142 Millionen Fahrgäste erwarteten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) für das Jahr 2023. Ganz vorsichtig. Als würde es drei Jahre dauern, bis das Leipziger Nahverkehrsunternehmen wieder zu den Fahrgastzahlen vor der Corona-Pandemie zurückkehren würde. Wer aber täglich unterwegs ist im LVB-Netz, weiß, dass das nicht stimmen kann. Schon im September schrieben wir deshalb: „Die LVB fahren längst wieder in Richtung 150 Millionen Fahrgäste“. Genau so ist es gekommen.

In den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 stürzten die Fahrgastzahlen der LVB regelrecht ab auf gerade einmal 100 Millionen. Wer den ÖPNV meiden konnte, mied ihn. Und auch die Bürgerumfrage 2022 bestätigte, dass einige Fahrgäste noch nicht wieder zurückkehren wollten in die tägliche ÖPNV-Nutzung.

Dafür wurden einige wichtige Einschränkungen aus der Corona-Zeit wieder aufgehoben und es fanden wieder mehr Messen und Veranstaltungen statt. Auch das trug dazu bei, dass die Fahrgastzahlen im ersten Nach-Corona-Jahr auf 135 Millionen anstiegen.

Das 9-Euro-Ticket

Gerechnet hatten die LVB nur mit 127 Millionen. Was möglicherweise auch an der kurzzeitigen Einführung des 9-Euro-Tickets im Sommer 2022 lag, mit dem die Bundesregierung auch auf die drastisch gestiegenen Energiepreise in Folge des Ukraine-Krieges reagierte. Und damit ein Pilotprojekt in Gang brachte, das erstmals in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik ein wirklich preiswertes Nahverkehrsticket zustande brachte, mit dem der komplette Nahverkehr im Land genutzt werden konnte.

Was dann bekanntlich auch dazu führte, dass fast Dreiviertel der Leipziger sich zumindest einmal ein 9-Euro-Ticket kauften. Das erhöhte zwar vor allem den Zuspruch in den Nahverkehrszügen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass das auch den Anstieg der Fahrgastzahlen bei den LVB unterstützte.

2023 stand dann ja bekanntlich ab Mai ganz im Zeichen des 49-Euro-Tickets. Das zwar nicht mehr ganz so preiswert war wie das 9-Euro-Ticket, aber die tarifzonenüberschreitende Nutzung aller Nahverkehrsangebote genauso ermöglichte. Für Pendler also eine echte Erleichterung. Was gern vergessen wird in den irritierenden öffentlichen Diskussionen, in denen es meist nur um den Preis geht und nicht um echte und barrierefreie Visionen für den gesamten Nahverkehr.

Zahlen von 2019 wieder erreicht

Gleichzeitig normalisierte sich auch das Leipziger Veranstaltungsangebot. Die City füllte sich wieder. Und schon zur Jahresmitte verkündeten die LVB, dass sie über 100.000 Deutschland-Tickets verkauft hatten. Darunter waren zwar vor allem die Abonnenten, die vom klassischen Abo auf D-Ticket umstiegen. Aber eben auch viele neue Nutzer, für die das Deutschlandticket eine sinnvolle Alternative zum bisherigen Mobilitätsverhalten war.

Das Ergebnis war auch bald abzusehen, auch wenn die LVB erst jetzt im Februar die offiziellen Fahrgastzahlen für 2023 herausgaben: 153 Millionen Fahrgäste.

Das ist sogar etwas mehr als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019, als die LVB 152,5 Millionen Fahrgäste einsammelten. Die bisherigen Spitzenjahre der LVB nach 1990 waren die Jahre 2017 und 2018 mit jeweils 156 Millionen Fahrgästen. Der Rückgang 2019 ging schon auf mehrere Großbaustellen – insbesondere im Leipziger Westen – zurück, die viele Fahrgäste zum Um- und Aussteigen bewegten. Denn oft sind die Umleitungsangebote der LVB weder bequem noch einladend.

Noch keine Netzerweiterung am Horizont

Und dazu kommt, dass es bei den Großbaustellen noch lange nicht um eine Erweiterung des Straßenbahnnetzes geht, sondern schlichtweg um Erhalt und Modernisierung. Den Moment, auf Wachstum umzuschalten, haben Stadt und LVB lange Zeit regelrecht vertrödelt. Das Umschalten im Kopf der Politik passierte tatsächlich erst 2018, als der Stadtrat endlich eine Nachhaltige Mobilitätsstrategie beschloss. Mit Investitionssummen, die eigentlich im Leipziger Haushalt so nicht vorhanden sind.

Und allein schon die Planungen für die wenigen dann wirklich beschlossenen Erweiterungsmaßnahmen dauern mittlerweile Jahre. An eine Umsetzung ist noch lange nicht zu denken.

Das Wachstum wird also vor allem im existierenden Gleisnetz und mit mehr neuen Fahrzeugen passieren müssen. Auch mit der breiteren Straßenbahngeneration, die ab 2025 ins Netz kommen soll und mit der dann mehr Personen bei einer Fahrt transportiert werden können. Obgleich wesentliche Nadelöhre wie die Haltestelle Hauptbahnhof schon heute der Engpass sind, mit dem zum Beispiel dichtere Takte auf Hauptachsen nur mit Mühe noch unterzubringen sind.

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