Die Gewerkschaft ver.di ruft die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Sachsen am Freitag, dem 1. März, zu einem ganztägigen Warnstreik auf. In Leipzig und Dresden wird der Streik auch noch auf den 2. März ausgeweitet. Für den 28. Februar war in Chemnitz die zweite Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag Nahverkehr in Sachsen geplant. Bei dieser sollte nach der bisherigen Abwehrhaltung der Arbeitgeber eine erste inhaltliche Annäherung erreicht werden.

Der Gesprächstermin wurde durch den Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Sachsen jedoch wenige Stunden vorher einseitig abgesagt.

Dazu sagt Paul Schmidt, Verhandlungsführer von ver.di: „Aktuell finden in allen Bundesländern Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen im ÖPNV statt. Die Gespräche laufen überall schleppend, teilweise gibt es echte Verweigerungshaltungen der Arbeitgeber. Wegen der daraus folgenden Streiks im Bundesgebiet in Sachsen nicht einmal zu verhandeln, erschwert eine gütliche Lösung zusätzlich.“

„Die Tarifkommission war gut vorbereitet. Im Rahmen eines Sondierungsgespräches mit dem KAV wurde über erste Möglichkeiten der Annäherung diskutiert. Nun müssen wir aber feststellen, dass die Arbeitgeber nicht nur die dringend nötige Entlastung verweigern, sondern darüber nicht mal mit uns sprechen wollen“, ergänzt Schmidt.

Lohnsteigerungen allein reichen nicht

Der Verweis auf die deutlichen Lohnsteigerungen läuft dabei nach Ansicht des Gewerkschafters ins Leere. Diese seien durchaus bemerkenswert. Gleichzeitig wurde damit lediglich die Lücke zu anderen Bundesländern und dem öffentlichen Dienst geschlossen, nachdem in Sachsen über viele Jahre hinweg die schlechtesten Löhne bundesweit gezahlt wurden. Doch mit Geld lässt sich die Gesundheit der Kollegen nicht abkaufen.

Die Personalsituation gestalte sich in vielen Verkehrsunternehmen dramatisch. Oft könnten frei werdende Stellen gar nicht oder nur noch unter größten Mühen nachbesetzt werden. Dies führe zu massiver Mehrbelastung der restlichen Beschäftigten. Im Ergebnis seien die Krankenstände deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft, so die Gewerkschaft.

Dadurch fielen immer wieder Fahrten aus oder muss das Leistungsangebot insgesamt eingeschränkt werden. Damit sei die Verkehrswende im Ganzen in Gefahr. Perspektivisch werde sich diese Situation weiter zuspitzen.

Da es seitens der Arbeitgeber keinerlei Bereitschaft gegeben habe, über Fragen der Entlastung zu verhandeln, ruft ver.di die Beschäftigten der kommunalen Verkehrsunternehmen in Chemnitz, Plauen und Zwickau am 1. März zu einem ganztägigen Warnstreik auf. Die Beschäftigten in Leipzig und Dresden werden vom 1. März bis 2. März zu einem 48-stündigen Ausstand aufgerufen.

Folge langjähriger Sparpolitik

Jahrelang wurden im sächsischen Nahverkehr die geringsten Löhne bundesweit gezahlt. Mit dem im ersten Quartal stattfindenden Lohnsteigerungen schließen die Beschäftigten nun zum Lohnniveau des öffentlichen Dienstes auf. Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) selbst schätzt, dass jährlich 4.000 bis 6.000 Beschäftigte aus den ÖPNV-Unternehmen ausscheiden und derzeit nur mit größter Mühe nachbesetzt werden können.

Diese Zahlen stützt das Statistische Bundesamt. Es hat errechnet, dass die Beschäftigten im ÖPNV überdurchschnittlich alt sind. Während der Anteil der Beschäftigten, die 55 Jahre und älter sind, in der Gesamtwirtschaft bei rund 26 Prozent liegt, beträgt dieser Wert im Nahverkehr rund 40 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der Beschäftigten, die 35 Jahre und jünger sind, mit 14 Prozent gerade einmal halb so hoch wie im Durchschnitt anderer Branchen.

Die Forderungen in der Tarifrunde

▪ Erhöhung des Urlaubsanspruchs auf 33 Arbeitstage
▪ Einführung von Zeitzuschlägen für Samstagsarbeit in Höhe von 20 Prozent
▪ Erhöhung der Zeitzuschläge für Sonntagsarbeit auf 50 Prozent verbunden mit der Möglichkeit, diese in zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln
▪ Erhöhung der Zeitzuschläge für Nachtarbeit auf 25 Prozent verbunden mit der Möglichkeit, diese in zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln
▪ Verkürzung der Stufenlaufzeiten auf jeweils 2 Jahre
▪ 5 zusätzliche Regenerationstage für Kombifahrer/-innen
▪ je 1 zusätzlicher Regenerationstag für 100 geleistete Nachtstunden (jahresübergreifend)
▪ Anerkennung der Wegezeiten als Arbeitszeit, wenn Anfangs- und Endort des Dienstes nicht identisch sind
▪ Streichung der Ausnahmen bei der ununterbrochenen Ruhezeit zwischen zwei Dienstschichten
▪ Berechnung der Zeitzuschläge auf der jeweils individuellen Erfahrungsstufe der Beschäftigten
▪ Begrenzung der Anzahl der geteilten Dienste auf max. 1 pro Beschäftigten pro Monat; Ausnahmen sind einvernehmlich möglich
▪ Überstundenzuschläge für Fahrzeugverspätungen ab der 1. Minute als Überstunden
▪ Erhöhung der Entschädigung für geteilte Dienste auf 30 Euro pro Dienstschicht
▪ Wiederinkraftsetzen der Regelungen zur Altersteilzeit

Update: Donnerstag, 29. Februar, Meldung der LVB:

LVB reichen einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht ein. Ziel: Untersagung des Streiks

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat den Gesellschaften der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) für die Gesellschaften LVB, LeoBus, LAB und LSVB GmbH kurzfristig Warnstreiks vom 1. März 2024 von 3 Uhr früh bis 3. März 2024 bis 6 Uhr früh angekündigt.

Hintergrund der Warnstreiks ist die von ver.di unter der Kampagne “Wir fahren zusammen” mit der Klimabewegung “Fridays for Future” angestrebten Klimastreikaktionen und vordergründig die im Zuge der Tarifverhandlungen erhobenen erheblichen Forderungen. Die aus 17 verschiedenen Punkten bestehenden Tarifforderungen würden zu einer wirtschaftlichen Mehrbelastung der Leipziger Verkehrsbetriebe in Höhe von ca. 12 Mio. EUR im Jahr führen. Würde man diese Kostenmehrbelastung auf Tickets und Abos umlegen, würde dies Kunden zusätzlich belasten.

Tatsächlich richtet sich der vorliegende Streik nicht gegen die Leipziger Verkehrsbetriebe, sondern die Verkehrspolitik. Dies wird bereits seit mehr als einer Woche in den Medien bundesweit angekündigt und berichtet. Darüber hinaus hat das politische Bündnis bereits seit mehreren Wochen für den 01.3.2024 einen sog. bundesweiten Klimastreiktag angekündigt.

Der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) hat vor dem Hintergrund der offenkundig fehlenden tatsächlichen Verhandlungsbereitschaft der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die Verhandlungen für den 28. Februar 2024 daher absagen müssen. Wir bedauern dies sehr und würden eine konstruktive Fortführung der Verhandlungen begrüßen. Die Tarifverhandlungen wurden aber nicht für gescheitert erklärt. Ein erneuter Verhandlungstermin ist für Mitte März angeboten.

Nachdem die Gewerkschaft bereits seit den letzten Tagen und Wochen einen sog. Klimastreik im Rahmen einer politischen Veranstaltung am 01. März 2024 angekündigt hat, haben sich die Leipziger Verkehrsbetriebe entschlossen juristisch gegen die angekündigten Warnstreikaktionen vom 01. bis 03. März 2024 vorzugehen. Mit einer einstweiligen Verfügung am Arbeitsgericht Leipzig versucht das Unternehmen den Streik zu untersagen.

Die Leipziger Verkehrsbetriebe respektieren die grundgesetzlich geschützte hohe Tarifautonomie und das Recht auf Streik zur Durchsetzung tarifpolitischer Ziele. Die Durchführung politischer Streiks ist in Deutschland jedoch unzulässig. Das respektable Ziel einer Klima- und Verkehrswende ist ein politisches Ziel. Dies wird auch offen von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und Fridays for Future in verschiedenen Pressemitteilungen bestätigt. Adressat der Streiks ist die Politik.

Leidtragende des Streiks sind primär die betroffenen Kunden. Beschäftigte, die nicht an ihren Arbeitsplatz gelangen können, Auszubildende und Schüler, welche nicht ihre Schule und ihre Ausbildungsplätze erreichen können sowie Benutzer des Deutschland-Tickets und der Abo-Angebote, die bereits bezahlte Karten nicht effektiv nutzen können. Hauptleidtragende sind aber die Natur und der Umweltschutz – aufgrund des Streiks werden unsere Fahrgäste gezwungen, auf die Nutzung von Pkw auszuweichen. Staus und eine höhere CO2-Belastung werden die Folge sein. Das wollen wir als LVB nicht.

Die Leipziger Verkehrsbetriebe sehen die vorliegenden Grenzen zu einem solchen politischen Streik überschritten und gehen nun im Interesse aller LVB-Kunden und im Sinne des Umweltschutzes gegen die angekündigten Streiks vor.

Update 29. März, 20 Uhr, Meldung der LVB

Arbeitsgericht lehnt einstweilige Verfügung ab. Gewerkschaft bestreikt LVB von Freitag bis Sonntag

Das Arbeitsgericht Leipzig hat am Donnerstag-Nachmittag die einstweilige Verfügung gegen den 51-stündigen Streik der Gewerkschaft abgelehnt. Für Kundinnen und Kunden bedeutet dies, wie angekündigt, erhebliche Einschränkungen. Die Gewerkschaft hat den Streik vom 1. März, 3 Uhr bis zum 3. März, 6 Uhr früh angekündigt. In der Gesamtprüfung des Arbeitsgerichtes im einstweiligen Verfügungsverfahren wurde der Streik nicht untersagt. Nach Auffassung des Gerichts ist der angekündigte Streik kein politischer Streik – obgleich eine Verbindung nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

Kunden werden gebeten, sich aktuell über die Auskunftssysteme zu informieren. Aktuelle Informationen erhalten Kunden über die App LeipzigMove oder in den Verkehrsmeldungen unter www.L.de. Folgende Buslinien, die von Mobilitätspartnern betrieben werden, sind weiterhin für die Leipzigerinnen und Leipziger unterwegs: 61, 62, 66, 67, 77, 83, 87, 88, 91, 143, 161, 162, 172, 173, 175, 176, Schulfahrten von Sommerfeld bis Taucha sowie Flexa Nord, Südwest, Leutzsch und Südost.

Über die App LeipzigMOVE bieten die Leipziger Verkehrsbetriebe alternative Mobilitätsdienste wie BikeSharing und E-Scooter an. Dabei erhalten vollständig registrierte Nutzerinnen und Nutzer an Streiktagen je 30 Freiminuten zur kostenlosen Ausleihe von Nextbike-Rädern. Die einzelnen Fahrten werden minutengenau abgerechnet. Auch LVB-Servicezentren können vom Streik betroffen sein. Alternativ steht das Kundenportal auf www.L.de zu Verfügung.

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