Es ist ja nicht nur in der Leipziger Geschichtsschreibung so, dass die Frauen darin ziemlich untergehen. Es betrifft auch die Weltgeschichte, die bis vor kurzer Zeit ausnahmslos von Männern geschrieben wurde. Männer sehen meist nur Männer-Geschichte. Und selbst wenn Frauen zu ihrer Zeit für Furore sorgen, verschwinden sie dann hinterher doch meist wieder, weil eitle Männer sich ins Rampenlicht drängeln.

Männer, die selbst dann, wenn sie den Frauen intellektuell nicht das Wasser reichen können, trotzdem fest davon überzeugt sind, dass sie alles viel besser können, selbstverliebt, rücksichtslos und in erstaunlichem Maße blind für all das, was jenseits ihrer schmalen Begabung liegt.

Und ich nenne jetzt mal keine eitlen und machtgierigen Mannsbilder der Gegenwart.

Das Büchlein, das Caroline Vongries geschrieben hat, enthält genug Beispiele, wie beleidigte Männer alles taten, um die vor ihnen erfolgreich herrschenden Frauen wieder aus der Geschichte zu tilgen. Angefangen mit Thutmosis III., der versuchte, die erfolgreich herrschende Pharaonin Hatschepsut aus den Tempelinschriften zu tilgen, über die Herren am Hof Karls VII., die Jeanne d’Arc verrieten, bis hin zu den Herren Möchtegerndemokraten auf Hawaii, die ihre Großgrundbesitzerrepublik ausriefen, um die eingeborene Königin Lili’uokalani zu stürzen – und damit auch gleich mal Hawaii die Unabhängigkeit nahmen und es zum Anhängsel der USA machten.

Die Geschichte um Kleopatra gehört genauso hierher wie die Geschichte von Eleonore von Aquitanien, die sich beide klug und einfallsreich gegen die Machtpolitik der Männer wehrten. Ihr Vorteil war natürlich: Sie waren Erbinnen, übernahmen als legitime Kinder ein Fürstentum oder gleich ein ganzes Reich. Aber sie empfanden sich nicht nur als Verwalterin, als legitimen Schlüssel für Männer, das wertvolle Erbe zu übernehmen. Sie wollten selbst gestalten. Und sie wussten, wie es geht.

14 solcher Geschichten hat Caroline Vongries für dieses Büchlein gesammelt. Einige davon bekannt, weil sich diese Frauen einen Platz in den Geschichtsbüchern errungen haben, den ihnen kein Mann mehr streitig machen kann. Nach den englischen Königinnen Elisabeth I. und Victoria sind ja ganze Zeitalter benannt, denn sie organisierten mit ihrer Klugheit nicht nur den ökonomischen Aufstieg des Landes, sondern auch ein Zeitalter des Friedens für ihr Land.

Ganz ähnlich das Wirken von Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, die als Katharina die Große von Russland Furore machte, oder das von Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, die niemals offiziell Kaiserin war und dennoch so betrachtet wurde – selbst von ihrem ärgsten Widersacher, Friedrich II. von Preußen. Caroline Vongries beschränkt sich in diesem Buch vor allem auf Frauen, die auch wirklich herrschten oder zumindest kurzzeitig den Zugriff auf die Macht erhielten und damit in die Geschichtsbücher eingingen.

Die aber auch dadurch Bemerkenswertes leisteten, dass sie anders dachten und handelten als die Männer – etwa die Königin Zenobia aus Palmyra, die nach der Ermordung ihres Gemahls ganz und gar nicht klein beigab und den Römern Paroli bot. Oder die Mütter und Großmütter der Ottonen, die ihren Söhnen den Weg zur Macht ebneten, aber nur in ihrer christlichen Tätigkeit Eingang in die Annalen fanden.

Vongries lässt natürlich auch nicht die verbalen Angriffe der Männer weg, die über die Jahrtausende stets ihr Repertoire an Herabsetzungen von Frauen pflegten, das im Grunde immer darauf zielte, Frauen die „männlichen“ Tugenden zur Machtausübung abzusprechen, sie für weniger durchsetzungsstark, klug oder gar widerstandsfähig zu erklären. Eben das, was der dumme Spruch vom „schwachen Geschlecht“ bündelt.

Aber die erwähnten Fürstinnen haben ziemlich eindrucksvoll gezeigt, dass ihnen ganz und gar nichts fehlte zu einer klugen und akzeptierten Regentschaft. Und dass sie auch bereit waren, harte Urteile zu fällen, wenn Männer oder andere Frauen zur Bedrohung wurden. Und gerade die ausgewählten Herrscherinnen stehen auch für den Willen zu Reformen, für eine auch aufgeklärte Politik, die die Zukunftsfähigkeit des Landes immer mitbedachte.

Manchmal auch als Ratgeberin eines beratungswilligen Sohnes – wie bei Kaiserin Helena. Oder als eine Fürstin, die ihre Krönung dazu nutzte, den schlimmsten Krieg der Zeit zu beenden, um wenig später einfach die Regierungsgeschäfte abzugeben, weil sie ihr eigenes Leben leben wollte – so wie Christina von Schweden.

So werden die von Vongries ausgewählten Frauen eben nicht nur zum Beispiel dafür, dass Frauen auf Fürstenthronen erfolgreicher sein können als Männer, sie zeigen auch Frauen, die selbstbewusst agieren in Zeiten, in denen Frauen in der Regel nur als Besitz oder rechtlose Hausverwalterin betrachtet wurden und das öffentliche Leben Männern vorbehalten war. Und wo auch Prinzessinnen in der Regel nur eine Karriere als Nachwuchsbeschafferinnen bevorstand.

Und natürlich ist das nur eine kleine Auswahl der berühmtesten Herrscherinnen. Und sie beschränkt sich auch nur auf Europa und den Nahen Osten. Weshalb Caroline Vongries auch noch einen weiteren Band mit starken Frauen aus Übersee plant. Es ist wahrscheinlich wirklich an der Zeit, um endlich einmal genauer hinzuschauen und den weiblichen Teil an der jüngeren Geschichte sichtbar zu machen. Was nicht ganz einfach sein wird, denn Männer retuschieren ja Geschichte gern, um ihren Anteil als wichtiger darstellen zu können.

Womit natürlich etwas verloren geht. Was auch in den hier versammelten Frauengeschichten deutlich wird. Denn: Wer erzog eigentlich die Männer? Und welchen Einfluss hatten kluge Frauen auf nicht ganz so kluge Herrscher? Man denke nur an die preußische Königin Luise, an Anna Amalia in Weimar oder Elisabeth von Thüringen, die freilich in diesem Büchlein keinen Platz mehr bekommen haben.

Die im Buch Vertretenen stehen für die Ausnahme, die Spitze des Eisbergs, für jene beeindruckenden Frauen, die oft für sich selbst beschlossen, dass sie einfach aus Klugheit nicht bereit sein würden, die Regierungsgeschäfte an den nächsten saumseligen Heiratskandidaten abzugeben, der meinte, König werden zu sollen, bloß weil er ein Mann war.

Aber wie wir wissen, ticken viele narzisstische Männer bis heute so und haben nicht einmal eine Ahnung davon, dass auch Politik durch Frauen bereichert werden kann. Da werden sie hengstbissig, könnte man sagen.

Wir stehen noch immer am Anfang einer Zeit, die Frauen wirklich auch als gleichberechtigt und gleichwertig betrachtet. Und es wird dauern, bis die Front der Beleidigten und Beklagenswerten bröckelt, die außer Demontage und Neid nichts auf die Reihe bekommen. Denn das ist ja die Herausforderung, wenn Frauen in Machtpositionen erst einmal Erfolg haben: ihnen ohne Tücke Paroli bieten zu können.

Ich höre schon das Gemaule aus dem Männerbünden, die sich gemeint fühlen. Aber die Wahrheit ist nun einmal: Wer gegen kluge Frauen wirklich bestehen will, muss tatsächlich beweisen, das er es genauso gut kann. Die prall gefüllte Hose allein reicht dann nicht mehr.

Da braucht man dann schon – wie die Römer – ein paar Legionen, um diese Frauen zu besiegen. Und die hat man nun einmal nicht immer gleich bei der Hand.

Caroline Vongries Starke Frauen der Weltgeschichte, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2019, 9,95 Euro.

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