Dass der Freistaat Sachsen im Jahr 1990 ganz und gar nicht als modernes Bundesland startete, sondern einige völlig veraltete Vorstellungen aus den Verfassungen der alten Bundesländer übernahm, war auch bei der über Jahre dauernden und ziemlich chaotischen Diskussion um das Bildungsticket sichtbar geworden. Seit August 2021 gibt es das Ticket endlich in Sachsen. Und – wie erwartet – findet es auch großen Zuspruch.

Denn bei vielen Themen der demokratischen Teilhabe ist eine Stärkung lokaler und regionaler Strukturen angeraten. Aber im ÖPNV nur bedingt. Nicht etwa, was die kommunalen Verkehrsunternehmen angeht – die sind in der Kontrolle lokaler demokratischer Gremien gut aufgehoben. Aber wenn es um die Organisation des regionalen und landesweiten ÖPNV geht, sind lokale Entscheidungsgremien geradezu kontraproduktiv.Und Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) bekam es in aller Härte zu spüren, als er nicht nur begann, für eine landesweite Verkehrsgesellschaft zu werben, sondern auch für ein landesweites Bildungsticket. Er machte sehr schnell die Erfahrung, dass die fünf in Sachsen etablierten Verkehrsverbünde um ihre jeweils eigenen Tarifmodelle kämpften und die jeweils verantwortlichen Landräte den Kampf um Bildungsticket und Landesverkehrsgesellschaft auch als einen Machtkampf auffassten, in dem ihnen der Verkehrsminister drohte, Einfluss wegzunehmen.

Doch am Ende stand ein tragbarer Kompromiss. Im Juli wurde dann die Einführung des Bildungstickets auch im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (zu dem auch Leipzig gehört)  entsprechend zelebriert. Seit dem 1. August 2021 können alle sächsischen Schülerinnen und Schüler mit dem BildungsTicket für monatlich 15 Euro im Abo durch ihren Verkehrsverbund fahren.

Das BildungsTicket

Das BildungsTicket kostet einheitlich 15 Euro pro Monat und gilt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln des jeweiligen Verkehrsverbundes. Schülerinnen und Schüler können das Ticket 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche nutzen. Hierfür stellt der Freistaat jährlich 50 Mio. Euro zur Verfügung.

Das BildungsTicket wird als Abo für 12 Monate ausgegeben und kann online oder direkt mit einem Verkehrsunternehmen im jeweiligen Verbund abgeschlossen werden. Der Antrag auf das BildungsTicket-Abo muss bis zum 10. des Monats vor dem gewünschten Vertragsbeginn gestellt werden. Dazu wird lediglich eine Bestätigung der Schule benötigt.

Die Schülerinnen und Schüler bekommen das BildungsTicket direkt nach Hause geschickt. Bei der Fahrausweiskontrolle ist das BildungsTicket und die Kundenkarte oder der Schülerausweis vorzuzeigen.

Die aktuellen Nutzerzahlen

Und knapp vier Monate später meldet das Verkehrsministerium nun: „Die ersten jetzt verfügbaren Nutzerzahlen zeigen, dass das Ticketangebot sehr gut angenommen wird. Neben den derzeit noch rund 58.000 bestehenden regionalen Schülertickets wurde das BildungsTicket schon rund 118.000 Mal abonniert. Die Verkehrsverbünde gehen davon aus, dass die Nachfrage auch weiterhin zunehmen wird. So stieg allein im Gebiet des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO) die Zahl der BildungsTicket-Nutzer von September zu Oktober um weitere 13 Prozent auf 62.700 an.“

Verkehrsminister Martin Dulig lässt sich bei der Gelegenheit mit den Worten zitieren: „Wir haben lange für die Umsetzung des BildungsTickets gekämpft, um damit eine eigenständige und klimagerechte Mobilität der Schülerinnen und Schüler im Freistaat Sachsen zu unterstützen. Mit dem BildungsTicket haben wir die Chance, junge Fahrgäste langfristig und über ihre Ausbildung hinaus an den ÖPNV zu binden. Und nicht zuletzt unterstützen wir Familien bei der Bewältigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse. Dass das günstige und umfassend gültige BildungsTicket seit diesem Schuljahr nicht nur verfügbar ist, sondern bereits auch rege genutzt wird, freut mich daher sehr.“

SPD: Das ist unser Kind

Dass das BildungsTicket ein politisches Projekt vor allem der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag war, betonte am Mittwoch, 24. November, auch der Verkehrspolitiker der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Henning Homann, noch einmal.

„Dass das Bildungsticket ein Erfolg ist, überrascht uns nicht“, erklärte Homann zu den Abo-Zahlen von Verkehrsminister Dulig (SPD). „Es ist kostengünstig, attraktiv und obendrein gut fürs Klima. Ich freue mich natürlich, dass so viele Schüler/-innen vom Bildungsticket Gebrauch machen. Die SPD-Fraktion hat auch lange dafür gearbeitet, dass das nun endlich möglich ist.“

Zu den noch auftretenden Problemen, zum Beispiel beim verbundübergreifenden Schülerverkehr sieht Homann durchaus noch die anstehende Arbeit für alle Beteiligten: „Uns sind die Probleme bekannt. Und wir arbeiten daran, sie gemeinsam mit Verkehrsministerium und Verbünden zu lösen. Das wird auch beim nächsten Haushalt eine Rolle spielen.“

Das Kompetenzcenter Sachsentarif

Dass der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) vom Ministerium so besonders hervorgehoben wurde, hat natürlich auch damit zu tun, dass dort das „Kompetenzcenter Sachsentarif“ angesiedelt ist, mit dem die Vorarbeit für die von Dulig angestrebte Schaffung von sachsenweiten Tarifen vorangetrieben wird.

„Dank der engen Zusammenarbeit von Unternehmen, Verbünden, den kommunalen Verwaltungen und dem Freistaat ist es gelungen, das Ticket in wenigen Monaten einzuführen“, betont Burkhard Ehlen, Geschäftsführer des VVO, bei dem das Kompetenzcenter Sachsentarif angesiedelt ist. „Mit dem einheitlichen Marketing unter www.dein-bildungsticket.de wollen die sächsischen Verbünde die Bekanntheit und die Nutzung nun weiter steigern.“

Die Zahlen aus dem MDV

Und wie sieht es im Gebiet des  Mitteldeutschen Verkehrsverbunds (MDV) aus, zu dem auch Leipzig gehört? – “Wir bieten im MDV-Gebiet seit Längerem verschiedene günstige
Schülerprodukte an. Zum 1.8. dieses Jahres haben wir das BildungsTicket im sächsischen MDV-Gebiet neu eingeführt. Rund die Hälfte der bisher 41.000 InhaberInnen eines MDV-Schülerproduktes ist seitdem in das neue BildungsTicket gewechselt. Gute 3.500 komplette Neuabschlüsse können wir zusätzlich verzeichnen. Insgesamt sind das rund 22.500
BildungsTickets im MDV-Gebiet mit Stand Oktober”, teil und Pressesprecherin Juliane Vettermann mit. “Insgesamt unterstreichen diese Verkaufszahlen die Marktnachfrage im
Bereich ‘Junge Leute Tickets’ deutlich, wobei die Nachfrage in Leipzig deutlich höher als in den beiden Landkreisen Leipzig und Nordsachsen ist.

Im MDV-Gebiet gab es bisher bereits sehr günstige Schülertarife, wie bspw. die Schülerregionalkarte, bei der ein durchschnittlicher Eigenanteil von 10 bis 12 Euro im Monat zu leisten war bei voller Nutzung des ÖPNV im gesamten Landkreis der SchülerInnen. Daher ist gut die Hälfte der KundInnen bisher nicht in das BildungsTicket gewechselt. In den
kommenden Monaten und mit Blick auf das nächste Schuljahr erwarten wir hier jedoch weitere Wechselbewegungen und Neuabschlüsse.”

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