Eigentlich ist es nicht wirklich das Thema der Zeit und das Hamburg des Jahres 2002 nicht wirklich ein Vorbild für Leipzig 2022. Aber noch bilden Autofahrer die Mehrheit im Leipziger Stadtrat. Und so feierte CDU-Stadtrat Falk Dossin am 18. Mai einen kleinen Erfolg, als der von ihm vorgetragene Antrag „Für einen flüssigen und sicheren innerstädtischen Verkehr“ eine knappe Mehrheit errang.

Der Titel ist irreführend, denn hier geht es nicht um ein wirklich flüssiges Verkehrskonzept, das es mit der Priorisierung des Kfz-Verkehrs schlicht nicht geben wird. Und da staunte man schon, dass weder von Grünen noch Linken Einspruch kam, weil nichts so sehr aus der Zeit gefallen wirkt wie eine Beförderung des motorisierten Verkehrs, auch wenn Falk Dossin suggestiv von einem Auto erzählte, das – statt 2 Minuten an der Ampel zu warten – flott abbiegen kann und damit 2 Minuten weniger Sprit verbraucht und 2 Minuten weniger CO₂ ausstößt.

Eigentlich war der Sinn des Grünpfeils ein völlig anderer

Er nutzte die Zeit am Pult auch, um die ganze Vorgeschichte des Grünpfeils zu erzählen, der 1978 in der DDR eingeführt und 1990 fast schon einmal komplett abgeschafft wurde, dann immer wieder Galgenfristen bekam und zuletzt in einigen westdeutschen Städten Einzug hielt, um den Verkehr etwas flüssiger zu machen.

Dabei war seine Einführung ursprünglich ganz gegensätzlich gemeint, wie auf Wikipedia nachzulesen: „In der Deutschen Demokratischen Republik wurde der Grünpfeil, hier grüner Pfeil genannt, bereits 1978 eingeführt, allerdings ohne Anhaltepflicht. Zuvor war in der DDR das Rechtsabbiegen bei Rot generell erlaubt gewesen (so wie heute noch in den USA, siehe unten).“

Der Pfeil begrenzte also eigentlich die Zahl der Kreuzungen, an denen dann noch bei Rot abgebogen werden durfte. Mit flüssigem Verkehr hatte er nichts zu tun.

Diese Rolle wuchs ihm erst zu, als Großstadt um Großstadt in den Automassen zu ersticken drohte und sich an Kreuzungen immer mehr Rückstau aufbaute. Was dann – wie Dossin erzählen konnte – auch die Hansestadt Hamburg 2002 dazu brachte, Grünpfeile zu montieren. Was er nicht erzählte, kann man bei Wikipedia nachlesen: „In Hamburg waren zwischen 2002 und 2006 zunächst 362 Grünpfeile montiert worden, nach einem Rückbau an zahlreichen Kreuzungen waren 2014 aber nur noch 191 vorhanden.“

Denn auch in Hamburg machte man dieselben Erfahrungen wie in Leipzig: Der flüssiger gewordene Abbiegeverkehr ging mit einer erhöhten Zahl von Unfällen an einigen dieser Kreuzungen einher, sodass über 170 Pfeile wieder abgebaut werden mussten.

Außer an der Rohrteichstraße kein Rückstau

Dass das bei den seit März vom Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) demontierten Grünpfeilen an diversen Leipziger Kreuzungen notwendig war, bestritt Dossin auch nicht. Der Antrag beinhaltete aber trotzdem den Auftrag an die Verwaltung, an anderen Kreuzungen die Anbringung von Grünpfeilen zu prüfen.

Was aber – wie Verkehrsbürgermeister Thomas Dienberg betonte – schon Verwaltungshandeln ist. Das hätte also nicht extra beschlossen werden müssen.

23 Grünpfeile hatte das Verkehrsdezernat im Frühjahr demontiert. An der Rohrteichstraße, wo es deshalb tatsächlich zu Rückstau gekommen war, wurden nachträglich die Schaltzeiten der Ampeln verändert. An den anderen Kreuzungen hatte auch das VTA keinen entsprechenden Rückstau ausmachen können.

Indem dann aber eine Stadtratsmehrheit von 28:23 Stadträt/-innen dem CDU-Antrag zustimmte, hat das VTA jetzt wieder einen Packen Arbeit mehr auf den Tisch bekommen.

Was man nicht verstehen muss, nachdem nun seit Monaten über den Mangel an Verkehrsplanern diskutiert wurde. Aber irgendwie hängt am Grünpfeil die Seele des eiligen Autofahrers.

Arbeitsauftrag Nr. 1 lautet: „Die Stadtverwaltung prüft die verkehrlichen Auswirkungen infolge der unter Bezugnahme auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) im Februar/März demontierten Grünpfeile und legt dem Stadtrat eine Übersicht mit besonderen Stauschwerpunkten bis zum III. Quartal 2022 vor.“

Arbeitsauftrag Nr. 2: „Auf Grundlage des Prüfergebnisses legt die Stadtverwaltung ein Maßnahmenpaket für besonders betroffene Kreuzungen vor, das die Beschleunigung des Verkehrs ermöglicht und lange Stehzeiten verhindert. Hierbei sind insbesondere für Rechtsabbieger geregelte und sichere Lösungen wie Rechtsabbiegerspuren und -ampeln zu prüfen.“

Warten wir also auf das Prüfergebnis.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar