Wie kompliziert die Mitbestimmungsmöglichkeiten des Leipziger Stadtrates im Leipziger Nahverkehr sind, wurde in der Ratsversammlung am Mittwoch, 28. Februar, wieder deutlich. Da ging es dann – nur noch – um die Kenntnisnahme des vom ZVNL vorgelegten „Nahverkehrsplans 2017“. Im Bauausschuss waren vorher die Modalitäten noch einmal geklärt worden. Der Stadtrat wird zur Inkraftsetzung des Nahverkehrsplans im ZVNL nicht gebraucht.

Er ist nur indirekt beteiligt, wenn er zwei Mitglieder in die Verbandsversammlung des ZVNL entsendet, die dort zustimmen – oder vielleicht auch nicht. Im Januar hatte die Ratsversammlung die Kenntnisnahme des Nahverkehrsplans noch verweigert. Die Ratsfraktionen fanden die notwendigen Verbesserungen im S-Bahn-System nicht abgebildet. Selbst die Stadtverwaltung hatte kritisch angemerkt, dass gerade die Leipziger Erfordernisse nicht genügend abgebildet waren. Und sind. Es wurde ja nichts mehr geändert an diesem Plan.

Nur zwei Anträge wurden abgestimmt. Der eine als Änderungsantrag, obwohl das eigentlich so nicht geht. Deswegen hatte OBM Burkhard Jung dann auch diesen Änderungsantrag der Linksfraktion nicht vorliegen, als der zur Debatte stand. Die Linke hatte beantragt, die Geltungsdauer des neuen Nahverkehrsplans auf 5 Jahre zu begrenzen. Dann hätte 2021 mit der Evaluation des Plans begonnen werden müssen und 2023 hätte eine neue Fortschreibung vorliegen müssen.

Aber das war halt ein Änderungsantrag zur ersten Vorlage des „Nahverkehrsplans 2017“, bei dem noch eine Gremienbeteiligung enthalten war. Die Verwaltung hatte diese Vorlage durch eine neue Vorlage ersetzt, in der es nur noch um die Information des Stadtrates ging.

Videoquelle: Livestream der Stadt Leipzig

Franziska Riekewald, die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, ging auf das Grunddilemma ein: Als der Leipziger City-Tunnel 1997/1998 planfestgestellt wurde, wurden tägliche Fahrgastzahlen im Tunnel von 60.000 als Zielmarke gesetzt. Dafür ist der Tunnel auch ausgelegt. Aber von dieser Auslastung ist er noch meilenweit entfernt. Heute erreicht das Fahrgastaufkommen hier nicht mal die Hälfte. Die Kapazitäten des Systems sind also noch lange nicht ausgereizt. Was unter anderem daran liegt, dass gerade in den Leipziger Außenbezirken noch viele S-Bahn-Halte fehlen. Die Stadt Leipzig hat das kritisch angemerkt, der ZVNL hat das als Prüfauftrag teilweise übernommen, teilweise weiterdelegiert.

2008 war die Zielprognose sogar schon auf 30.000 abgesenkt worden. Obwohl Leipzig schon längst wieder wuchs. Und die Steigerungsraten, die jetzt im Plan stehen, findet nicht nur Riekewald viel zu gering. Wahrscheinlich sind sie auch nicht realistisch. Seit der Eröffnung des City-Tunnels hat sich das Fahrgastaufkommen um 20 Prozent erhöht. Da für die nächsten acht Jahre nur von 10 Prozent Steigerung auszugehen, ist wirklich nicht sehr mutig. Da steckt mehr Potenzial als 21 Millionen Fahrgäste drin. Erst recht vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten Diesel-Affäre.

So richtig zufrieden waren weder die Linken noch die Grünen mit dem, was im Bauausschuss dazu gesagt worden war.

Aber der Änderungsantrag der Linken wurde am Mittwoch dennoch aufgerufen und abgestimmt. Mit 28 Ja-Stimmen, 17 Stimmen dagegen und 10 Enthaltungen ist er eigentlich angenommen. Wobei OBM Burkhard Jung das so nicht gesagt hat. Aber er versicherte Franziska Riekewald, dass er sich in der Verbandsversammlung des ZNVL dafür einsetzen werde, dass der Nahverkehrsplan in fünf Jahren novelliert wird.

Das wichtigste Argument: Wenn man von einer zehnjährigen Gültigkeit des Plans ausgeht, kollidiert das mit dem Leipziger Bevölkerungswachstum und der Leipziger Not, den Nahverkehr zwingend leistungsfähiger zu machen. Das gelingt nur mit mehr S-Bahn-Haltepunkten und dichten Linientakten, damit eben die vielen tausend erwarteten Pendler nicht gezwungen sind, mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Und das gelingt auch nur, wenn gerade die großen Industrie- und Gewerbegebiete mit der S-Bahn gut erschlossen sind. Deswegen tauchte am Mittwoch auch kurz das Thema Haltepunkt am Güterverkehrszentrum auf.

Und da noch ein zweiter Antrag vorlag, wurde auch schon einmal herzhaft über den zweiten City-Tunnel diskutiert. Mancherorts wird der ja schon gehandelt, als wolle Burkhard Jung ihn unbedingt bauen. Das stimmt so natürlich nicht.

Videoquelle: Livestream der Stadt Leipzig

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