Nicht nur die künftige Wahl einer Doppelspitze auch im Leipziger Kreisverband stand am Wochenende auf dem Programm des SPD-Stadtparteitages. Es ging auch um das große Thema: Wie soll der Verkehr in Leipzig künftig funktionieren? Anlass für die Schwerpunktsetzung: 2020 wird das mitteldeutsche S-Bahn-Netz neu ausgeschrieben. Das wäre eine Chance, einige der Löcher zu stopfen, die 2014 noch geblieben sind und die Nutzer ärgern.

In Leitanträgen sprach sich der Stadtparteitag der SPD für einen umfangreichen Ausbau des Leipziger S-Bahnnetzes und dessen bessere Integration in den Tram- und Busverkehr aus. Stadtverbandsvorsitzender Holger Mann sagte dazu: „Wir wollen Leipzig bewegen, es lebenswert und nachhaltig gestalten. Dazu soll neben dem Ost-West-City-Tunnel die Erschließung eines S-Bahnrings vorangetrieben werden. Neben neuen Haltepunkten im Stadtgebiet, soll der Wilhelm-Leuschner-Platz zum zweiten zentralen Umsteigepunkt entwickelt werden. Nur so lassen sich die Verkehrsströme der Zukunft nachhaltig bewältigen.“

Im Detail war man dann ganz und gar nicht sparsam und schoss auch über das 2018 vom Stadtrat beschlossene „Nachhaltigkeitsszenario“ deutlich hinaus.

Und das, obwohl auch OBM Burkhard Jung dabeisaß, der die Kosten der einzelnen, 2018 behandelten Szenarien ja kennt. Das „Nachhaltigkeitsszenario“ (das vom neuen Nahverkehrsplan übrigens noch nicht ansatzweise abgebildet ist) war dabei schon ein richtiger Qualitätssprung, aber es war nicht das Szenario mit den höchsten Investitionskosten. Das war das „Gemeinschaftsszenario“, in dem auch der Bau des immer wieder von interessierten Kreisen ins Gespräch gebrachte Ost-West-Tunnel eine Rolle spielt.

Dieser Tunnel wird aber deutlich teurer als der 2013 fertiggestellte City-Tunnel, der mit 930 Millionen Euro durchaus im Rahmen blieb, wenn man die Schönrechnerei in der Anfangszeit des Projekts einfach mal außen vor lässt.

Aber während im Nachhaltigkeitsszenario die zusätzlichen Investitionen in den ÖPNV bis 2030 auf 725 Millionen Euro geschätzt wurden, stehen beim „Gemeinschaftsszenario“ 1,38 bis 3,92 Milliarden Euro in der Rechnung. Die Differenz von 2,5 Milliarden Euro entfallen praktisch auf den immer wieder verlangten Ost-West-Tunnel, der deutlich schwierigeres Gelände durchqueren muss als der jetzige Nord-Süd-Tunnel, und der – wenn es ein Straßenbahntunnel wird – auch noch den City-Tunnel unterqueren muss.

Aber natürlich stimmt das Anliegen der SPD: „Leipzig soll S-Bahn-Stadt werden.“

Nur halt die Folgerung wird selbst der Freistaat Sachsen nicht bezahlen können. „Daher brauchen wir einen Ost-West-Tunnel und die Aktivierung des zu großen Teilen bereits vorhandenen S-Bahn-Rings.“

Auch der S-Bahn-Ring würde erhebliche zusätzliche Investitionen verlangen.

Viel realistischer sind die anderen Forderungen der SPD: „Wir setzen uns für zusätzliche Züge auf gut ausgelasteten S-Bahn-Linien ein und wollen den Takt im Citytunnel verdichten, damit mehr S-Bahnen durch Leipzig fahren können. Ein leistungsfähiges S-Bahn-Netz braucht gezielt zusätzliche Stationen mit attraktiven Umsteigemöglichkeiten. An- und Abfahrtszeiten von Bussen und Straßenbahnen müssen besser auf die S-Bahn abgestimmt werden. Priorität hat für uns eine Station zwischen Messe und Flughafen. Wir unterstützen die Anbindung der Gegenden im Leipziger Umland, die bisher noch nicht mit der S-Bahn erreichbar sind. Das bedeutet ein besseres Angebot in Richtung Zeitz, Döbeln über Grimma, Chemnitz und über Markranstädt nach Merseburg. Zudem wollen wir den Lückenschluss zwischen Grünau und Markranstädt.“

Denn der ganze Traum vom zweiten Tunnel macht keinen Sinn, wenn noch nicht einmal die Potenziale im jetzigen Netz genutzt werden. Das trifft auch auf das Straßenbahnnetz zu.

„Um mehr Menschen zu befördern, brauchen wir neue Strecken“, stellt die Leipziger SPD fest. „Wir werden im neuen Stadtrat Druck machen, dass die Planungen für neue Strecken schnellstmöglich abgeschlossen werden. Dazu gehören u. a. die Südtangente von Grünau über den Schleußiger Weg zum Technischen Rathaus, eine Verbindung nach Mölkau, der Lückenschluss zum S-Bahnhof Sellerhausen und die Streckenverlängerung nach Liebertwolkwitz. Wir werden das Straßenbahnnetz fit für die Zukunft machen. Streckenstilllegungen lehnen wir ab. Bis 2024 soll es keine sanierungsbedürftigen Langsamfahrstellen mehr geben und neu hinzukommende sollen innerhalb eines Jahres saniert werden.“

Erstaunlich dabei: Der umtriebige Ortschaftsrat von Mölkau hat sich gerade per Antrag zum Nahverkehrsplan verbeten, eine Straßenbahn bis nach Mölkau zu verlegen. Man will lieber bei einer Busverbindung bleiben.

Da kann man gespannt sein, was nun zur Fortschreibung des Nahverkehrsplans tatsächlich im Stadtrat beschlossen wird und ob Leipzig den gewünschten S-Bahn-Ausbau auch im ZVNL so durchsetzen kann.

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