Anlässlich der Energieministerkonferenz der Bundesländer (EnMK) in Merseburg (Sachsen-Anhalt) am heutigen Mittwoch, dem 29. März, kritisieren der BUND Sachsen e. V. und die VEE Sachsen e. V. den Kurs der sächsischen Landesregierung in der Klimapolitik – und stellen drei zentrale Forderungen, um neuen Schwung in die sächsische Energiewende zu bekommen. Mit seinem Festhalten an der Kohle gefährdet insbesondere Ministerpräsident Michael Kretschmer Sachsens Energiezukunft.

Denn wie lange Kohle überhaupt noch verstromt werden kann, das wird ganz bestimmt nicht im Dresdner Kabinett entschieden. Das bestimmen die Preise für Strom an der Börse und die Kosten für Emissionsrechte. Und ob der Kraftwerksblock dann immer noch rentabel läuft, auch das entscheidet nicht die sächsische Staatsregierung. Das entscheiden die Konzerne selbst. So wie EnBW, das den Kraftwerksblock S im Kohlekraftwerk Lippendorf im Leipziger Südraum betreibt. Noch, muss man sagen.

EnBW steigt aus

Denn mit einer Pressemitteilung vom 27. März kündigte EnBW an, dass der Konzern bis 2028 aus der Kohleverstromung aussteigen wird. Ob der Block S in Lippendorf dabei verkauft werden soll oder komplett stillgelegt wird, wurde noch nicht mitgeteilt. Aber schon in den vergangenen Jahren ging der Block immer wieder vom Netz, weil sich die Stromproduktion für EnBW nicht rechnete.

Nach dem Kohlekompromiss von 2018 darf das Kraftwerk Lippendorf bis 2035 am Netz bleiben. Aber auch für den Block R, den die LEAG betreibt, bedeutet das nicht unbedingt, dass er bis 2035 weiter befeuert wird. Noch versorgt er auch die Stadt Leipzig mit Fernwärme. Eigentlich wollte Leipzig mit Fertigstellung des Gaskraftwerks Süd in der Bornaischen Straße 2023 aus der Versorgung durch Lippendorf aussteigen. Aber die hohen Gaspreise werden diesen Ausstieg wohl verzögern. Bis 2025 sind die Fernwärmelieferungen aus Lippendorf vorerst gesichert.

Es sind letztlich auch die Kommunen, die das Tempo der Energiewende angeben und von sich aus die klimafreundlichen Energiestrukturen planen. Da sieht der Eiertanz von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer um den Kohleausstieg 2038 geradezu weltfremd aus. Wofür es jetzt auch deutliche Kritik von VEE und BUND gibt.

Sachsen kommt mit leeren Händen

Bei der Energieministerkonferenz der Bundesländer steht sichere und bezahlbare Energieversorgung auf der Tagesordnung. Doch die sächsische Staatsregierung kommt aufgrund ihrer Blockadehaltung mit leeren Händen in Merseburg an.

Längst sei klar, dass Strom aus regenerativen Quellen die billigste, sicherste und nachhaltigste Art ist, Strom zu erzeugen, stellen BUND Sachsen und VEE Sachsen fest. Doch weiterhin halte vor allem die Sachsen-CDU massiv an der Kohleverstromung bis 2038 fest – auf Kosten des stockenden Ausbaus der Erneuerbaren Energien.

Fakt sei: Der Klimakiller Kohle werde auch für Unternehmen wegen des Emissionshandels schon vor 2030 nicht mehr rentabel sein und verhindere wirksamen Klimaschutz in Sachsen – wo über die Hälfte der Klimaemissionen aus der Kohleverstromung resultieren. Die ostdeutsche Kohle-Allianz dürfe nicht zum Bremsklotz für die Energiezukunft werden. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit seien dauerhaft nur mit Erneuerbaren Energien möglich. Grüne Energie werde zum Standortvorteil und Wertschöpfungsfaktor in den Regionen.

„Die rechtsverbindliche 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens erfordert Postfossilität in allen Sektoren wie Strom, Wärme, Mobilität oder Zement in wenigen Jahren“, stellt Professor Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, fest.

„Weil der Stromsektor am leichtesten zu dekarbonisieren ist, müssen wir dort definitiv vor 2030 bei Nullemissionen ankommen. Sonst halten wir auch die Verfassungsvorgaben nicht ein, die wir mit dem bahnbrechenden Klima-Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich erstritten haben. Und wer weiter die fossile Nachfrage am Weltmarkt hochhält, unterstützt obendrein Putins Angriffskrieg. Die ostdeutschen Länder müssen deshalb von Bremsern zu Antreibern der Energiewende werden.“

Jetzt gehören die Fakten auf den Tisch

Und Dr. Wolfgang Daniels, Präsident der VEE Sachen e. V., betont: „Der Klimawandel hat Sachsen bereits mit voller Wucht getroffen. Wer jetzt nicht auf emissionsfreie Technologie setzt, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Mit erneuerbaren Energien verfügen wir heute über ein ganzes Arsenal von klimaneutralen, kostengünstigen, dezentralen und verlässlichen Lösungen zur Erzeugung von Strom. Wir müssen jetzt schnell bürokratische Bremsen lösen! Die Konzepte liegen dafür längst auf dem Tisch – wir müssen sie nur umsetzen.“

Es sei Zeit, vom Reden ins Handeln zu kommen. Im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck müssten in Merseburg die Fakten auf den Tisch. Die selbstgesteckten – für 1,5 Grad völlig unzureichenden – Ausbauziele für Erneuerbare Energien der Sächsischen Staatsregierung würden sehenden Auges verfehlt. 200 neue Windkraftanlagen seien bis 2024 nötig, um die Ziele des Energie- und Klimaprogramms zu erreichen. Ans Netz gegangen sind im letzten Jahr lediglich elf Anlagen. Im PV-Bereich bleibe der Ausbau ebenfalls weit hinter den Erwartungen zurück.

Der BUND Sachsen und die VEE Sachsen fordern von der Sächsischen Staatsregierung:
das Maßnahmenpaket des Energie- und Klimaprogramms 2021 zeitnah im Kabinett zu verabschieden. Jegliche Klima- und Energiepolitik in Sachsen bleibe sonst unglaubwürdig und ein Luftschloss.

Sie fordern folgendes: eine interministerielle Einigung für die Kriterien der Windflächen im Wald zu veröffentlichen, die Naturschutz und Energiewende gleichermaßen gerecht wird.

Und eine transparente und partizipative Begleitung der Transformation von Kohleregionen zu Erneuerbare-Energien-Regionen in Ostdeutschland ohne neue Milliardensubventionen für Unternehmen, die ihre Kraftwerke mangels Rentabilität ohnehin bald vom Netz nehmen werden.

Umstieg auf Erneuerbare ist längst wirtschaftliche Realität

Zur Ankündigung von EnBW, bereits 2028 komplett aus der Kohle auszusteigen, erklärt Dr. Daniel Gerber, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Die Kohle wird schon weit vor 2038 nicht mehr rentabel sein. Die Entscheidung von EnBW zeigt einmal mehr, dass dies bei den Unternehmen längst wirtschaftliche Realität ist. Schon 2028, also sieben Jahre vor dem bisher geplanten Aus, will EnBW auch im sächsischen Lippendorf keine Kohle mehr verfeuern. Das ist ein Ausrufezeichen für alle, die der Realität der viel zu teuren Kohle nicht ins Auge sehen wollen.“

Denn es geht hier nun einmal auch um Wettbewerbsfähigkeit, wie Gerber anmerkt: „Alle politischen Ebenen sind jetzt in der Pflicht, den marktgetriebenen schnelleren Kohleausstieg so zu begleiten, dass Sachsen Energie- und Industrieland bleibt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist mit aller Kraft voranzutreiben, denn der Plan für die Energiewende liegt längst auf dem Tisch.

Eine fortwährende Blockadehaltung schadet am Ende uns allen. Dass auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke mittlerweile öffentlich einen früheren Kohleausstieg thematisiert, ist ein erster wichtiger Schritt, dem gerade im Osten viele weitere folgen müssen.“

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