Wenn der „Markt“ versagt, muss normalerweise der Staat eingreifen und entweder den freien Wettbewerb wieder herstellen oder den schwächeren Marktteilnehmern mit klaren Regularien die Chance geben, wieder frei zu atmen. Das ist alles nicht neu. Doch kein Markt ist mittlerweile von Monopolen und (Dumping-)Preisdiktaten so verzerrt wie der Markt landwirtschaftlicher Produkte. Deutsche Milchviehhalter fordern jetzt endlich wieder existenzsichernde Preise für die Milch. Und Attac zeigt die ganze Finsternis des Mercosur-Abkommens.

Im Rahmen des sogenannten „Milchdialogs“, zu dem der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM in der vergangenen Woche eingeladen hatte, haben sich die Verbände und Organisationen der Landwirte, die sich insbesondere für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft engagieren, auf ein gemeinsames Positionspapier verständigt.

Unterzeichnet wurde das neue Papier von BDM, AbL, LsV, EMB, den Freien Bauern und den großen Milcherzeugergemeinschaften MEG Milch Board, MEG NRW und MEG Rheinland-Pfalz sowie der neu gegründeten Bauern und Land Stiftung.

„Das Papier verdeutlicht, dass die Bäuerinnen und Bauern einen Umbau in der Agrar- und Außenhandelspolitik wollen, die die Billigstrategie durchbricht und den Höfen ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht“, sagt Elisabeth Waizenegger, Mitglied im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

„Bäuerinnen und Bauern sind bereit, gesellschaftliche Anforderungen für mehr Tierwohl, Klimaschutz, Artenvielfalt, Gewässerschutz und Luftreinheit zu erfüllen, wenn die zusätzlichen Leistungen honoriert werden. Dafür etwa bietet die Gemeinsame Agrarpolitik finanzielle Mittel. In der Zukunftskommission müssen rasch konkrete Verabredungen für eine wirkungsvolle Agrarreform getroffen werden, die den Klimaschutz voranbringt, die Biodiversität stärkt und Bauernhöfe erhält.“

In Punkt zwei des Papiers wird eindeutig noch einmal benannt, wie die Bundesregierung bei der Marktregulierung versagt und die Bauern immer wieder dem Preisdiktat der Molkereien (und damit letztlich der großen Einzelhandelskonzerne) unterwirft. Das Ergebnis sind Milchpreise, die in manchen Jahren sogar noch unter den Erzeugerpreisen lagen. Die Bauern zahlen drauf, während am anderen Ende die Supermärkte mit Billigpreisen werben.

„Es braucht politischen Nachdruck, um die Marktstellung der Milchviehhalter deutlich zu verbessern“, heißt es im Positionspapier. „Zwei sehr eindeutige Berichte des Bundeskartellamts 2012 und 2016 belegen die miserable Marktposition der Milchviehhalter im Verhältnis zu den Molkereien und die nur sehr eingeschränkte Handlungsfähigkeit der Milchviehhalter. Das muss sich ändern!

Wir sehen, dass sich die Politik zunehmend aus der Marktgestaltung zurückziehen will, und sind bereit, Eigenverantwortung zu übernehmen. Um den Milchviehhaltern eine echte, wettbewerbsstarke Interessenvertretung zu ermöglichen, ist die Milchviehhaltung als eigenständige Branche anzuerkennen und damit die Bildung einer wirkmächtigen Branchenorganisation Milchviehhaltung zu ermöglichen. Für andere Sektoren der Landwirtschaft ist dies ebenfalls denkbar und notwendig.“

Und die Dialog-Teilnehmer sprachen sich eindeutig gegen das „Mercosur“-Abkommen aus, das den deutschen Milchmarkt weiter mit (Billig-)Importen unter Druck setzen würde: „Außenhandel für Bäuerinnen und Bauern: Keine Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens durch Deutschland und auch keine weiteren Verhandlungen von Freihandelsabkommen der EU mit Neuseeland und mit Australien, die mehr unqualifizierte Milch- und Rindfleischimporte in die EU bringen werden.

Die EU-Handelspolitik ist so auszugestalten, dass bei allen Handelsabkommen hiesige Standards und kostendeckende Erzeugerpreise in der Landwirtschaft nicht unterlaufen werden und Berufskolleginnen und -kollegen in anderen Ländern dieser Welt nicht durch unsere Exporte benachteiligt werden. Auch bereits existierende Handelsabkommen sind so zu reformieren, dass sie die Einhaltung bestehender und sich weiterentwickelnder Standards nicht unterlaufen.“

Noch heftiger fiel in dieser Woche übrigens die Kritik von Attac am „Mercosur“-Abkommen aus, das letztlich wieder nur ein Freihandelsabkommen der EU wäre, mit dem die schwer erkämpften Umweltstandards in der EU durch Importe unterlaufen werden.

„Kranke Menschen, vergiftetes Wasser und kontaminierte Böden sind nur einige der Folgen des massiven Pestizideinsatzes in Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Doch das EU-Mercosur-Abkommen wird den Export von in der EU nicht zugelassenen Pestiziden in die Mercosur-Länder weiter antreiben. Das Abkommen schafft die Zölle für Pestizide in den Mercosur komplett ab, wodurch die Importe steigen werden. Profitieren werden davon große europäische Pestizidhersteller wie Bayer oder BASF“, heißt es in der entsprechenden Stellungnahme von Attac.

„Auch europäische Verbraucher/-innen sind betroffen. Das EU-Mercosur-Abkommen sieht vor, Lebensmittelkontrollen weiter abzubauen. Rückstände hochgefährlicher Pestizide könnten somit auf den Tellern europäischer Verbraucher/-innen landen.“

Dies belegt dann auch der am 20. August veröffentlichte 32-seitige „Reiseführer“ mit dem Titel „EU-Mercosur – ein giftiges Ankommen“, den der Verein Powershift zusammen mit Attac Deutschland und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen herausgibt.

Es ist, als wäre die Botschaft in der EU-Kommission noch nicht angekommen, dass ein ungeregelter Freihandel mit landwirtschaftlichen Produkten nicht nur klima- und umweltschädlich ist, sondern sämtliche Produktionsstandards sowohl in Europa als auch in den Exportländern unterläuft. Freihandel ohne faire und verbindliche Mindeststandards trägt geradezu zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen bei.

Deutschland täte nicht nur sich selbst etwas Gutes, wenn es dieses Abkommen nicht unterschreibt.

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