„Was muss heute in der Lausitz geschehen, damit die Region gewappnet ist für die Zeit nach der Kohle?" Dieser Frage widmet sich eine am Freitag, 2. Oktober, in Berlin vorgestellte Initiative für die Zukunft der Lausitz. Unter dem Titel „Plan A“ soll in den kommenden zwei Jahren ein Leitbild für die Lausitz entstehen. Und das möglichst weit weg von den verhärteten Fronten.

Denn dass in der Lausitz derzeit gar nichts zu gehen scheint, Regierung, Kohlekonzern und ein hartnäckiger Verein namens “Pro Braunkohle” regelrecht mauern und Kohlegegner eher von oben herab behandelt werden wie lästige Störenfriede, das bringt der Region nichts. Das öffnet auch keine Wege in eine wie auch immer geartete Zukunft.

Dass die Politik in den beiden Ländern Brandenburg und Sachsen so kläglich versagt, die Zeichen des kommenden Strukturbruchs einfach ignoriert und glaubt, man könne die Zukunft mit Manifesten und Briefen verhindern, das ist die aktuelle Tragik der Lausitz. Die Bewohner – jene in Tagebaunähe erst recht – wissen freilich nur zu genau, dass der Transformationsprozess unausweichlich ist und dass man ihn gestalten muss, egal, wie lang er dauert.

Mit dem “Plan A” soll jetzt endlich eine Diskussionsbasis dafür geschaffen werden. Denn die Lausitz hängt eben nicht nur, wie Politiker in Dresden und Potsdam immer wieder behaupten, nur von der Braunkohle ab. Die Region hat echte Chancen, die durch die Fixierung auf die Tagebaue und Kraftwerke bislang eher vertan und verhindert wurden.

Tatsächlich braucht die Lausitz auch endlich ein neues Leitbild – ohne die enge Fokussierung auf Kohle.

Dieses Leitbild soll aber nicht nur als Orientierung dienen, wohin sich die Region entwickeln könnte – gefragt sind auch konkrete politische Entscheidungen, Projekte und Investitionen, um die Lausitz schon jetzt auf den Weg zu bringen.

Und es ist wie bei der gesamtdeutschen Energiewende, die international wesentlich genauer und kritischer betrachtet wird, als es die selbstverliebten deutschen Politiker gern wahrhaben wollen. Es ist nach wie vor das wohl größte politische Energie-Projekt der Gegenwart – und es droht durch Tatenlosigkeit, Faulheit und Ignoranz eher zu einer zähen Melasse zu geraten, deren Anblick durchaus zögern lässt.

Kann man diesen Weg gehen, wenn selbst die Deutschen derart vor ihren alten Konzernbossen einknicken, die ohne Kohle nicht können?

Und dabei hat auch der Beschluss des G7-Gipfels im Juni gezeigt: Bis Ende des Jahrhunderts soll die Weltwirtschaft frei von fossilen Energieträgern sein. Darauf müssen sich Kohleregionen weltweit schon jetzt einstellen.

Initiatoren von Plan A sind die internationale Umweltorganisation E3G – Third Generation Environmentalism und ein ehrenamtliches Bürgernetzwerk namens Lausitzer Perspektiven. Seine Mitglieder aus Brandenburg, Sachsen und Berlin setzen sich dafür ein, den anstehenden Strukturwandel in der Region als Chance zu nutzen. E3G arbeitet weltweit zu Strukturreformen, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erleichtern und sozial abfedern sollen.

Die eigentliche Arbeit an Plan A soll im kommenden Jahr beginnen.

Dagmar Schmidt, eine der Gründerinnen der Lausitzer Perspektiven, rief am Freitag zu einer breiten Beteiligung auf: „Jeder ist ein Teil des Wandels.“

Um die Region für die Zeit nach der Kohle zu rüsten, seien die Ideen aller gesellschaftlichen Gruppen gefragt: „Plan A braucht alle: Wir laden Kirchen, Vereine und Verbände, Unternehmen und Gewerkschaften, Hochschulen und Forschungsinstitute, Landes- und Kommunalpolitiker, Künstler und Kreative, Alteingesessene, Rückkehrer und Zugezogene ein, mit uns für die Lausitz zu arbeiten“, so Dagmar Schmidt bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Tom Burke, Mitbegründer und Vorsitzender der Umweltorganisation E3G, weist auf die internationale Relevanz des Themas hin und erklärt: „Die Welt blickt nicht nur wegen der Energiewende auf Deutschland. Wir wollen auch wissen, wie das Land den Strukturwandel bewältigt – vor allem in der Lausitz.“

Burke hat in Umweltfragen Rio Tinto beraten, das drittgrößte Bergbauunternehmen der Welt. In vielen Kohleregionen weltweit, so Burke, beobachte man sehr genau, ob der Strukturwandel in der Lausitz erfolgreich bestritten werden kann: „Die Leute wollen wissen: Wie kann sich eine strukturschwache Region in einem wirtschaftlich starken Land fit machen für eine Zeit, in der die fossilen Energieträger unter der Erde bleiben?“

Damit könne der notwendige Wandel zur Chance werden, so Burke: „Die Lausitz kann sich einen Ruf als internationaler Vorreiter in Sachen Strukturwandel erarbeiten.“

Was Plan A von anderen Lausitz-Initiativen unterscheidet, ist die Vernetzung lokaler Akteure mit einer Organisation wie E3G. Die Umweltorganisation ist mit Büros in Brüssel, London, Washington und Berlin weltweit vertreten. Der Lausitzer Landschaftsplaner und Tourismus-Unternehmer Sebastian Zoepp sieht darin die besondere Stärke von Plan A: „Strukturwandel geht nicht ohne die Menschen vor Ort und auch nicht ohne Erfahrung von außen. In Plan A bringen wir beides zusammen!“

Die frühere Lausitzer CDU-Landtagsabgeordnete Monika Schulz-Höpfner sieht in Plan A auch ein bundespolitisches Signal. 25 Jahre nach dem letzten harten Strukturbruch in der Region sei noch völlig offen, wie der jetzt anstehende Strukturwandel sozialverträglich gestaltet werden könne: „Eines ist klar: Auf Hilfe und bundesstaatliche Solidarität werden wir nur dann zählen können, wenn wir selbst einen überzeugenden Plan für die Zeit nach der Kohle auf den Tisch legen.“

Konkrete Vorschläge, um in die Zukunft der Lausitz zu investieren, sollen das Ergebnis des Dialogs im Rahmen von „Plan A“ sein. Doch an einer Stelle sind sich die Initiatoren schon heute einig: Die Lausitz muss mehr machen aus ihrer Lage als Euroregion zwischen Deutschland, Polen und Tschechien, nicht zuletzt durch eine Förderung der Mehrsprachigkeit. Auch deshalb soll „Plan A“ keine rein deutsche Veranstaltung bleiben: Eingeladen sind auch Polen und Tschechen.

Plan A

Plan A ist als zweijähriger Diskussions- und Arbeitsprozess geplant, der für alle interessierten gesellschaftlichen Akteure offen ist. Am Ende soll nicht nur ein klares Profil der Region für die Zeit nach der Kohle stehen. Die Teilnehmer sollen sich auch auf konkrete Maßnahmen und Investitionen einigen, die sofort angegangen werden können.

Lausitzer Perspektiven

Startsignal für die Gründung des ehrenamtlichen Bürger-Netzwerks war 2013 eine von der European Climate Foundation finanzierte Voruntersuchung über das Potential zivilgesellschaftlicher Arbeit in der Lausitz. Das Ergebnis der Studie: Der gesellschaftliche Boden für private Initiativen, gesellschaftliches Engagement, Start-ups, neue Unternehmen ist beachtlich. Viele der in der Voruntersuchung identifizierten Projekte fanden sich dann unter dem Dach der Lausitzer Perspektiven zusammen, um gemeinsam am Strukturwandel zu arbeiten.

E3G

E3G ist eine international agierende Umweltorganisation mit Büros in London, Berlin, Brüssel und Washington D.C. E3G arbeitet weltweit zu Strukturreformen, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erleichtern und sozial abfedern sollen. E3G wird der Initiative Lausitzer Perspektiven mit Expertise, Analysen und organisatorischer Unterstützung zur Seite stehen.

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