Über die mehr als verhaltene Auskunft des sächsischen Verkehrsministers Martin Dulig (SPD) zu den Austeilungen der Regionalisierungsmittel an die Verkehrszweckverbände in Sachsen haben wir an dieser Stelle schon berichtet. Im Jahr 1 seiner Amtszeit als Verkehrsminister ist Dulig augenscheinlich noch nicht bereit, das Konzept seines Amtsvorgängers Sven Morlok (FDP) zu ändern. Obwohl Sachverständige eine deutliche Änderung fordern, kritisieren jetzt die Grünen.

Der Mehrbedarf im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Sachens ist im Doppelhaushalt 2015/16 nach Meinung der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen immer noch nicht gedeckt. Auch nicht durch die kleine Erhöhung von 411 auf 427 Millionen Euro im Jahr 2015. Den Rest der vom Bund bereitgestellten Regionalisierungsmittel von 522 Millionen Euro gibt der Freistaat nach wie vor für Dinge aus, die eigentlich von ihm selbst zu leisten sind. Etwa 54 Millionen Euro steckt er in die Finanzierung des Schülerverkehrs.

Dabei können die fünf Zweckverbände mit den zugewiesenen 427 Millionen Euro (minus 8,7 Millionen Euro, die nur für die Schmalspurbahnen zur Verfügung stehen) gerade einmal die Löcher ausgleichen, die die Kürzungen der letzten Jahre verursacht haben. Ein attraktiver Ausbau des Nahverkehrsnetzes ist gar nicht drin.

“90 Prozent der Regionalisierungsmittel des Bundes sollten an die sächsischen Verkehrsverbände weitergeleitet werden”, fordert nun noch einmal Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion. “So würden weitere 63,8 Millionen Euro dem ÖPNV zugute kommen. Das entspricht den Forderungen der SPD im Landtagswahlkampf und würde zumindest den dringendsten Mehrbedarf im Öffentlichen Personennahverkehr abdecken.”

Dumm nur, dass der SPD-Verkehrsminister zumindest 2015 und 2016 nicht vor hat, die SPD-Forderungen aus dem Wahkampf umzusetzen. Obwohl in diesen beiden Jahren die Weichen gestellt werden müssten für eine Verbesserung des Zug-Angebots. Clemens Kahrs vom Verkehrsclub Deutschland e.V. Landesverband Elbe-Saale hatte in der Anhörung zum Antrag der Grünen-Fraktion recht deutlich erklärt, wie sehr das Thema eines gut ausgebauten Nahverkehrsnetzes mit der demografischen Entwicklung in den sächsischen Regionen zusammenhängt. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung übrigens auch, was in der sächsischen Wirtschaftspolitik komplett ignoriert wird. Dort herrscht noch immer der Glaube daran, man würde mit einem Ausbau des Straßennetzes mit schnellen Trassen in jede Ecke des Landes die Wirtschaftsentwicklung forcieren. Kahrs hatte recht eindringlich darauf hingewiesen, dass das ein Irrglaube ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung einer Region viel stärker abhängt von einem gut ausgebauten ÖPNV (S-Bahn, Straßenbahn, Regionalbahn), der die Arbeitskräfte täglich ohne Reibungsverluste und effizient zu ihren Arbeitsorten bringt – etwas, was selbst die am breitesten ausgebauten Straßen nicht schaffen.

Im Ruhrgebiet ist man gerade beim Umlernen, nachdem auch der milliardenschwere Ausbau des Autobahnnetzes in den letzten Jahren die Stauproblematik in der Rushhour nicht gelöst hat. Dort setzt man jetzt auf den Ausbau von S- und Regionalbahnen.

Aber wann fällt im immernoch autoversessenen Sachsen der Groschen, dass eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung mit gut ausgebauten Schienennetzen zusammen hängt?

Oder – im Umkehrschluss – dem Gegenteil: dem Verlust verlässlicher ÖPNV-Verbindungen, die im ersten Schritt die Abwanderung junger Arbeitnehmer bedeuten und im zweiten den Umzug der verbliebenen Unternehmen, die nun keine Arbeitskräfte mehr finden vor Ort.

“Immer noch gilt die Finanzierungsverordnung aus den Zeiten des FDP-Wirtschaftsministers Sven Morlok”, kritisiert Eva Jähnigen. “Diese hatte den tatsächlichen Zuschussbedarf für den ÖPNV im ländlichen Raum heruntergespielt. Seitdem haben die Zweckverbände jedoch zusätzliche Leistungen bestellen müssen wie z. B. die zusätzlichen Zugverkehre auf der Sachsen-Franken-Magistrale nach Wegfall des von der Deutschen Bahn finanzierten Verkehrs ab 2015 und die zusätzlichen S-Bahnverkehre nach dem vierspurigen Ausbau von Meißen nach Dresden.”

Dabei hatte augenscheinlich auch Jähnigen darauf gehofft, der neue Verkehrsminister würde auch wieder modernes Denken ins Amt bringen, gerade weil die demografische Dramatik in den letzten drei Jahren zugenommen hat. Und es sind längst nicht mehr nur die jungen Ausbildungswilligen, die in Scharen in die drei Großstädte ziehen, sondern vermehrt die jungen Arbeitnehmer und Familien, denen die Ausdünnung der ländlichen Räume nicht mehr vereinbar ist mit Beruf, Leben und Familienorganisation.

“Mit den Haushaltsbeschlüssen der CDU/SPD-Koalition werden die Löcher in der ÖPNV-Finanzierung nicht gestopft, sondern nur verkleinert. Ein Zeichen für das Ende der Fixierung der sächsischen Politik auf den Straßenverkehr ist bisher nicht zu erkennen”, kritisiert Jähnigen den sichtbaren Unwillen in der sächsischen Regierung, aus den offensichtlichen Problemen auch die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Verkehrsdenken der Regierung scheint noch immer in den Visionen und Zahlenwerken der 1990er Jahre festzustecken. Und das bedingt dann wohl auch die Ignoranz der Frage, die Eva Jähnigen nach den tatsächlichen Mehrkosten in den Zweckverbänden gestellt hat: Der Verkehrsminister hat die Frage einfach mit Verweis auf die Zahlenmenge verweigert.

Aber wie will ein Verkehrsminister die Geldmittel eigentlich steuern, wenn er über den tatsächlichen Bedarf der Zweckverbände, die den Regionalverkehr organisieren, gar nichts weiß?

Eva Jähnigen: “Die Ausrede, dass der Regierung keine aktuellen Informationen vorlägen, akzeptiere ich nicht. Bereits zur Haushaltsanhörung sind die Mehrkosten vom Fahrgastverband VCD und einem Geschäftsführer der Verkehrsverbünde klar benannt worden.”

Die Auskunft zur Finanzierung der Zweckverbände.

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