Die LVB wollen besser werden. Das müssen sie auch. Seit der letzten großen Liniennetzreform sind 22 Jahre (Straßenbahn) und 13 Jahre (Bus) vergangen. Die Stadt ist seitdem um über 125.000 Einwohner/-innen gewachsen. Und das merkt man schon lange. Nicht nur im Berufsverkehr. Doch die Entlastung des Netzkerns ist in der jetzt angekündigten Reform unter dem Titel „Netz24“ noch nicht vorgesehen. Dafür gibt es eine Erweiterung des Angebots.

Ab 2021 wurden die Leipziger direkt gefragt, welche Vorschläge sie für ein „Liniennetz der Zukunft“ machen würden. Ergebnis ist nun die Stadtratsvorlage „Liniennetz der Zukunft – Zentraler Baustein zur Umsetzung des Nahverkehrsplans“, die jetzt in der jüngsten Dienstberatung des Oberbürgermeisters bestätigt wurde. Der Stadtrat soll sich im Dezember mit den darin enthaltenen Angebotsanpassungen befassen.

„Ich freue mich, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe das Angebot für die Bürgerinnen und Bürger in mehreren Schritten verbessern. Damit wird die Leistungsfähigkeit des ÖPNV insgesamt gesteigert und die Mobilitätsstrategie der Stadt spürbar“, sagte Thomas Dienberg, Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig, bei der Gelegenheit.

Was soll sich ändern?

Von 2024 bis 2026 planen die LVB auf den verschiedensten Straßenbahn- und Buslinien Angebotsveränderungen, so zum Beispiel die Ausweitung des 10-Minuten-Taktes bis 20 Uhr oder auch Fahrtwegerweiterungen auf einzelnen Buslinien, um den Wirtschaftsverkehr zu stärken und Industriegebiete besser zu erreichen, fasst die Stadt die Vorlage zusammen.

„Nach einer Phase, in der sich Leipzigerinnen und Leipziger intensiv beteiligen konnten und wir gemeinsam mit den Menschen Lösungen erarbeitet haben, wollen die Verkehrsbetriebe mit dem Angebotskonzept den Wirtschaftsstandort weiter stärken und Nachbarschaften verbinden. Das bedeutet Lebensqualität und Klimaschutz“, erklärt Ulf Middelberg, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe.

In den nächsten drei Jahren sollen 45 neue Haltestellen im gesamten Stadtgebiet zusätzlich bedient werden, für zehn Wirtschaftsstandorte Direktverbindungen entstehen und sechs neue Flexa-Gebiete rund zehn Ortsteile an Stadtrandlagen besser an das Nahverkehrsnetz anbinden. Mit der Verdichtung von Takten sollen mit der Ausweitung des 10-Minuten-Taktes und neuen Verbindungen bei Straßenbahn und Bus neue Fahrgäste gewonnen werden.

Was heißt das konkret?

Im Rahmen des Projekts Netz24 wurde ein Zielnetz – das „Liniennetz der Zukunft“ – erarbeitet, welches in mehreren Schritten, beginnend ab 2024, umgesetzt wird. Unmittelbar soll eine „Steigerung der Verkehrsnachfrage um 10 Millionen Fahrgäste im Jahr“ ermöglicht werden, außerdem sollen „die Kapazitäten für mindestens insgesamt 20 Millionen zusätzliche Fahrgäste im Jahr“ geschaffen werden.
Ausgangspunkt sind die zuletzt rund 153 Millionen Fahrgäste im letzten Vor-Corona-Jahr 2019.

Die LVB versprechen sich „eine Steigerung des Modal Split im ÖPNV um 1,6 Prozentpunkte unmittelbar nach der vollständigen Umsetzung der Angebotserweiterungen“. Das ist zumindest irritierend. Im Ergebnis der letzten Mobilitätsbefragung in Leipzig 2018 (also vor ewigen Zeiten) erreichte der ÖPNV im Modal Split der Stadt nur 16 Prozent. Mit 1,6 Prozent mehr käme er auf 17,6 Prozent.

Aber mit der 2018 beschlossenen Mobilitätsstrategie soll er eigentlich 23 Prozent erreichen. So gesehen ist der niedrigere Wert eine Einsicht in die Realität, in der schlichtweg die Gelder fehlen, um den ÖPNV nachhaltig auszubauen. Das wäre nach der Rechnung von 2018 zusätzliche 843 bis 991 Millionen Euro allein für den ÖPNV gewesen.

Dazu müssten Bund und Land beitragen. Aber dort gilt nach wie vor das Primat des Automobils. Was für ein Unternehmen wie die LVB dann klare Wettbewerbsnachteile ergibt. Nicht nur durch fehlende Subventionen.

„Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit mit dem ÖPNV in Leipzig liegt dabei im Städtevergleich mit knapp 19 km/h unter dem Durchschnitt, der Radverkehr leicht über dem Durchschnitt und die Reisegeschwindigkeit für Fahrten mit dem PKW trifft mit knapp 35 km/h in etwa den Durchschnitt der Vergleichsstädte“, heißt es in der Stadtratsvorlage.

„Damit ergibt sich für den ÖPNV der ungünstige Umstand, dass ein Weg mit dem ÖPNV im Mittel zeitlich etwa das 1,9-fache länger dauert als vergleichsweise mit PKW. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Planung von Taktzeiten, Direktfahrmöglichkeiten und auch die Reisegeschwindigkeit im ÖPNV.“

Jetzt werden noch mehr Fahrerinnen und Fahrer benötigt

Das wird mit den jetzt geplanten Verbesserungen natürlich noch nicht erreicht.

Die auch nicht ohne zusätzlichen Aufwand zu haben sind. Das geht beim Fahrpersonal los: „Aufgrund des mit etwa 15 % Leistungsaufwuchs im Fahrpersonalbedarf besonders großen Angebotsausbaus und des Umfangs der notwendigen verkehrsorganisatorischen bzw. baulichen Maßnahmen für die neuen Liniennetzelemente im Busbereich werden die Maßnahmen schrittweise in drei Stufen zum jeweiligen Fahrplanwechsel im Dezember der Jahre 2024 bis 2026 umgesetzt.“

Die LVB versuchen es mit etwas Lifestyle. Foto: Ralf Julke
Die LVB versuchen es mit Lifestyle. Foto: Ralf Julke

Für jede Linienverbesserung braucht man zusätzliche Fahrerinnen und Fahrer. Und das in einer Zeit, wo es sowieso schon schwerfällt, das benötigte Fahrpersonal zu rekrutieren.

Gegenüber dem Regelfahrplan 2021/2022 kommt es zu einem etwa 15 % höheren Fahrpersonaleinsatz und damit im Gegenzug zu 17 % mehr Zugkilometern im Fahrplan.

Künftig sollen dann insgesamt 92 % der Leipziger Einwohner gut vom ÖPNV erschlossen sein. „Dies entspricht einem Anstieg von 4 Prozentpunkten oder 26.000 Einwohner. Zudem werden etwa zehn Wirtschaftsstandorte durch neue Direktverbindungen und dichtere Takte besser angebunden“, heißt es in der Vorlage. Auch das eine uralte Forderung, die insbesondere die Industriegebiete im Norden betrifft, welche durch besser organisierte Buslinien besser erreichbar werden sollen.

Die größten Erweiterungen gibt es im Buslinienangebot vornehmlich in den Randbereichen der Stadt, wo schon bei der Diskussion um den Nahverkehrsplan 2019 klar wurde, dass das verfügbare Angebot der LVB nicht ausreicht. Aber geradezu überfällig wirkt auch die Verlängerung von existierenden Straßenbahnlinien wie der Linie 14, die künftig bis nach Eutritzsch fährt und endlich auch die Witttenberger Straße wieder anschließt.

Oder die der Linie 12, die künftig nicht mehr als Stummel am Johannisplatz enden soll, sondern über die Prager Straße und die Riebeckstraße dann nach Stötteritz weiterrollt. Die Verlängerung der Linie 12 gibt es schon 2024, die der Linie 14 soll im Jahr 2025 folgen.

Die Umsetzungsstufen

Umsetzungsstufe 1 umfasst alle Maßnahmen, die bis einschließlich Dezember 2024 umgesetzt werden.

Verbessertes Busnetzkonzept Nordraum (Industriepark Nord und GVZ)
bessere Angebote im Spätverkehr, z. B. Verlängerung 10-min-Takt bis 20:30 Uhr
neuer Quartiersbus Anger-Crottendorf/Täubchenweg
neue Busverbindung Lindenau – Leutzsch (Linie 74)
verbesserter Takt Lindenau – Rückmarsdorf
Flexa-Erweiterung Mölkau-Süd, Johannishöhe und Rückmarsdorf
Erweiterung Linie 12 als zweite Straßenbahnlinie bis Stötteritz

Umsetzungsstufe 2 umfasst alle im Dezember 2025 geplanten Maßnahmen mit dem Fokus auf die Fortsetzung der Taktverdichtung bei Straßenbahn- und Buslinien und der Erweiterung von Straßenbahnlinien.

Fortsetzung Taktverdichtungen bei Bus/Straßenbahn: werktags früh und Sonnabend früh
Erweiterung Linie 14 ab Stadtzentrum als zusätzliche Linie nach Eutritzsch
Taktverdichtung Buslinie 79 auf 10-min-Takt zwischen Connewitz und Paunsdorf mit Neuerschließung Paunsdorf/Permoserstraße
Erweiterung Flexa-Gebiet Südost bis Engelsdorf und Sommerfeld, Erweiterung Flexa-Gebiet Nord bis Göbschelwitz, Hohenheida und Gottscheina

Umsetzungsstufe 3 umfasst alle im Dezember 2026 geplanten Maßnahmen, mit denen umfangreiche Veränderungen im Busnetz und verbesserte Quartierserschließungen einhergehen.

stark erweitertes Angebotskonzept für Grünau mit neuen Stadtteildirektverbindungen und Ersatz der Linie 66
neue Buslinie Grünau – Schleußig – Reudnitz – Schönefeld
Verlegung Linie 89 über Augustusplatz nach Anger-Crottendorf mit Integration des 2024 eingeführten Quartiersbus Anger-Crottendorf
Neuerschließung Media-City (mit einer anderen Linienführung der Linie 70), dafür wird die Richard-Lehmann-Straße abgeklemmt
Weiterentwicklung Busnetz Industriepark Nord
neue Buslinie Thekla – Heiterblick – Engelsdorf
Taktverdichtung und Erweiterung Linie 77 zum Hauptbahnhof
neues Flexa-Gebiet Nordost mit Mockau, Thekla, Plaußig und Portitz, welches die Linie 83 ersetzt

Die kompletten Vorhaben im „Liniennetz der Zukunft“ findet man hier als PDF.

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Es gibt 4 Kommentare

@TLpz
Das würde mich sehr verwundern.
Ich war selbst dabei, als der Quartiersbus testweise durchs Viertel fuhr. Das war ein Mini-Bus, vielleicht so 10 Plätze. Der passte sogar unter die Brücke an der Ex-Feuerwache, aber hatte in den restlichen Straßen auch so seine Not.
Es dürfte technisch nicht möglich sein, die Gregor-Fuchs-Straße mit einem regulären Linienbus zu befahren und am westlichen Ende noch zu wenden. Auch die T.-Neubauer-Straße ist für einen Bus dieser Größe – inkl. Gegenverkehr – zu schmal.
Außer: man stattet die ganzen Straßen mit einem beidseitigen Halteverbot aus.

Ein “Quartiersbus” muss meiner Meinung nach auch nicht viel größer sein als der Testbus, nur etwas häufiger fahren. Das ist ein Kompromiss: Es geht um die Anbindung an das ÖPNV-Netz, was teilweise bis zu 1000m von der nächsten Haltestelle entfernt liegt.
Der Versuch, diesen Bus in eine normale Linie einzubinden und die gängigen Linienintervalle zu bedienen, wird meiner Meinung nach nicht funktionieren.

@Christian
> “wird mit diesem Kleinbus (etwas anderes geht ja gar nicht)”
Irrtum! Spätestens mit der angedachten Verknüpfung der Linie 89 wird es sich um einen normalen Bus handeln.

@TLpz, Sie haben den Finger drauf.
Der Quartiersbus AC – lange von den Bürgern AC erwartet.
Gerade die S-Bahn als Möglichkeit, AC anzubinden, wird völlig ignoriert!
Und wie so fährt der Bus nicht bis ans östliche Kerngebiet AC am Ende der T.-Neubauer-Straße?
Sinnvoll wäre die Vergrößerung der Schleife bis zur Tankstelle HEM, S-Bahn-Haltestelle, dann durch die Wichernstraße in die T.-Neubauer-Straße. Dann bräuchte man auch keine Buswendeschleife, wie im ‘Ausblick’ zu lesen.
Das neue Gymnasium wird mit diesem Kleinbus (etwas anderes geht ja gar nicht) wohl nicht zu erschließen sein.

Ui, da hat die LVB aber einen rausgehauen! Angesichts von Klimanotstand, verabschiedetem Mobilitätsszenario und seit Jahren wachsender Bevölkerungszahl hätte man dies eigentlich schon viel früher erwarten müssen. Mal schauen, wie weit hier alles umgesetzt werden kann, auch hinsichtlich der personellen Reserven. Einige interessante Ansätze sind dabei, trotzdem fehlen wiedermal ein paar Basics. Zum Beispiel die Ausarbeitung der Funktion der Buslinien als Zubringer zur S-Bahn.
Meine Meinungen zu einigen Vorhaben:
Quartierbus Anger-G: Grundsätzlich gut, aber den S-Bahn- Haltepunkt umfährt der Quartierbus leider großzügig. Auch hätte man es vielleicht ermöglichen können, den Schulcampus Ihmelstraße anzubinden.
Linie 12 nach Stötteritz: Gut, die Verbindung ins Zentrum dürfte 1-2 Minuten schneller sein. Der lapidar formulierte Entfall der 4E ist allerdings weniger schön, denn diese ist nachmittags immer bis Breite Str. sehr gut gefüllt. Inwieweit sich das auf die spätere Linie 89 verteilt muss man sehen.
Linie 74 nach Leutzsch: Interessant, aber mit einigen Knackpunkten. Warum perspektivisch über die enge G.-Schwarz-Str? Warum bleibt man nicht in der W.-Zipperer-Str. mit Schlenker zum Diako? Und warum verendet die Linie wieder 500m von einem S-Bahnhof entfernt? Gleichzeitig spart man sich damit scheinbar die längst angedachte 7E. Die hätte auch gleich den Wegfall der 4E etwas kompensieren können…
Linie 79E: Ein Stückchen Neu-Paunsdorf hätte man noch mitnehmen können, anstatt an der Permoser Str. nur dran vorbeizufahren.
Linie 89: Endlich nicht mehr über den Markt! Allerdings befürchte ich, das die Haltestellen am Augustusplatz “irgendwo” am Rand zu finden sein werden. Erster Schritt zu einer Süd-Ost-Kurve dort.
Linie 64/70: top
Trotzdem fehlen weiterhin eine bessere Anbindung der Str. des 18. Oktober (hätte man mit Linie 64 einrichten können), zentrumsnahe Tangentialverbindungen (z. Bsp. durch die Nürnberger Str.) oder ein Bus direkt durch das Uniklinikum (mit E-Bussen sollte das eigentlich kein Problem sein).

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