Fünf Stunden dauerte die Mitgliederversammlung beim 1. FC Lok. Sie war durchsetzt von guten, aber auch schlechten Nachrichten. So ist der Verein (aber nicht die Spielbetriebs-GmbH) schuldenfrei, ETL wird aber nach aktuellem Stand sein Engagement nicht verlängern und nach fünf Jahren als Hauptsponsor ausscheiden. Gleichzeitig befindet sich Lok in sehr, sehr guten Gesprächen mit Investoren. Die Wahlen für den neuen Aufsichtsrat wurden von einem offen ausgetragenen Streit zwischen Lok- und VfB-Präsident geprägt.

Die Veranstaltung im Pavillon der Hoffnung auf der Alten Messe begann mit Verspätung und einem Rekord. 377 Mitglieder kamen am Freitagabend. So viele sollen noch nie bei einer Mitgliederversammlung des Probstheidaer Vereins gewesen sein. Die Registrierung dauerte 15 Minuten länger. Nach einführenden Worten des Versammlungsleiters, Rechtsanwalt Michael Freystedt, übernahmen Vereinsvertreter das Wort. Mit Spannung erwartet wurden zukunftsweisende Worte des Präsidiums und die Wahl des Aufsichtsrats.

Die finanzielle Zukunft des 1. FC Lok:

Schatzmeister Bernd Lang verkündete, dass der Verein schuldenfrei ist und erstmals über Eigenkapital verfügt. 1,58 Mio Euro Einnahmen stehen 935.000 Euro Ausgaben gegenüber. Der Gewinn beträgt 523.000 Euro, das Eigenkapital über 400.000 Euro. „Das Vereinsvermögen ist erstmals größer als die Verbindlichkeiten“, so Lang.

Lok-Präsident Thomas Löwe betonte allerdings, dass klar zwischen Verein und Spielbetriebs-GmbH, die die 1. Männermannschaft beheimatet, zu unterscheiden sei. Der Jahresbericht für diese liegt noch nicht vor. Das hängt auch damit zusammen, dass Lok erstmals die Lizenz für die 3. Liga beantragen wird. Und das obwohl es beim langjährigen Hauptsponsor ETL „Stand jetzt nicht so aussieht, als ob er die Zusammenarbeit verlängern wird.“

Ein Raunen ging durch den Raum. Als Löwe allerdings erläuterte, dass sich Lok in „sehr guten Gesprächen“ mit neuen Geldgebern und Investoren befindet, atmete die Versammlung auf. „Gern hätten wir hier Konkreteres verkündet, aber es geht nicht nur um 100.000 Euro, sodass wir uns bedeckt halten solange nichts unterzeichnet ist.“

Löwe kündigte an, dass es zeitnah zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung (aoMV) zur Absegnung einer Vereinbarung kommen könnte. Er bedankte sich bei den Sponsoren des Vereins für ihre Unterstützung.

„Unsere bisherigen 150 Sponsoren reichen aber trotz ihrer Arbeit für die 3. Liga nicht aus“, so der Präsident. Um wegen der unklaren Zukunft des Engagements von ETL Schaden vom Verein abzuwenden, hat Lok schon zur Saison 2019/2020 mit Sparmaßnahmen begonnen und 16 Stellen Geringbeschäftigter abgebaut. Martin Mieth ist nach dem familienbedingten Ausscheiden Lars Schauers zum 31. Januar 2020 als einziger Geschäftsführer für Verein und GmbH zuständig.

Lok-Präsident Thomas Löwe informierte die Mitglieder über den aktuellen Stand. Foto: Thomas Gorlt
Lok-Präsident Thomas Löwe informierte die Mitglieder über den aktuellen Stand. Foto: Thomas Gorlt

Auch infrastrukturell befindet sich Lok in guten Gesprächen mit Investoren für das Stadion. So soll am Eingangsbereich ein Funktionsgebäude mit 4.000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen. Die Planung und Bauvoranfrage wurde vom Leipziger Architekten Peter Homuth bereits eingereicht. Sollten die Investorengespräche zu einem erfolgreichen Abschluss kommen, wird es zur Bestätigung des Deals ebenfalls eine Einladung zur aoMV geben. Der Bau würde bedeuten, dass der Familienblock, der ab April 2020 eigentlich gebaut werden soll, und die Fankurve näher an das Spielfeld heranrücken würden.

Außerdem bewilligten Stadt und Land die ersten 300.000 Euro Fördergelder zum Erhalt der ältesten noch in Benutzung befindlichen Holztribüne Europas. Insgesamt sollen über die nächsten fünf Jahre 4 Millionen Euro für deren Sanierung fließen. Das versprach der neue und alte sächsische Ministerpräsident Michael Kretzschmer bei einem Besuch im vergangenen Jahr.

„Er hat Wort gehalten. Hochrangige Vertreter aller beteiligten Institutionen sind zu Gesprächen zusammengekommen“, so Löwe. Im September beginnt zudem der Bau einer Zisternen- und Speicheranlage. 400.000 Liter Regenwasser sollen in Speichertanks aufgefangen und für die Bewässerung und den Brandschutz auf dem Gelände genutzt werden können. Löwe zog für das Geschäftsjahr 2018/2019 eine positive Bilanz. „Dank der Hilfe der Mitglieder und Gremien haben wir den 1. FC Lok wieder einen großen Schritt vorangebracht.“

Die sportliche Zukunft des FCL:

Cheftrainer und Sportdirektor Wolfgang Wolf versprach weder Pokalsieg noch den Aufstieg, denn „dazu gehört auch Glück.“ Er versicherte den Zuhörern allerdings, dass „die Mannschaft jedes Spiel 90 Minuten kämpfen wird.“ Die bei etwaiger Meisterschaft anstehenden Aufstiegsspiele gegen den Meister der West-Staffel bezeichnete Wolf als „Tod des Fußballs“ und als „unmöglich“. Zur Trainerfrage sagte Wolf nichts Konkretes. Das Umfeld des 1. FC Lok lobte der Ex-Bundesliga-Trainer in den höchsten Tönen. „Ich wusste, dass Lok ein Traditionsverein ist, aber dass hier so viele verrückte Menschen für den Verein arbeiten, das hätte ich mir nicht träumen lassen.“

Lok-Cheftrainer Wolfgang Wolf wollte für die Rückrunde nichts versprechen. Foto: Thomas Gorlt
Lok-Cheftrainer Wolfgang Wolf wollte für die Rückrunde nichts versprechen. Foto: Thomas Gorlt

Die administrative Zukunft des FCL:

Wie VfB-Präsident Dirk Sander am Ende der Versammlung berichtete, zieht sich die Fusion zwischen VfB und Lok noch etwas. „Ich hatte bei der letzten Versammlung versprochen, dass ich das letzte Mal zu euch spreche, weil dann die Fusion abgeschlossen sein soll. Dieses Versprechen konnte ich leider nicht halten.“ Das war allerdings nicht Sanders schuld. Bei der herbeigesehnten Fusion, die die Traditionslinie der Probstheidaer Vereine wieder vereinen würde, fehlt es noch am Jahressteuerbescheid des VfB Leipzig für das vergangene Jahr.

„Dieser wird erwartungsgemäß bei 0 Euro liegen“, so Sander. Das bedeutet, dass es keinen steuerpflichtigen Sanierungsgewinn für den 1. FC Lok bei der Fusion mit dem VfB Leipzig gibt. Der 1. FC Lok hatte eine Fusion abgelehnt, bis dies nicht bestätigt ist. „Wir wollen uns keine finanziellen Bürden auferlegen“, so Löwe. Als es darüber im Oktober 2019 zum Streit gekommen war, soll es auch persönliche Beleidigungen von Dirk Sander gegenüber Thomas Löwe gegeben haben, wie der Präsident in seiner zwanzigminütigen Eröffnungsrede erklärte. „Dadurch haben wir das Vertrauen in die Person Dirk Sander vollständig verloren.“

Mit „wir“ meinte Löwe das Lok-Präsidium. Ein unnötiger Nebenkriegsschauplatz der Versammlung war eröffnet, denn Sander kandidierte an dem Abend für den Aufsichtsrat, witterte Beeinflussung der Wahl und ließ es sich nicht nehmen, sich im Anschluss an die Jahresberichte des Präsidiums zu rechtfertigen. „Diese Behauptungen werde ich mir persönlich nicht gefallen lassen und dir auch nicht den Gefallen tun, meine Kandidatur zurückzuziehen“, entgegnete ein angegriffener VfB-Präsident dem Lok-Präsidenten. Denkt man genau drüber nach, so klingt es wie ein vierter Teil des 80er Jahre-Klassikers „Zurück in die Zukunft“.

Der Präsident des VfB Leipzig trifft auf den des 1. FC Lok. Nur: Im Gegensatz zum Film sah es nicht nach einem Happy End aus. Nach den Vorstellungsreden der neun Aufsichtsratskandidaten musste sich Dirk Sander einer Mitglieder-Frage zu einem Facebook-Posting im Oktober stellen. Nach der vermeintlichen Entlassung des Trainerduos Björn Joppe und Ronny Surma bezeichnete Sander die Personalpolitik des FCL als „erneut verfehlt“ und den Verein als „Komödiantenstadl“.

Nach einer Stunde hatte er dieses Posting wieder gelöscht und gab in der gestrigen Versammlung zu, dass „dies ein Fehler war.“ Dass zu guter Letzt auch noch Schatzmeister Bernd Lang seinem Unmut über die Äußerungen Sanders, der von mangelnder Kommunikation gesprochen hatte, Luft machte, kann allerdings nicht als Sternstunde der Vereinsdemokratie durchgehen – auch wenn es menschlich möglicherweise nachvollziehbar ist. Die Frage bleibt, inwieweit das Präsidium sich in die Wahl des Aufsichtsrats, der es kontrollieren soll, direkt oder indirekt einmischen darf.

Andererseits profitierte der 1. FC Lok in den letzten Jahren enorm von der Geschlossenheit der Gremien. „Wir streiten uns sachlich, aber sprechen mit einer Stimme“, betonten mehrere Mitglieder beider Gremien. Die Angst, dass dies zukünftig nicht mehr so sein könnte, schien eine Motivation für die öffentliche Austragung des Streits zu sein.

VfB-Präsident Dirk Sander. Foto: Thomas Gorlt
VfB-Präsident Dirk Sander. Foto: Thomas Gorlt

Die Unnötigkeit des Streits zeigt auch ein Blick auf das Wahlergebnis. Für den Aufsichtsrat, der maximal sieben Mitglieder haben darf, wählten die anwesenden Mitglieder zwei von neun Kandidaten nicht. Dirk Sander erhielt nur 69 Ja-Stimmen, sein Freund und Begleiter Jörg Hille 53. Der Aufsichtsrat besteht in Zukunft aus Frank Balling, Stefan Dinter, André Göhre (beide neu im Gremium), Jens-Peter Hirschmann, Steffen Rößler, Mike Scheffler und Olaf Winkler, der die meisten Stimmen erhielt.

Sonstiges:

Wie zu erwarten, wurde ETL-Chef Franz-Josef Wernze auf Antrag von Thomas Löwe und Aufsichtsratschef Olaf Winkler zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt.In einem Vergleich hat der Verein die vom Gericht vorgeschlagenen 1.500 Euro für die Assistentin von Wolf-Rüdiger Ziegenbalg angenommen. Die Zustimmung steht noch aus (in einer früheren Version lasen Sie, dass der Vergleich beiderseitig angenommen wurde. Das ist nicht zutreffend. /Anm. d. Red.). Der ehemalige Berater des Vereins und der 1. FC Lok befinden sich allerdings nach wie vor im Rechtsstreit.

Demnächst werden Zeugen gehört. „Eine versuchte Pfändung der Gegenseite wurde als unrechtmäßig abgewiesen“, so Löwe. Ziegenbalg hatte im Herbst 2018 den 1. FC Lok öffentlich kritisiert, der MDR verbreitete seine Behauptungen über eine Veruntreuung von Geldern und die Zahlungsunfähigkeit des Vereins. „Nach einem Treffen mit dem MDR hat dieser sämtliche Berichte zu diesem Thema aus seiner Mediathek gelöscht“, verkündete Löwe unter Beifall.

Vize-Präsident Stephan Guth geißelte das Verhalten einiger Fans während des Spiels bei Hertha II im Dezember 2019 als „Verhalten von Vollpfosten, die nicht zum Verein gehören“ und zeigte, dass eine Bankstiftung von einem Engagement in Höhe von 100.000 verteilt auf drei Jahre nach den Vorfällen abgesehen hat. Ein paar Fans hatten Aktionen des Hertha-Spielers Ngankam mit Affenlauten begleitet. „Jeder, der blaugelb trägt, hat Verantwortung für unseren Verein“, so Guth. „Wir haben viele Farben, aber ein blaugelbes Herz.“

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar