Doppelhaushalt damit, dass es Zukunftsinvestitionen in Milliardenhöhe streicht und die Kommunen in die Schuldenfalle laufen lässt. Aber sowohl die Rechner im Sächsischen Finanzministerium als auch die Linienrichter bei Standard & Poor’s schauen ganz allein auf das Haushaltskonstrukt der Landesregierung und blenden die aus dem Ruder laufende Kommunalfinanzierung in Sachsen einfach aus.
Wen die Ratingagenturen den Linienrichter spielen
Aber just diesem sonst so fürstlichen Finanzministerium gegenüber verhalten sich die Prüfer von S&P, als wären sie staatliche Kontrolleure und hätten ein Recht dazu, dem Ministerium Haltungsnoten für dem Markt gegenüber wohlgefälliges Verhalten zu attestieren.
„Die sehr gute Bonität ist allerdings mit der Mahnung und Erwartung verbunden, die bestehenden strukturellen Haushaltsdefizite entschlossen anzugehen. Gelingt das nicht, wurde von der Ratingagentur eine mögliche Herabstufung der Bonitätsnote angekündigt“, kommentiert das Finanzministerium diese mehr als seltsame Anmaßung.
Es sei nur daran erinnert, dass Sachsen bundesweit das Land mit der geringsten Verschuldung ist. Und ein hohes Rating bedeutet nun einmal, dass das Land am Finanzmarkt zu besonders günstigen Konditionen Kredite aufnehmen könnte.

S&P maßregelt hier also ausgerechnet den Primus unter den Bundesländern. Und Sachsens Finanzminister lässt sich das einfach gefallen, um es einmal so zu formulieren. Obwohl hinter dieser Willfährigkeit ein ganz anderes Motiv steckt. Dazu kommen wir noch.
„Bonitätsnoten von Ratingagenturen haben u.a. Auswirkungen auf die Zinskonditionen, zu denen sich ein Staat am Kapitalmarkt finanzieren kann. Die Bewertung AAA ist die höchste Bonitätsnote, die seitens S&P vergeben wird. Ein Bundesland mit dieser Bewertung wird als besonders kreditwürdig und finanziell stabil eingestuft, was ein sehr geringes Ausfallrisiko bei Krediten bedeutet.
Ein Rating erfolgt auf einer Analyse von einer Fülle von Daten. Dabei nutzen und bewerten Ratingagenturen unter anderem Informationen zur wirtschaftlichen Lage und deren Entwicklung, zur strukturellen Lage und Entwicklung des Staatshaushalts, zum Finanzmanagement sowie zur Verschuldung eines Landes“, so das Finanzministerium in seiner Meldung.
„Der Freistaat Sachsen wird entsprechend der Festlegungen im aktuellen Doppelhaushalt 2025/2026 in diesem Jahr voraussichtlich rund 100 Millionen Euro Zinsen für aufgenommene Kredite zahlen. Im nächsten Jahr werden gemäß Haushaltsplan etwa 170 Millionen Euro an Zinszahlungen erwartet. Die Verschuldung des Freistaates am Kreditmarkt beträgt zum Ende September rund sieben Milliarden Euro.“
Einen Staat managen wie ein Sparschwein
Aber die Staatsregierung denkt gar nicht daran, neue Kredite aufzunehmen, um zum Beispiel den Kommunen in ihrer desolaten Finanzlage zu helfen. Man feiert sich geradezu dafür, dass man keine neuen Schulden aufnimmt und den Staat regelrecht auf Sparflamme fährt. Und genau darum geht es den Haushaltskünstlern vor allem aus der CDU: um die Fiktion eines schuldenfreien Staates, der lieber sämtliche Investitionen zusammenstreicht, als tatsächlich mit Kreditaufnahmen in die Zukunft zu investieren.
Das Ergebnis ist selbst im ökonomischen Sinn negativ, denn fehlende Investitionen auf Landes- und kommunaler Ebene bedeuten nun einmal auch eine direkte Schwächung der Wirtschaft – fehlende Aufträge, verminderter Geldumlauf, sinkende Kaufkraft. Der Staat fällt als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung aus.
Und da auch der Bund nach dieser rein betriebswirtschaftlichen Prämisse tickt, als wäre der Staat nur eine Art großes Unternehmen, kommt es zwangsläufig genau zu dem konjunkturellen Bremseffekt, den die Bürger jetzt seit zwei Jahren erleben. Der Staat als Motor fällt aus. Aber die Sparmeister in den Finanzämtern schmücken sich mit einem AAA-Rating, das suggeriert: Sachsen könnte ja zu besten Konditionen Geld aufnehmen.
Aber die Schwarze Null ist wichtiger, egal, welche Folgen das für Stimmung und Wirtschaft im Freistaat hat. Oder für Kommunen wie Leipzig, die gerade durch die Last der auferlegten Pflichtaufgaben ziemlich bald in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

















Keine Kommentare bisher
Moment mal: Steht in der Pressemeldung des CDU-geführten, sächsischen Staatsministeriums der Finanzen das Wort: “Minderheitenregierung”? Oh Gott!