Am 14. Dezember tagte im sachsen-anhalterischen Braunsbedra die Metropolregion Mitteldeutschland. Auf ihrer Jahreskonferenz versuchte dieser Zusammenschluss von Kommunen und prägenden Unternehmen eine erste kleine Vision für die Transformation der Braunkohlewirtschaft in Mitteldeutschland zu entwickeln. Aber mutiger als in der Lausitz ist man auch rund um Leipzig nicht. Maulwurfsmentalitäten dominieren.

Was eben auch daran liegt, dass einige Kommunen nach wie vor direkt am Tropf der Braunkohleförderung hängen und die Mibrag nicht nur Mitglied der Metropolregion ist, sondern ihre Deutung der Braunkohlezukunft auch dort durchdrückt.

So wie es Dr. Armin Eichholz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG), deutlich machte: „Wir sind bereit, diesen Prozess mitzugestalten. Seit 2016 sind wir unter dem Dach der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland in der Projektgruppe ‚Innovationen im Revier‘ tätig. Wir stehen in engem Kontakt mit der Politik und wir sind uns darin einig, dass MIBRAG mit der Braunkohleförderung als Ausgangspunkt für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung und als Ausgangspunkt von stabilen Wertschöpfungsketten noch für Jahre eine tragende Rolle spielen muss.” Jahre? Wie viele?

Weiter führte Eichholz aus: “Auch durch die enormen Wertschöpfungseffekte beteiligen wir uns bereits heute daran, die Region strukturell zu unterstützen. Das tun wir im laufenden Betrieb, indem wir junge Leute aus der Region ausbilden, Arbeitsplätze bieten, Wertschöpfung betreiben. Jährlich sind es etwa 350 Millionen Euro, die in die Region fließen. Das sind Löhne und Gehälter unserer Mitarbeiter, Aufträge für hiesige Firmen und Investitionen. Darüber hinaus denken wir an die Zukunft der Braunkohlenutzung insbesondere in Richtung der stofflichen Nutzung. Dafür sind wir in Kooperation mit der Bergakademie TU Freiberg, der Hochschule Merseburg, ROMONTA und weiteren Partnern.“

Da klang das Grußwort von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung doch etwas realistischer: „Der Braunkohletagebau hat die mitteldeutsche Region geprägt wie kaum eine andere in Deutschland. Er hat Arbeit gebracht für tausende Familien. Er hat aber auch eine geschundene Landschaft hinterlassen, die wir seit Jahren unter großen Anstrengungen in Seen- und Naherholungsgebiete verwandeln. Wir haben also bereits eine gehörige Portion Erfahrung mit der Transformation ehemaliger Industrielandschaften – von der können wir profitieren. Die Zukunft des Braunkohletagebaus ist endlich; wir wollen und müssen die anstehenden Veränderungen aber besser gestalten als dies in den 1990er Jahren vielerorts traurige Realität war. Unsere Aufgabe auch als Metropolregion Mitteldeutschland ist es, zusammen mit Bund und den mitteldeutschen Ländern einen sanften Industriewandel zu gestalten, damit die Region auch in 30 Jahren den Menschen eine Heimat bieten kann.“

Wie wäre es also mit 15 Jahren? Das dürfte realistischer sein.

Denn der Wandel beginnt jetzt

Der Leipziger Stadtrat hat gerade beschlossen, den Ausstieg aus den Fernlieferungen aus dem Kraftwerk Lippendorf für das Jahr 2023 prüfen zu lassen. Und wenn das zu früh sein sollte, weil die dezentralen Kraftwerksstrukturen bis dahin noch nicht ausreichen, steht das Jahr 2030 im Raum. Dann steht der zweite Kraftwerksblock in Lippendorf zur Disposition. Der erste steht jetzt eigentlich schon zur Disposition, weil die angeblich so kostenlose Kohle aus dem Tagebau längst so teuer ist, dass dieser Kraftwerksblock keinen Gewinn mehr abwirft. Unrentabel nennt man das.

Da ist es schon erstaunlich, mit welcher Zögerlichkeit die Teilnehmer der Tagung in Braunsbedra das Thema Transformation anpackten. Als könne man erst einmal in aller Ruhe Konzepte machen und dann alles in eine Tourismuslandschaft verwandeln, so wie es Prof. Hartmut Rein, Geschäftsführer der BTE – Tourismus- und Regionalberatung Partnergesellschaft mbH, formulierte. Das ist die Truppe, die das seltsame „Tourismuswirtschaftliche Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft um die Städte Halle (Saale) und Leipzig“ erarbeitet hat

„Sowohl die landschaftlichen Qualitäten als auch die touristische Wahrnehmung der mitteldeutschen Gewässerlandschaft gilt es weiter zu verbessern. Bei der Entwicklung der Region darf auch die Baukultur darf nicht vergessen werden, denn Land und Wasser gehören zusammen. Seen- und Stadtlandschaften müssen miteinander erlebt und vernetzt werden. Dazu sind nachhaltige intermodale Mobilitätskonzepte essentiell. Nutzen wir die mitteldeutsche Seenlandschaft als Experimentierfelder für neue Stadt-Land- Mobilitäts-, Kultur- und Ernährungskonzepte“, forderte Rein.

Ist man tatsächlich noch bei solchen Blümchenthemen, die an der Realität so kräftig vorbeigehen? Ein paar Saisonarbeitsplätze im Tourismus statt einer tragfähigen Wirtschaftstruktur?

Rohstoff Braunkohle

Einzig wirklich greifbares Thema war die Rohstoffnutzung der Braunkohle, wenn sie nicht mehr in Kraftwerken verbrannt wird. Worauf Prof. Jörg Kirbs, Rektor der Hochschule Merseburg, zu sprechen kam: „Diese Impulse haben den technologischen Fortschritt zum Beispiel in der chemischen Industrie wesentlich beeinflusst. Wir haben in Mitteldeutschland einen bedeutenden Rohstoff, die Braunkohle, die viel zu schade ist, um nur für die Energiegewinnung genutzt zu werden. Die Verknüpfung der stofflichen Nutzung der Braunkohle mit dem umfangreichen Know-how bei der Nutzung regenerativer Energien könnte ein wesentlicher Motor für den Strukturwandel in unserer Region werden.“

Könnte. Tatsächlich hat man auf der Konferenz erst einmal vage Konturen dessen gezeichnet, was nach der Kohle kommen könnte.

Zusammengefasst in den Sätzen: „Eines der Kernthemen der Konferenz war die Auseinandersetzung mit neuen Strategien für Innovation und Wertschöpfung für die betroffenen Teilräume, die die Endlichkeit der Braunkohleförderung notwendig macht. Dabei wurde besprochen, wo sich vorhandene Strukturen für die Themen der Zukunft nutzen lassen und welche Rolle alternative Energien und die stoffliche Nutzung der Braunkohle spielen können.“

Die ganze Braunkohleregion Mitteldeutschland steckt noch mitten im Könnte und Vielleicht. Und immer dann, wenn es konkret wird, wird auf die touristische Vermarktung ausgewichen. Das beruhigt zwar die Nerven, schafft aber keinen gemeinsam gestalteten Strukturwandel.

Eher verwirrt dann wieder so ein bekannter Ohhmmmm-Satz von Prof. Andreas Berkner, Leiter der Verbandsverwaltung beim Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen: „Damit steht die Frage, wie dieser Prozess so zu gestalten ist, dass Aspekte der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und des Klimaschutzes bei sozialer Ausgewogenheit gleichermaßen gewährleistet werden können.“

Da verkennt der Pragmatiker wohl die Geschwindigkeit, mit der die Braunkohleregion zum Strukturwandel gezwungen sein könnte. Schon allein dann, wenn Leipzig für 2023 beschließt, keine Wärme mehr aus Lippendorf zu bestellen. Dann fällt die Entscheidung nämlich in Prag bei der Konzernmutter EPH. Und da geht es nicht um die ganzen Floskeln um Ausgewogenheit, sondern um simple wirtschaftliche Interessen.

Wir haben es ja schon oft geschrieben: Die Kohlekraftwerke werden nicht vom Netz gehen, weil sie solche Umweltverschmutzer sind, sondern weil sich Kohleverstromung immer weniger rechnet und sich die ersten Meiler schon heute nicht mehr rechnen.

Vielleicht fehlt in Mitteldeutschland ein großes Werk, das handfeste Wecker mit großem Läutwerk produziert.

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