So etwas erlebt man auch im Leipziger Stadtrat recht selten. Turbulent ging es ja am Mittwoch, 20. September, schon bei der Verfahrensfrage zu, ob der Antrag der Freibeuter-Fraktion, die Grünen-Klage gegen den OBM vom ganzen Stadtrat unterstützen zulassen, sofort votiert werden könne oder nicht. Aber dass ein anderer Antrag dann nach der Diskussion auch noch zurückgezogen wird, das verwirrte dann auch den OBM zu später Stunde. Es ging um die Radwege-Visionen der CDU.

Die haben wir hier schon recht emsig diskutiert. Gerade weil der Antrag der CDU-Fraktion, Radfahrer auf Vorzugsrouten abseits der Hauptstraßen verweisen zu wollen, so seltsam mit einem Vorstoß des Bündnisses „Mobilität Leipzig 700plus“ korrespondierte, aber zu einem völlig schrägen Zeitpunkt kam. Man bezog sich zwar auf die Fortschreibung des „Radverkehrsentwicklungsplanes 2010-2020“. Aber bei einem Beschluss hätte man schon mal Vorfestlegungen auch fürs lang erwartete Radwegekonzept getroffen.

Was auch SPD-Stadtrat Matthias Weber sehr seltsam fand. Deswegen hatte er extra einen eigenen Antrag geschrieben, der dieses Ansinnen aufheben sollte und die entsprechende Diskussion tatsächlich in die Debatte um das neue Radverkehrskonzept verweisen sollte.

In seiner kurzen Rade am Mittwoch im Stadtrat wurde er dann noch konkreter. Denn Leipzig hat in Sachen Radverkehr tatsächlich ein saftiges Problem. Aber es ist nicht das, das die CDU in ihrem Antrag formulierte. Radfahrer stören den Verkehr auf den Hauptstraßen nicht. Jedenfalls nicht, wenn die Radrouten ordentlich ausgebaut sind.

Aber das weiß man in Leipzig seit mindestens 2014. Seitdem wartet der komplette Stadtrat darauf, dass die Verwaltung ihr neues Radwegekonzept endlich vorlegt. Wenn eine Verkehrsart in Leipzig wirklich zulegt, dann ist es der Radverkehr. Aber auch drei Jahre später liegt die Leipziger Radnetzplanung nicht vor. Mit all ihren Implikationen von definierten Hauptnetzrouten über die so wichtigen Schnellrouten bis hin zu der von Matthias Weber angemahnten Verknüpfung mit dem SachsenNetzRad.

Bis Ende 2017, so der Antrag von Matthias Weber, sollte das alles vorliegen.

Aber nicht nur er hatte sich intensiv mit dem CDU-Antrag beschäftigt. Das Planungsdezernat hatte extra einen Verwaltungsstandpunkt formuliert, der sich mit dem Kernanliegen des CDU-Antrags befasste. Dorothee Dubrau, die Planungsbürgermeisterin, nahm dazu Stellung und betonte, dass es durchaus ein wichtiges Anliegen ist, attraktive Radrouten abseits der Hauptverkehrsrouten zu schaffen.

Was aber nicht zu dem führen werde, was die CDU in ihrem Antrag gefordert hatte: Der Umlenkung der Radfahrer von den Hauptstraßen auf die Nebenstraßen. Was Mathias Weber sogar „zynisch“ fand.

Rechtlich ist es sowieso unmöglich, was dann in seiner Stadtratsrede Sven Morlok (FDP/Freibeuter) noch einmal genüsslich betonte. Man kann den Radfahrern keine Verbotsschilder auf die Hauptstraßen stellen.

Oder mit den Worten der Verwaltungsvorlage: „Da sich jedoch viele Ziele entlang von Hauptverkehrsstraßen bzw. Magistralen befinden und diese auch für den Radverkehr aufgrund ihrer Lage im Wegenetz eine Sammelfunktion haben und oft die direkteste und schnellste Verbindung darstellen und entsprechend intensiv vom Radverkehr genutzt werden, müssen sichere Radverkehrsbedingungen für Radfahrende auch im Hauptstraßennetz vorhanden sein.“

Oder mit den Worten Sven Morloks: Radfahrer seien genau wie Autofahrer. Alternative Vorzugsrouten würden sie ganz von allein nutzen, wenn diese tatsächlich attraktiv sind. Wenn sie es nicht sind, nutzen auch die schönsten Hinweisschilder nichts: Die Routen werden nicht genutzt.

Eine im Grunde recht kurze Debatte am Ende, in der Sabine Heymann, die den Antrag für die CDU-Fraktion erläuterte, keine weitere Unterstützung im Stadtrat mehr fand und andeutete, dann könne sie den Antrag ja auch zurückziehen. Auch Daniel von der Heide hatte für die Grünen deutlich gegen den CDU-Antrag argumentiert.

Was hernach OBM Burkhard Jung als Versammlungsleiter zu der Frage brachte, ob die CDU den Antrag nun tatsächlich zurückzöge oder worüber nun abgestimmt werden sollte. Ergebnis: Sabine Heymann zog den Antrag zurück. Es musste über gar nichts abgestimmt werden.

Und wie man den Worten von Dorothee Dubrau entnehmen konnte, wird in nächster Zeit nun auch endlich mit der Vorlage zur Radnetzplanung zu rechnen sein, denn die Diskussion in den Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten hat es schon gegeben. Und da auch der Antrag von Mathias Weber nicht abgestimmt werden musste, muss das alles auch nicht noch einmal durch die Ortschaftsräte zur Diskussion laufen. Vielleicht klappt’s ja doch noch in diesem Jahr.

Die Debatte vom 20.09.2017 im Stadtrat zum Nachhören

Der Verwaltungsstandpunkt zum CDU-Antrag.

Der Änderungsantrag von Mathias Weber.

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