Die Welt brennt. Insbesondere die arabische Welt brennt. Fundamentalisten sorgen für Schlagzeilen und man vergisst bei all den Schreckensmeldungen, dass der Islam für die meisten seiner Anhänger eine friedliche Religion ist, die das Leben, den Jahreslauf und den Tag bestimmt. Mitsamt den Festen und typischen Gerichten. Eine Begegnung der kulinarischen Art.

Das Büchlein ist aber auch eine kleine Einladung zur Begegnung. Denn wer die fremde Kultur nicht kennt – wie will er über sie urteilen? Angst und Vorurteile blühen nur dort, wo man das Fremde nicht kennt, nichts darüber weiß und sich nicht mal dafür interessiert. Da wirkt es bedrohlich, bizarr und verstörend. Gesteht man sich das ein? Die meisten Maulhelden gestehen es sich nicht ein, rennen herum und haben keine Ahnung. Und sind auch noch stolz darauf.

Wie wollen die jemals aus ihrem Tümpel herauskommen?

Die Einladung liegt auf dem Tisch.

Fayçal Hamouda, der sich – auch mit seinem kleinen Verlag – als Vermittler zwischen den Kulturen versteht, führt die Leser ein in eine Welt, die so fremd nicht ist. Nur ein wenig anders. Was daran liegt, dass der Islam zwar aus der selben Wurzel kommt wie Judentum und Christentum – alle drei Religionen beziehen sich auf Abraham als Ursprung – aber mit Mohammed eine eigene Ausprägung bekam, eine, die andere Schwerpunkte setzte, andere kulturelle Gepflogenheiten und Bräuche aufnahm. Denn gerade der europäische Blick auf die Entstehungsgeschichte von Islam und Koran zeigt, wie sehr Religionen durch Bräuche bestimmt werden, manche viel älter als die Religion. Menschen brauchen solche Fixpunkte in ihrer Welt. Am berühmtesten im Westen ist ja der Ramadan.

Aber das erzählt Fayçal Hamouda alles viel kenntnisreicher, bettet es ein in die Entstehungsgeschichte des Islam, geht auch kurz auf die Entstehung des großes Zwistes ein, der Schiiten und Sunniten bis heute entzweit. Viele Konflikte in der arabischen Welt entstehen aus diesen innerreligiösen Konfliktlinien. Worüber man sich als Beobachter nur wundert: Teilen diese Menschen nicht dieselben Ansichten? Ist ihr heiliges Buch nicht voller Aufrufe zu Toleranz, Frieden und Mitmenschlichkeit?

Auch die hohen Feste der Muslime sind friedliche Feste – auch wenn man erst ein bisschen nachlesen muss, um einordnen zu können, woher sie kommen. Auch davon stammt so manches aus der Zeit vor Mohammed – so wie der islamische Kalender, der zwar mit der Begründung des Islam beginnt, aber die Tradition der ursprünglichen Mondkalender fortführt, die im Schnitt elf Tage kürzer sind als die im Westen gültigen Sonnenjahre, die mit dem Umlauf der Erde um die Sonne übereinstimmen. Deswegen wandern auch die muslimischen Feste durchs Jahr. Man betritt tatsächlich eine etwas andere Welt.

Fayçal Hamouda erzählt auch, welche Bedeutung die Farben im Islam haben und wie sehr die Feste auch mit bestimmten Gerichten in Verbindung stehen, die traditionell zu diesem Anlass zubereitet werden. Auch das kennt man ja aus dem Christentum – nur dass es natürlich andere Gerichte sind, die auch typischer sind für die Region und die Vorstellung, was reine und unreine Dinge sind. Da zeigt der Islam seine Nähe zum Judentum.

Was aber nicht bedeutet, dass diese Speisen nicht lecker sind. Im Gegenteil. Auch wenn einem dann oft Zutaten begegnen, die auf unserem Speiseplan eher selten auftauchen – wie Kichererbsen, Datteln, Weinblätter, Pinienkerne, Joghurt, Basmatireis und immer wieder Lamm.

Die Gerichte in diesem Büchlein sind den einzelnen Festen zugeordnet. Man bekommt also kein einfaches Büchlein der arabischen Küche, sondern eines der Festtagsgerichte – angefangen mit dem berühmtesten, Tharid, der Speise des Propheten. Und der Autor beschränkt sich auch nicht nur auf ein Land – erwähnt freilich auch, dass es 54 Länder gibt, die man kulinarisch bereisen könnte. Er muss sich also beschränken und zeigt, dass es auch bei den erläuterten Speisen durchaus regionale Unterschiede gibt – etwa zwischen Syrien, den Kaukasusrepubliken oder nordafrikanischen Ländern wie Tunesien und Marokko.

Und neben den herzhaften Speisen gibt es natürlich auch das, was als Spezereien für die arabische Welt schon berühmt war, als die meisten Europäer noch froh waren über ein ordentliches Brot – mit Maamoul tauchen zum Beispiel Kekse aus Algerien auf und mit Baklava ein süßes Gebäck aus der Türkei. Das kommt einem dann doch irgendwie vertraut vor, wie sehr der Festkreis des Jahres auch im Islam mit bestimmten eindrucksvollen Gerichten aufs Engste verknüpft ist. Und erst das letzte Kapitelchen erinnert einen daran, dass man als Muslim eigentlich keinen Alkohol trinkt. Dass aber ursprünglich arabische Getränke längst bei uns zu Hause sind, man denke nur an Kahwah und Karak Chai – Kaffee und Tee. Denn auch daran erinnert das Büchlein ja: Kulturen sind durch Austausch immer reicher geworden.

Und vielleicht sollte man die Staatsmänner der Welt einfach mal gemeinsam in die Küche schicken, damit sie zusammen die Gerichte der anderen kennenlernen und danach zusammen auch respektvoll verspeisen. Denn denen geht es ja genauso wie dem gemeinen Mann auf der Straße: Weil sie die Kultur und die Bräuche des anderen nicht kennen, mutmaßen und drohen sie und fangen dann eine Prügelei an.

Fayçal Hamouda erinnert an Goethe, der sich sicher war, dass Orient und Okzident längst eins sind. Man lese nur dessen „West-östlichen Divan“. Aber wo man das Andere nicht kennt und nicht kennenlernen will, da fangen die Ängste an. Da ist es wohl besser, man lernt erst einmal die Küche der Anderen kennen. Hier ist ein kleiner Einstieg in diese Welt für alle, die mal ganz vorsichtig anfangen wollen damit.

Faycal Hamouda Muslimische Feste und Gerichte, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2017, 5 Euro.

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