Wenn man vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, dann kann man in Leipzig was erleben. So erging es SPD-Stadtrat Andreas Geisler, der vor drei Jahren umgestiegen ist und seither viele seiner Wege mit dem Fahrrad zurücklegt. Nur um dieselben Erfahrungen zu machen, die auch andere Radfahrer in Leipzig machen: Radverkehr ist bei Beschilderung, Wegeberäumung oder Baustellenausweisung immer noch das Stiefkind der Verkehrspolitik. Wer es nicht ausprobiert, merkt gar nicht, an wie vielen Stellen Radfahrer allein gelassen werden. Also schrieb die SPD-Fraktion einen Antrag, hier endlich was zu ändern.

Vom Thema her übrigens nicht neu. In ähnlicher Form war das im Stadtrat in den letzten Jahren immer wieder Thema. Die Stadt hat folgerichtig die Investitionen in Radwege deutlich erhöht und ein regelrechtes Radwegeprogramm aufgelegt – das natürlich darunter leidet, dass das Geld eigentlich immer nur für kleine Stücke und Abschnitte reicht. Und selbst wenn es mal vorangeht, gibt es lauten Gegenwind aus den Autofahrerfraktionen. Die gern mal so tun, als wären sie auch Radfahrer – und dann (in klassischer Whataboutism-Manier) anfangen, wie Marius Beyer aus der AfD-Fraktion, über Radfahrer zu wettern, die ihr Licht nicht anschalten.

So geht das, wenn einem ein Thema nicht passt.

Nein, Radfahrer ohne Licht sind ein anderes Thema als unberäumte und unbeschilderte Radwege. Sie gehören eher in die Kategorie „Autofahrer, die nicht blinken beim Abbiegen“ oder „Fahren bei Rot“. Dafür ist nicht das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) zuständig, sondern die Polizei. Aber wer sagt das dem Herrn Beyer?

Die Stadt ist verantwortlich dafür, ein sicheres und gut ausgebautes Radwegenetz auszubauen. Aber oft sind es Details, die hochgefährliche Situationen mit sich bringen, wie Andreas Geisler am Rednerpult recht aufgewühlt erzählte. Und wie es auch im Antrag der SPD-Fraktion steht: „Während es auf unseren Straßen als völlig normal angesehen wird, dass für Autofahrer jedes Verkehrsschild reflektiert wird, jede Baustelle vorausschauend angekündigt wird und bei Dunkelheit vorausschauend sichtbar ist, dass Fahrzeuge oder Materialien während Baumaßnahmen in abgesperrten Bereichen sicher stehen, ist auf unseren Radwegen noch viel Nachholbedarf.

Im Sinne einer Gleichbehandlung der verschiedenen Verkehrsarten müssen umgehend verbindliche Regeln geschaffen und diese analog der Straßenkontrollen/-befahrungen überprüft werden.“

Sicheres Radfahren auch in der Dunkelheit

Dazu schrieb die SPD-Fraktion schon mal vier Punkte für ein „Sofortprogramm ‚Sichere Radwege auch bei Dunkelheit’“. Womit noch deutlicher wurde, worum es Andreas Geisler geht: Dass Radfahren nach Einbruch der Dunkelheit eben noch einen Zacken gefährlicher ist – auch weil Beschilderungen und Baustellenausschilderungen dem oft nicht genügen.

Das Mobilitäts- und Tiefbauamt verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass man daran ja doch schon arbeiten würde. Neu aufgestellte Poller werden mit reflektierenden Ringen versehen, man fahre die Radwege regelmäßig ab und achte auch bei der Baustellenbeschilderung auf die „Sichtbarkeit im Dunkeln bzw. in der Dämmerung“. Und die Stellungnahme verweist auch auf den „Radverkehrsentwicklungsplan 2030+“ mit all seinen vom Stadtrat beschlossenen Maßnahmen.

Umsetzung ab 2027

Eine Stelle, an der das MTA aber auch darauf verweist, dass die Umsetzung dieses Plans Zeit ud Geld kostet: „Diese Maßnahmen werden entsprechend der finanziellen und personellen Kapazitäten und im Rahmen der Priorisierung bei den jeweiligen Fortschreibungen des Rahmenplans zur Mobilitätsstrategie 2030 eingeordnet, wenn nicht bereits oben anders angegeben. Aktuell kann also mit den Maßnahmen 1.15, 1.17 und 1.18 frühestens 2027 begonnen werden.“

Was eigentlich die Kritik von Andreas Geisler bestätigt. Denn genau in diesen Punkten geht es um die Beleuchtung im Radwegenetz, die Säuberung der Radwege, die Einrichtung eines Mängelmelders und „Definition und Umsetzen eines Ganzjahres-Netzes“. Und wenn die Verwaltung hier feststellt, dass damit erst 2027 begonnen werden kann, bedeutet das eben, dass Radfahrer bis dahin nicht nur Geduld haben müssen, sondern aufpassen müssen wie die Schießhunde, weil das Radwegenetz bis dahin seine bekannten Lücken und Gefahrenstellen nicht loswird.

Was wiederum Ergebnis einer jahrzehntealten Verkehrspolitik ist, die Radverkehr immer nur als Randerscheinung behandelt hat, nicht als eine der wichtigsten Fortbewegungsarten in der Stadt.

Trotzdem fand die Grünen-Fraktionsvorsitzende Kristina Weyh, dass man zu dem Thema nicht noch ein Programm beschließen müsste. Es ist ja alles schon beschlossen. Auch mit dem Radverkehrsentwicklungsplan. Nur die Umsetzung dauert Jahre. Sie schlug deshalb vor, den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung zu stellen. Der dann mit 40:17 Stimmen auch die nötige Mehrheit bekam.

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