Mit Papstkatzen kennt sie sich aus, mit Pfarrers Katz und Küsters Hund ebenso. Mehrere Katzenbücher mit teilweise durchaus detektivistischen Aspekten hat Heike Wendler schon veröffentlicht. Und es ist wohl in der gedruckten Welt genauso wie im Internet: Katzen sorgen immer für Aufmerksamkeit. Woran liegt das nur? Sind die vereinsamten Menschen der Gegenwart besonders schmusebedürftig?

Kann sein. Wirklich untersucht hat das ja noch niemand. In den Zeiten, als die Mehrheit der Menschen noch in ländlichen Regionen lebte, waren Hund und Katz keine Wohnungstiere, sondern hatten eindeutig ihre Funktion auf dem Hof und in den Scheunen. Heute aber erfüllen sie augenscheinlich viele Funktionen, die eigentlich eher vertraute Menschen erfüllen sollten – wenn sie denn da wären. Das wird bei den kleinen Zitaten deutlich, die Heike Wendler eingestreut hat neben und auf den großformatigen Katzenfotos. “Es gibt nichts Schöneres im Leben als die Freundschaft. Du hast jemanden, dem du dein Innerstes öffnen kannst”, wird zum Beispiel Ambrosius am 5. Dezember zitiert. Oder Friedrich der Große am 7. Dezember: “Ein wahrer Freund ist ein Geschenk des Himmels.”

Da erfüllen die kleinen Raubtiere augenscheinlich eine Funktion, über die sie sich wohl wundern würden, wenn sie sich über Menschen überhaupt noch wundern.

Aber eigentlich will Heike Wendler ja nur eine Adventsfreude machen. Sie hätte die 24 kleinen Geschichten über diverse Abenteuer mit Katzen in der Adventszeit auch in ein weiteres kleines Buch packen können. Aber nun stehen sie auf den Rückseiten der Kalenderblätter, quasi als Hintergrundgeschichten zu all den plüschigen Mäusejägern auf der Vorderseite, die eifrig beschäftigt sind mit Päckchen, Nikolausstrümpfen, Fensterdekorationen, Schnee und Christbaumkugeln. Katzenfreunde wissen es ja: Eigentlich kann man mit Katzen kein Weihnachten feiern, denn alles, was Menschen in der Adventszeit hinstellen, aufhängen, schmücken und verpacken, erweckt ihre höchste Neugier. Da wollen sie nicht nur spielen, sondern herauskriegen, was dahinter steckt, ob die Verpackung hält oder ob die Dinge sich wehren, wenn sie sich am Zweig drehen. Nichts ist vor ihnen sicher. Und genau diese Erfahrung machen die diversen Familien, aus denen Heike Wendler hier berichtet, verständnisvoll natürlich. Denn man legt sich ja Katzen nicht zu, weil man jemanden zum Ausschimpfen braucht.

Außerdem sind die Biester ganz gut, das eigene Gemüt zu beruhigen. Das gibt es in einigen der Geschichten auch, diesen Weihnachtsstress, der pünktlich mit den frühen Abenden und dem Gedrängel der Werbung auch Leute erfasst, die sich eigentlich fest vorgenommen haben, diesmal nicht so viele Geschenke zu kaufen, sich von dem Rummel nicht anstecken zu lassen und lieber zu basteln, zu backen oder Briefe zu schreiben. Und dann reichen ein paar Anrufe ach so besorgter Verwandter oder ein rot angestrichener Tag im Kalender, und die Hektik bricht trotzdem aus, das große Geschenkelager muss doch noch irgendwie besorgt werden und die Kinder werden schlichtweg unausstehlich, weil sie in der ausgebrochenen Panik keine Ansprechpartner mehr finden, sondern nur noch völlig überdrehte Erwachsene, die keine Zeit und keine Muße mehr haben.

Zumindest hilft es dann, wenn die ebenso närrisch gemachten Haustiger einfach ihr Ding machen und die Menschen aus ihrem wilden Treiben reißen und sich in Erinnerung bringen mit Mauzen, Kratzen oder der Demontage der Weihnachtsdekoration. Und da sie keine Kinder sind, haben sie dabei auch kein schlechtes Gewissen und schaffen es dann in der Regel auch, die Mitbewohner aus ihrer Hatz zu reißen. Was dann in Heike Wendlers Geschichten in der Regel zu genau dem führt, was in dieser Vorweihnachtszeit eigentlich dran ist: Besinnung. Und auch das Eingeständnis fehlt nicht, dass man sich eben doch wieder hat verrückt machen lassen. Da und dort wird auch ein wenig darüber nachgedacht, warum das so ist, warum die Geschenkenot eine ganze Jahreszeit zur Stresszeit macht, die eigentlich wichtigen Dinge aber, die ganz oben stehen müssten, einfach keinen Platz mehr finden. Eben das, was dann in den kleinen Zitaten auf den Katzenbildern deutlich wird: die kleinen Freuden und die eine wahre Freude, die Liebe und der Blick für die Kleinigkeiten, die – nach Charles Dickens – die Summe unseres Lebens ausmachen.

Also ein Kalender für all die Menschen, die im Advent täglich so einen kleinen Stupser brauchen, um sich zu besinnen und mal drei, vier Gänge runterzuschalten. Und natürlich die Mitlebenden mal wieder wahrzunehmen und anzunehmen, so, wie sie sind. Und es gibt wohl keine anderen Tiere, die es verstehen, ihr Recht aufs So-genommen-Werden durchzusetzen (auf leisen Pfoten und mit schleichender Beharrlichkeit) wie Katzen. Vielleicht sind sie deshalb so selbstverständlich mit umgezogen aus den großen Scheunen (mit ihren mausigen Abenteuern) in die ja eigentlich recht kleinen Wohnungen der Menschen in den Städten, wo augenscheinlich ein riesiger Bedarf besteht an Lebewesen, die nicht ständig zu tun haben oder “keine Zeit” haben.

Sozusagen mauzende Mahnungen an die verwirrten Zweibeiner, die auch in der Adventszeit noch deutliche Hinweise brauchen, dass es nun einfach mal gut ist mit der Rennerei und dem irrsinnigen Versuch, die Welt mit Geschenken zu überschütten, wenn es einfach nur um was Leckeres zu Futtern geht, ein warmes Plätzchen und ein bisschen Beschäftigung für den Spieltrieb. Kann ruhig auch ein Baum sein mit Glitzerzeug dran. So was lieben Katzen.

Heike Wendler “Auf Samtpfoten durch den Advent. 24 Katzengeschichten”, St. Benno Verlag, Leipzg 2015, 9,95 Euro

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