Am Montag, 20. März, kündigte der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) an, dass auch 2017 die Fahrpreise bei den LVB steigen werden. Um bis zu 3,5 Prozent. Konsequenterweise haben die Mitglieder der Fraktion Die Linke im Aufsichtsrat der LVB und des MDV gegen die Preiserhöhung gestimmt. Und die Grünen weisen darauf hin, warum das Spielchen so läuft. Das hat nämlich etwas mit Wirklichkeitsverweigerung zu tun.

„Schließlich geht es um mehr, als nur von A nach B zu kommen – Mobilität ist Teilhabe, ist Integration und Mitwirkung. Mobilität ist Daseinsvorsorge!“, betont die Sprecherin für Verkehrspolitik der Linksfraktion im Stadtrat, Franziska Riekewald. Was gern vergessen wird. Denn tatsächlich sind die LVB in den vergangenen zehn Jahren zum Sparobjekt geworden. Anfangs mit einer plausiblen Begründung. Da ging es noch um die Rettung und Stabilisierung der Konzernmutter LVV.

Aber mittlerweile hat sich das Sparmodell verselbständigt und eine Mehrheit im Stadtrat sieht die Zusammenhänge nicht mehr. Denn es geht ja nicht nur um Fahrpreissteigerungen an sich, sondern um die Tatsache, dass sie in Leipzig seit Jahren mit 3,5 bis 5 Prozent besonders hoch ausfallen. Zum Vergleich: In den Landkreisen gibt es nur Preissteigerungen von 2 Prozent.

Die Leipziger Fahrgäste werden stärker zur Kasse gebeten, weil sie nun einmal auch das Finanzloch mit ausgleichen müssen, das der gedeckelte Zuschuss der Stadt gerissen hat. Das beträgt nun seit Jahren 18 Millionen Euro, wie Stefanie Gruner, Sprecherin der Leipziger Grünen, feststellen kann:

„Was aber den laufenden Betrieb der LVB angeht, so wird dieser aufgrund der Verweigerungshaltung des Oberbürgermeisters und der Mehrheit des Stadtrates aus SPD, CDU und AfD auch weiterhin auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen. So wurde der jährliche Zuschuss aus dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag an die LVB von ehemals 63 Millionen Euro auf seit Jahren eingefrorene 45 Millionen Euro reduziert. Die dagegen jährlich ansteigenden Kosten im Betrieb der LVB können trotz der Fahrgastzuwächse und der Effizienzsteigerungen im Unternehmen nicht gedeckt werden. Solange also der städtische Zuschuss auf 45 Millionen Euro gedeckelt bleibt, sind Fahrpreiserhöhungen auf Kosten der Fahrgäste unausweichlich.“

Bevor die Kürzung der Zuschüsse für die LVB beschlossen wurde, lagen die Fahrgasteinnahmen noch deutlich unterm Zuschuss der Stadt. Um mal einen Zehn-Jahreszeitraum abzubilden: 2005 kamen auf Zuschüsse von 57 Millionen Euro noch 56,3 Millionen Euro an Fahrgasteinnahmen.

Rückzug seitens der Stadt Leipzig seit Jahren

Doch während die Zuschüsse auf 45 Millionen absanken, stiegen die Fahrgasteinnahmen auf mittlerweile 85 Millionen Euro. Das heißt: Während Stadt und Fahrgäste den ÖPNV in Leipzig noch gleichermaßen finanzierten, trugen die Fahrgäste 2015 schon 40 Millionen Euro mehr zum Betrieb bei als die Stadt.

Mittlerweile gibt es ja noch die Extra-Zuschüsse für neue Fahrzeuge (2 Millionen Euro) und ab 2018 dann 3 Millionen Aufstockung extra. Aber man sieht, dass das nicht mehr ist als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Zulage reicht sichtlich nicht aus, um die LVB finanziell zu stärken – denn das zusätzliche Geld fließt ja vor allem in Anschaffungen, die allein schon aufgrund des Fahrgastzuwachses notwendig sind. Es deckt aber nicht die steigenden Kosten im Betrieb. Immerhin haben jetzt endlich auch die Bediensteten der LVB Anteil an steigenden Tarifabschlüssen. Aber das zahlen allein die Fahrgäste.

Wenn Leipzigs Verwaltung da eine ziemlich irreführende Diskussion um „alternative Finanzierungsmodelle“ anstößt, dann ist das eher ein Versuch, den Bürgern eine Lösung anzubieten, die keine ist. Denn fünf der vorgeschlagenen Modelle sind nur nach einer Gesetzesänderung auf Bundes- bzw. Landesebene möglich – und sie bringen trotzdem nicht einmal die „eingesparten“ 15 Millionen. Und die Erhöhung der Grundsteuer, die als einzige in der Macht der Stadt liegt, legt die Kosten wieder nur auf die Bürger um, ohne das Problem zu lösen.

Krokodilstränen

„Jedes Jahr das gleiche Spektakel: der MDV erhöht seine Preise und alle schreien auf“, stellt Volker Holzendorf, Bundestagskandidat der Grünen für Leipzig Nord, fest. „Doch die Krokodilstränen nützen wenig! Die Blockadehaltung beim Thema Nahverkehrsfinanzierung muss in Leipzig und Sachsen endlich aufgegeben werden.“

Und Stefanie Gruner geht noch auf einen Aspekt der beschlossenen Tariferhöhung ein: Die bittet genau die Menschen wieder zur Kasse, die sich schon all die Jahre bemühen, in Leipzig den umweltgerechten Verkehr zu stärken.

Gruner: „Diese Blockadepolitik ist es auch, die nun vor allem die Nutzerinnen und Nutzer von Abotickets und auch Schülertickets trifft. Das sind aber genau die Menschen, die sich besonders umweltbewusst verhalten oder die, wie die Schülerinnen und Schüler, schlicht auf den ÖPNV angewiesen sind.“

Ähnlich sieht auch Franziska Riekewald die Umverteilungsmentalität in den Gremien des MDV.

„Dieses Jahr bleibt zwar das Einzelticket verschont, dafür sind die Erhöhungen vor allem für Einkommensschwache und für Eltern eine besondere Belastung. Wie auch schon im letzten Jahr wird die LeipzigPassMobilCard im Preis erhöht. Jedoch konnte durch einen Haushaltsantrag der Fraktion Die Linke wenigstens der Preis auf monatlich 35 Euro begrenzt werden. Diese Begrenzung gilt auch für das Jahr 2018. Das ist jedoch ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass dieses Sozialticket bei seiner Einführung im Jahr 2011 mit einem Preis von 26 Euro gestartet war“, sagt die Stadträtin.

„Besonders ärgerlich ist auch die nochmalige Erhöhung des Kindereinzeltickets. Dieses wurde bereits letztes Jahr um 0,10 Euro angehoben und hat sich somit innerhalb von 2 Jahren um 20 % verteuert. Schaut man sich dann noch die überdurchschnittliche Erhöhung bei den Schülerfahrkarten an, könnte man meinen, der MDV weiß, dass Kinder, wollen sie selbstständig mobil sein, außer mit dem Fahrrad auf Bus und Bahn angewiesen sind. Man kann nur hoffen, dass jetzt nicht wieder viele Eltern auf das gute alte Elterntaxi zurückgreifen. Das würde alle durch den Stadtrat beschlossenen Umweltziele konterkarieren.“

Aber genau das werden sie wohl tun.

Der Beschluss in den MDV-Gremien ist ein Beschluss gegen alle vollmundigen Behauptungen der Leipziger Stadtpolitik, den Umweltverbund stärken zu wollen. In dieser Hinsicht wird Volker Holzendorf besonders deutlich: „Wenn also der Oberbürgermeister die Verkehrspolitik zur Chefsache macht, hoffe ich sehr, dass er sich umfassend und grundlegend von erfahrenen Verkehrspolitikern beraten lässt! Bisher scheiterte eine zukunftsfähige Verkehrspolitik in Leipzig nämlich zu oft an OB Jung und seiner Weigerung die notwendigen finanziellen Mittel auch bereitzustellen.“

MDV-Preise ab 1. August 2017 (PDF)

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