Als Kind hab ich vor der Karriere als Künstlerin geträumt, und hatte Angst vor dem Unbekannten.
Der Traum hat sich gelohnt. Heute bin ich bildende Künstlerin geworden. Träumen ist nun Hauptteil meines Berufs. Wenn ich da ans Träumen denke, kommt mir im ersten Moment nicht, das in den Kopf, was ich verändern möchte, sondern wie die Wirklichkeit gerade ist. Ich träume jeden Tag, beim Bus fahren, im Atelier, morgens beim Kaffeetrinken, in Gruppen, auf dem Weg zu Fuß …

Ich träume nachts oft sehr bunt und realistisch. Ich träume mir meine Bilder, bis sie passen. Es ist mein Hauptgeschäft, denn ich bin bildende Künstlern und imaginiere meine Gedanken und Träume in Bildern. Jeden Tag und jede Nacht.

Träume geben mir meinen Stoff zum Malen, in einer farblichen Tendenz. Sie sind grau, lila, rot, gelb, grün, als Ausdruck eines kollektiven Weltverständnisses, das ich täglich spüre.

Aktuell ist Träumen schwer für mich und dennoch die ganze Zeit präsent. Ich habe fast meine Bude abgefackelt im Delirium, was wie ein Traum ist, und der war nicht gut. Um die Ecke ist zwei Tage später ein Haus in Flammen aufgegangen. Was ist nur los mit uns?

Gut ist es nach so einer Krise davon zu träumen, sich aufzuraffen, Dinge anders zu tun und es besser als vorher zu machen. Autonomie zu wahren und sich dadurch nicht vom Weg abbringen zu lassen und das Wichtigste, zu wissen, dass wir am Leben sind. Das ist gut.

Wenn ich in mich hineinhöre, und die Träume unabhängig von der Arbeit mache, möchte ich gerade auf einer Insel wohnen, mit etwas Trinkwasser, Kokosnüssen und ein wenig Fisch mit einer Hollywood-Schaukel und, früher mit meiner besten Freundin erträumt, einem Sternburgkasten Bier und den Blick aufs Meer. Den Sternburgkasten möchte ich im Traum heute weglassen, denn das Saufen ist auch keine Lösung.

Dennoch ist die Welt, so wie sie gerade um mich ist, viel zu stressig und die Gesellschaft, in der ich lebe, für mich wie ein Gefühl, nicht so lange leben zu können, wie ich es eigentlich gern würde: nämlich stressfrei und ohne Angst, dass mir Behörden auf die Nerven gehen, dass meine Existenz bedroht ist, weil ich kein Geld habe (oder keine Wohnung!), oder Leute, die ich mag, z. B. überfahren werden, oder anderweitig leiden. Ich träume mich gern weit weg, in dieser dunklen Jahreszeit erst recht.

Ich träume aktuell davon, dass Weihnachten mal ausfällt und Menschen nicht mehr so gestresst deshalb sind, inklusive mir. Es ist eh dunkel und man verkriecht sich, muss das dann auch noch mehr Stress geben, mit Konsum und Geschenken, in einer aktuellen Zeit, und wenn man nicht an Gott glaubt? Man kann es an einem vorbeigehen lassen, das erfordert sehr viel Stärke, denn um einen herum, sind doch so viele, die das zelebrieren und so geht es nicht spurlos an einem vorüber.

Alle können ja machen, was sie wollen. Ich habe Kinder und sie sind so sozialisiert. Und auch ich mochte Geschenke als Kind, das Drumherum fand ich aber schon früher ganz anstrengend: Die Eltern sind gestresst und streiten sich und es gab etwa eine halbe Stunde, in der es entspannt zuging.

Ich träume oft davon, dass wir alle in Ruhe gelassen werden und machen können, was wir wollen und die Menschheit ohne Kapitalismus in Frieden leben kann. Alle haben alles und man wird nicht sanktioniert wegen Dingen. Krieg wäre unnötig und das Leben wäre stressfrei.

Dass Menschen zu Macht und Unterdrückung anscheinend neigen, brauche ich nicht erwähnen, sodass der Traum wohl Traum bleibt. Ich versuche trotzdem in mir selbst etwas dagegen und dafür zu tun, passiv, aktiv, still, mit meinen Mitteln und Anlagen, dem Nachdenken und der Reflexion.

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