Irgendjemand rotiert da in Dresden schon gewaltig, seit das wirtschaftliche Weltbild der sächsischen CDU ins Rutschen kam. Denn die im Freistaat gepflegte Wirtschaftspolitik hat seit 1990 – wider besseres Wissen – auf fossile Technologie und ihren Ausbau gesetzt. Die Unterstützungspolitik für die Kohlekonzerne gehört genauso dazu wie das eigene Engagement für den Ausbau des Frachtflughafens Leipzig/Halle. Die sächsische Linke fordert nun einmal mehr den ökologischen Umbau des Flughafens.

Die Zukunft des Flughafens Leipzig/Halle und insbesondere dessen Ausbau werden zwar kontrovers diskutiert – einerseits sei der Airport ein Jobmotor, andererseits wachsen mit ihm auch Gesundheitsbelastungen, Umwelt- und Klimaschäden. Aber eigentlich gibt es keine wirklich guten Gründe mehr, den Frachtflughafen auszubauen, denn ein Großteil der transportierten Güter kann ebenso per Schiene transportiert werden.

Das Bahnterminal steht direkt neben dem Flughafen, wird aber kaum genutzt, weil Fliegen in Deutschland immer noch hochsubventioniert wird. Mit dem Ergebnis, dass die klimafreundlichere Variante des Transports aus Sicht des Frachtkonzerns unrentabel aussieht, während die subventionierte Fliegerei geradezu lukrativ wirkt.Die Berechnungen innerhalb der Frachtkonzerne ist durchaus plausibel. Die Fehler macht die Politik, die seit Jahrzehnten die fossilen Wirtschaftsbereiche massiv subventioniert bzw. von Steuern und Abgaben befreit hat, während klimaschonende Branchen solche Vergünstigungen nicht erhalten.

Die Linksfraktion schlägt deshalb einen sozial-ökologischen Umbau des Flughafens vor (Drucksache 7/6699). Dazu waren am 6. Juli Sachverständige gehört worden (Hier das Protokoll zur Anhörung).

Dass sich Sachsens Regierung trotzdem schwertut, beim Thema Frachtflughafen umzudenken, machte der 8. September deutlich, als ein riesiges Aufgebot von Polizei am Flughafen stationiert wurde, als wenn die Gefahr einer Erstürmung bestanden hätte. Dabei waren nur 100 Radfahrer/-innen aus dem Klimacamp Leipziger Land zum Flughafen gefahren, um die Klimaschädlichkeit des Flughafens sichtbar zu machen und gegen den geplanten Ausbau zu demonstrieren. Friedlich, was dann auch die Polizei konstatieren musste.

„Der Flughafen Leipzig/Halle ist eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte – allerdings auf Kosten der Anwohner/-innen, der Umwelt und des Klimas“, stellt Marco Böhme, Sprecher für Klimaschutz und Mobilität der Linksfraktion im Landtag, fest.

„Deshalb fordern wir einen sozial-ökologischen Umbau, der sowohl der Gesundheit der Anwohner/-innen als auch dem Klimaschutz und der Beschäftigungssicherung dient. Wir fordern deshalb die deutliche Erhöhung der Start- und Landegebühren, orientiert am Frachtflughafen Köln/Bonn, sowie ein sofortiges Ausbaumoratorium. Nur Flugzeuge der leisesten Lärmklasse sollen nachts noch starten und landen dürfen.“

Über die Erhöhung der Start- und Landeentgelte wurde in der Anhörung auch gesprochen. Seit einem Jahr ist das in der Staatsregierung tatsächlich endlich Thema, nachdem es seit 2015 permanente Forderung der Grünen war. Und es war auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne), der den Vorstoß dazu unternahm, während Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) gerade erst wieder bremste.

Dabei ist jetzt schon absehbar, dass ein Ausbau des Frachtflugbetriebs mit den deutschen Klimaplänen nicht im Einklang steht. Tatsächlich muss der Kerosinverbrauch drastisch gesenkt und das Frachtgut endlich umweltfreundlicher transportiert werden. Was eben auch für die Konsumgesellschaft heißt, dass ihre im Internet bestellten Spielzeuge nicht gleich am Morgen auf der Fußmatte liegen, sondern mal einen Tag länger unterwegs sind. Auch dieses Just-in-time-Denken der Konsumgesellschaft ist Teil unseres Klimaproblems und muss sich schleunigst ändern.

Und so fordert Marco Böhme: „Ein weiterer Punkt ist die Einbindung des bestehenden, aber weitgehend ungenutzten Umschlagbahnhofs in das Transportkonzept des Flughafens. Wir fordern ferner die Beendigung der militärischen Nutzung des Flughafens, weitere Rüstungsunternehmen sollten sich nicht ansiedeln. Stattdessen muss die Wirtschaftsstruktur diversifiziert und der Standort im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens entwickelt werden.

Die Beschäftigten, die von diesem Strukturwandel betroffen sind, sollen eine Beschäftigungsgarantie sowie Qualifizierungsmaßnahmen erhalten. Auch ein Abschiebestopp vom Flughafen ist unverzichtbar. Für uns ist klar: Den Flughafen Leipzig/Halle gibt es in Zukunft entweder anwohner/-innenfreundlich, sozial-ökologisch und friedlich – oder gar nicht!“

Unterstützung findet Böhme direkt bei der Interessengemeinschaft Nachtflugverbot Leipzig/Halle e. V. Deren Vorsitzender Peter Richter erklärt: „Wir haben die begründete Angst, dass der geplante Ausbau des Flughafens – der etwa DHL 36 zusätzliche Stellplätze bringen soll – erstens nicht der letzte sein und zweitens noch viel mehr Anwohnerinnen und Anwohner mit Lärm und Dreck belasten wird. Weitere Flugbewegungen und Routen sind dann zwangsläufig nötig. Der Gedanke daran würde mich um den Schlaf bringen, wenn das die Maschinen nicht jetzt schon tun würden.

Wir sind gemeinsam mit tausenden Bürgerinnen und Bürgern bereit, weiter Widerstand zu leisten, und werden eigenfinanziert auch Lärm-Messstellen installieren. Bisher wird der Fluglärm nämlich nicht gemessen, sondern berechnet – Durchschnittswerte geben allerdings nicht an, was täglich unsere Ohren belastet. Wir erwarten mit Spannung das Ende des Planfeststellungsverfahrens und bereiten schon jetzt eine Klage für den Fall vor, dass der Ausbau in der beantragten Form genehmigt werden sollte.“

Noch läuft das Planverfahren für den 500 Millionen Euro teuren Flughafenausbau und praktisch sämtliche Kommunen rund um den Flughafen haben dabei kritisiert, dass weder Klima- noch Umwelt- noch Gesundheitsaspekte genügend berücksichtigt wurden. Entsprechende Untersuchungen fehlen in den Planunterlagen und der Verdacht liegt im Raum, dass der Ausbau überhaupt nicht genehmigungsfähig wäre, wenn alle diese Basisdaten gesetzeskonform erfasst würden.

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