Im Mai sollte eigentlich ursprünglich schon die Vorlage zur Parkstadt Dösen vom Stadtrat beschlossen werden. Aber die Vorlage entsprach nicht ansatzweise den Forderungen aus den Stadtratsfraktionen. Forderungen, an denen das Planungsdezernat nicht vorbeikam, auch wenn man den Bebauungsplan schon als Kompromiss mit dem Investor anpries. Jetzt soll eine überarbeitete Vorlage abgestimmt werden, aber auch die genügt schon mal der ersten kritischen Fraktion nicht.

Noch am 21. Mai, als klar war, dass die alte Vorlage so keine Stadtratsmehrheit finden würde, hatte der BUND Leipzig extra einen Offenen Brief an die Ratsfraktionen geschrieben mit der Bitte, der Vorlage nicht zuzustimmen. Zu heftig wären die Eingriffe in den wertvollen Baumbestand, ohne den die Parkstadt eher eine Parkplatzstadt wird.Mit dem Verhandlungsergebnis zwischen Stadt und dem Investor Instone Real Estate geht zwar der Annäherungsprozess weiter. In der Ratssitzung am 23. Juni sollen der Bebauungsplan und der städtebauliche Vertrag beschlossen werden.

Aus Sicht von Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion, ist der neue Kompromiss ein wichtiger Erfolg. „Der Investor wirbt für sich als ökologisches und soziales Unternehmen. Trotzdem drohte aus der Parkstadt Dösen eine Parkplatzstadt für Besserverdienende zu werden. Unsere Fraktion hat dafür gesorgt, dass die Pläne noch einmal überarbeitet wurden. Das Ergebnis ist in Teilen ein Novum und sollte für zukünftige Bauprojekte richtungsweisend sein“, erklärte der Linke-Stadtrat.

„Die Zahl der Parkplätze von über 700 auf 550 reduziert, dafür gibt es nun Car-Sharing-Angebote. Um Dösen auch zu einem Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu machen, wurde zum ersten Mal überhaupt in einem Leipziger Bebauungsplan ein Animal Aided Design entwickelt: Für spezielle Arten wurden Artensteckbriefe zu den Ansprüchen und Bedürfnissen angelegt und bauliche Bestimmungen festgesetzt, um diesen gerecht zu werden.

Durch die Baumaßnahmen und zur Herstellung der Verkehrssicherheit drohen bis zu 140 Bäume für immer verloren zu gehen, welche trotz massiver Neupflanzungen nicht vor Ort ersetzt werden können. Wie viele wirklich verschwinden, ist jedoch noch völlig unklar. Dennoch konnte auch beim Baumschutz ein bisher einmaliger Erfolg erzielt werden: Der Investor verpflichtet sich nun freiwillig zu einer Zahlung von 30.000 Euro, damit von der Stadt Ersatzpflanzungen vorgenommen werden können.“

Wenn die Stadt dafür überhaupt noch Flächen findet. Wo immer mehr Brachen und im Leipziger Norden auch weiterhin landwirtschaftliche Flächen bebaut werden, gibt es eigentlich keinen neuen freien Platz mehr für Baumpflanzungen. Dabei wird gerade im Stadtgebiet jeder Baum gebraucht, um das absehbar heißere Klima in der Stadt wenigstens ein bisschen zu kühlen.

„Ganz besonders freut uns, dass auch der soziale Wohnungsbau gestärkt werden konnte“, betont Michael Neuhaus. „Der Stadtratsbeschluss über 30 % Sozialwohnungen ist rechtlich nicht bindend und die Förderung von sozialem Wohnungsbau in denkmalgeschützten Bereichen ist quasi unmöglich. Dass wir das selbst gesteckte Ziel von 30 % nun zumindest im nicht-denkmalgeschützten Bereich nochmal um 10 % steigern konnten, ist ein riesiger Erfolg. Statt der bisher 68 Sozialwohnungen kommen nun 90 Wohnungen!“

Dösen zeigt aus seiner Perspektive: „Die Stadt Leipzig kann es durchaus mit Investor/-innen aufnehmen. Private Investor/-innen können in mutig geführten Verhandlungen zu mehr sozialem und ökologischem Engagement verpflichtet werden, wenn die Stadt sich nicht klein macht.“

Aber aus Sicht der Grünen-Fraktion hat die Stadt nicht genug erreicht und dabei immer noch massive Verstöße gegen das Naturschutzgesetz in Kauf genommen. „Ein Drittel des vorhandenen alten Baumbestandes wird durch das Vorhaben gerodet und beseitigt. Dieser Umfang an Baumfällungen widerspricht dem Vermeidungsgrundsatz des § 15 Abs. 1 BNatSchG. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen“, heißt es jetzt sehr deutlich in einem Änderungsantrag der Grünen.

Und auch die 30.000 Euro Baumspende, über die sich die Linksfraktion so freute, hinterfragen die Grünen: „Errechnet wird dann im GOP, dass damit dauerhaft 140 Bäume weniger im Gebiet stehen werden. Daher die ,freiwillige‘ Zahlung von 30.000 Euro. Die Stadt rechnet pro Baum etwa 1.250 Euro. Damit werden 24 Bäume gespendet! Im städtebaulichen Vertrag wird von 750 Euro und 40 Bäumen gesprochen.“

Blick ins Gelände der Parkstadt Dösen. Foto: L-IZ
Blick ins Gelände der Parkstadt Dösen. Foto: LZ

GOP ist der Grünordnungsplan. Und die scheinbar so opulente Spende ersetzt nicht einmal die gesetzlichen Ausgleichsverpflichtungen des Bauherrn. Der müsste nämlich alle gefällten Bäume wieder ersetzen, müsste also 175.000 Euro ans Leipziger Grünflächenamt überweisen. Und zwar nicht als Spende, sondern als ganz normalen finanziellen Ausgleich für Bäume, die laut Bebauungsplan verschwinden werden.

Und dass oft nur für Stellplätze, von denen die Grünen befürchten, dass sie gar nicht gebraucht werden. Weshalb auch der Stellplatz-Kompromiss aus ihrer Sicht ein fauler Kompromiss ist, weil er von Stellplatzzahlen ausgeht, die nach der Leipziger Stellplatzverordnung eigentlich der Vergangenheit angehören sollten.

„Die Zahl der Stellplätze bezieht sich auf den Änderungsantrag, indem eine Maximalzahl an 550 Stellplätzen festgesetzt wurde. Nach der Stellplatzsatzung der Stadt Leipzig ist jedoch ein Faktor von 0,5-0,7 anzulegen. Im Plangebiet wird mit dem Faktor 0,9-1,1 geplant. Dies ist nicht nachvollziehbar“, schreiben die Grünen in ihrem Änderungsantrag.

Rechnerisch würden in der Parkstadt also 330 Stellplätze völlig ausreichen, erst recht, wenn der Investor das Thema „autoarmes Wohnen“ wirklich ernst nimmt und mehr Carsharing-Plätze einrichtet. Die Argumente der Verwaltung, man bekäme in Dösen keine bessere ÖPNV-Anbindung hin, können die Grünen jedenfalls nicht mehr ernst nehmen: „Die Begründung einer bislang nicht ausreichenden ÖPNV-Anbindung verfängt nicht. Die Zahl der Stellplätze ist zu reduzieren, die Zahl der Car-Sharing-Plätze ist zu erhöhen.“

In Anbetracht der Klimaschutzziele der Stadt Leipzig ist es sowieso unverständlich, warum die Verwaltung hier nicht endlich andere Maßstäbe ansetzt als bei den vielen Wohnbauprojekten der jüngeren Vergangenheit. Bis hin zum maximal möglichen Erhalt (oder der Neupflanzung) der Baumbestände, die auch dieses Wohnquartier vor Hitze schützen könnten.

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