Ein ungenehmigter Haushalt bedeutet Stillstand. Hunderte kleiner und großer Projekte können nicht fortgeführt werden. Stadtratsbeschlüsse werden ab absurdum geführt, wenn die benötigten Gelder nicht freigegeben werden dürfen. Oder gar nicht erst geplant sind. Oder eben auch in der entscheidenden Stadtratssitzung im März abgelehnt wurden. So wie der SPD-Antrag, ein flächendeckendes Fahrradverleihsystem zu schaffen, das auch mit einem stadtweiten Verleihsystem für Lastenfahrräder gekoppelt werden sollte. Denn mit dem Lastenrad-Pilotprojekt 2022 hatte man gute Erfahrungen gemacht.

Doch als man in der SPD-Fraktion in den Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 schaute, war dafür überhaupt kein Geld eingestellt. Obwohl das vom Stadtrat 2024 erst beschlossen worden war.

„Der Leipziger Stadtrat hat am 19.09.2024 den Änderungsantrag VII-A-09766-ÄA-03 der CDU-Fraktion beschlossen. ‚Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis spätestens im 2. Quartal 2025 ein Mietfahrradangebot flächendeckend, auch in den Randbezirken der Stadt Leipzig zur Verfügung zu stellen. Der Entwurf eines Ausschreibungstextes wird dem Stadtrat, Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten als Informationsvorlage im I. Quartal 2025 zur Kenntnis gegeben.‘

Auch die Verwaltung schlug im zugehörigen Verwaltungsstandpunkt vor: ‚1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein flächendeckendes stadtweites Fahrradverleihsystem auszuschreiben. 2. Die Maßnahme ist zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie zu priorisieren und im Doppelhaushalt 2025/2026 zu planen.‘“, schreibt die SPD-Fraktion in ihrem Haushaltsantrag.

Stimmt schon: Das war ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion, den man dieser sonst sehr autoverliebten Fraktion eigentlich nicht zugetraut hätte. Ursprünglich war es mal ein Antrag aus dem Stadtbezirksbeirat Nordost gewesen, der ein solches Angebot nur für den eigenen Stadtbezirk beantragt hatte: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dafür zu sorgen, dass bis spätestens zum 1.1.2025 ein Mietfahrradangebot flächendeckend im gesamten Stadtbezirk Nordost zur Verfügung steht.“

Grund für den Antrag: Im Stadtinneren stehen im Grunde flächendeckend Leihfahrräder zur Verfügung und oft zahlreich im Straßenraum herum. In den Ortsteilen Richtung Stadtrand aber sucht man die Leihräder meist vergeblich.

Erst mal ein Pilotprojekt im Norden

Aber wie gesagt: In der Haushaltsplanung kam der Posten überhaupt nicht vor. Also beantragte die SPD-Fraktion dafür 500.000 Euro. Und erlebte dann in der März-Ratsversammlung die Ablehnung des Antrags.

Das Mobilitäts- und Tiefbauamt hatte auch mit Verweis auf die Finanzierung vertröstet: „Für die schrittweise Einrichtung und den Betrieb eines am Ende stadtweiten Bikesharing-Systems für Fahrräder und Transporträder ist eine finanzielle Beteiligung der Stadt notwendig. Als Pilot wird derzeit gemeinsam mit den LVB der Betrieb eines Vermietsystems im Nordraum (mit zunächst kurzer Laufzeit) vorbereitet und soll stufenweise ausgebaut werden. Daraus sollen Erfahrungen für eine spätere stadtweite Ausschreibung und Einrichtung gesammelt werden.“

Was Folgen hat. Nicht nur für die Ausschreibung eines neuen, größeren Radverleihsystems. Denn da kein Geld zur Verfügung steht, trifft es auch den von Leipzig als Erfolg beschriebenen Lastenradverleih. Statt ihn nun aufs ganze Stadtgebiet auszuweiten, ist er im Januar komplett eingestellt worden.

Woran es liegt, erklärt die Stadt nicht, sondern verkündet auf ihrer Homepage nur eine „Pause für das Transportradmietsystem in Leipzig“: „Das Transportradmietsystem der Stadt Leipzig legt von Januar bis Juli 2025 eine Pause ein. Da die Nachfrage im Winter erfahrungsgemäß gering ist, wird diese Zeit genutzt, um die Fahrräder instand zu setzen, Mietstationen zu verbessern und die Testphase auszuwerten.

In den vergangenen zwei Jahren wurde das System unter verschiedenen Bedingungen getestet. Die Ergebnisse zeigen: Besonders gefragt sind die Lastenräder zwischen 10 und 12 Uhr und zwischen 15 und 17 Uhr. Die beliebtesten Ausleihstationen sind der Südplatz, das Connewitzer Kreuz und das BIC an der Gießerstraße. Die detaillierte Auswertung der Testphase wird als Grundlage für die Weiterentwicklung des Mietsystems dienen, das im Frühjahr 2025 wieder an den Start geht.“

Es betrifft reihenweise Maßnahmen aus dem Radverkehrsentwicklungsplan

Aber es ist im Frühjahr nicht wieder an den Start gegangen. Die bekannten Mietstationen sind leer. Und es ist offensichtlich, dass sowohl die Haushaltssperre, die bis zur Genehmigung des Doppelhaushalts gilt, als auch der Leipzig verordnete rigide Sparkurs jetzt dazu führen, dass auch der „Radverkehrsentwicklungsplan 2030+“ völlig entkernt wird und etliche der darin verzeichneten Maßnahmen, die wirklich Geld kosten, erst einmal auf Eis liegen.

Das Lastenrad-Sharing ist darin als Maßnahme 2.11 ausgewiesen: „Das im Juli 2022 gestartete Lastenradverleihsystem („TINK-Projekt“) war ein erfolgreicher Test für ein flächiges Lastenrad-Sharing-System. Die Projektergebnisse werden detailliert evaluiert und Möglichkeiten und Art einer Fortsetzung ausgearbeitet. Eine Integration in das multimodale Buchungssystem ‚LeipzigMOVE‘ wird geprüft.

Empfohlen wird eine Erhöhung des Lastenradbestands, sodass eine Abdeckung aller D-Zentren, Wohngebiete sowie an Einkaufsmärkten, Garten- oder Baumärkten möglich ist. An all diesen genannten Standorten sollten Stationen eingerichtet werden. Zu empfehlen ist ein teilweise elektrifiziertes, stationsbasiertes System mit Inklusionsrädern und der Möglichkeit One-way-Fahrten durchzuführen.“

Aber das Einrichten dieser Stationen kostet Geld. Die Maßnahme ist mit 100.000 bis 1.000.000 Euro beziffert. Doch da der Posten nicht im Haushalt 2025/2026 steht, ist derzeit völlig offen, wie es mit dem Lastenradverleih in Leipzig weitergeht.

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