Der Max-und-Leo-Bartfeld-Cup hat sich in den letzten Jahren zu einem der eindrucksvollsten Feste der internationalen Begegnungen in Leipzig entwickelt. Er erinnert nicht nur an zwei bekannte Leipziger Fußballspieler, sondern auch an den jüdischen Sportverein Bar Kochba, wo beide aktiv waren und dessen Gründung sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. Jetzt gibt es auch ein Buch zu diesem legendären Verein, den die Leipziger Nazis so gern völlig aus der Erinnerung getilgt hätten.

Denn der Historiker Yuval Rubovitch muss es gar nicht erst betonen, wie lückenhaft die Belege für diesen Verein sind, dessen Gelände die Gestapo 1938 genauso okkupierte wie sie sämtliche Büros plünderte und augenscheinlich die gesamten Vereinsunterlagen vernichtete. Das Gelände des Vereins lag an der Delitzscher Straße. 2013 sorgte es noch einmal für Schlagzeilen, als das halb vergrabene Rotter-Denkmal gefunden wurde und kurz die Idee verwirklichbar schien, den bis in die 1980er Jahre genutzten Sportplatz wieder zu reaktivieren und die Tradition des einst größten jüdischen Sportvereins in Deutschland wieder aufzunehmen.

Aber auch dieses attraktive Gelände im Leipziger Norden ist längst zum Spielball der Spekulanten geworden, wird immer wieder weiterverkauft, ohne dass auch nur die geringste Bebauungsidee umgesetzt wird.

Eigentlich ein exemplarisches Beispiel dafür, dass der sogenannte Immobilienmarkt schon lange nichts mehr mit einem wirklichen Markt zu tun hat, bei dem es um Angebot und Nachfrage vor Ort geht.

Das war 1920 noch anders. Da gab es in Leipzig noch großflächigen bezahlbaren Wohnungsbau – auch durch jüdische Unternehmer und Investoren. Und auch ein gerade gegründeter Sportverein, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, gerade jüdischen Sportlerinnen und Sportlern eine Heimstatt zu geben, konnte noch aus vereinter Kraft nicht nur das Geld für den Kauf eines Geländes an der Delitzscher Straße aufbringen, sondern die Anlage auch durch den bekannten Reformarchitekten Wilhelm Haller durchplanen lassen, auch wenn nicht alle seine Entwürfe verwirklicht wurden.

Für den Sportverein, der sich nach Berliner Vorbild ganz bewusst nach dem jüdischen Freiheitskämpfer Simon Bar Kochba benannte, war es ein riesiges Glück, dass er Besitzer des Geländes war, als die 1933 zur Macht gekommenen Nationalsozialisten jüdische Sportler/-innen aus dem öffentlichen Leben völlig verbannten. Damit verloren auch viele jüdische Sportvereine ihre Sport- und Trainingsstätten.

Dass vor und nach dem Ersten Weltkrieg so viele jüdische Sportvereine in Deutschland gegründet wurden, hatte mehrere Gründe. Einer war der zunehmende Antisemitismus in Deutschland, der auch die hier lebenden Menschen mit jüdischen Wurzeln vor eine eigentlich unlösbare Frage stellte: Wie verhält man sich eigentlich zu einem Land, das so offensichtlich wieder begann, Menschen, die nichts anderes von ihren Mitmenschen unterschied als ihre Herkunft, auszugrenzen, abzuwerten und geradezu mit Hass zu verfolgen?

Dabei prägten längst Männer und Frauen mit jüdischer Familiengeschichte die Gesellschaft – waren erfolgreiche Unternehmer, Künstler, Forscher, Politiker. Logisch, dass sie ganz bewusst auf Assimilation setzten und sich zuallererst als Deutsche fühlten. Was sie freilich nicht vor dem Hass und der Verfolgung der Nazis schützte.

Aber gleichzeitig entstand die zionistische Bewegung, die auf die Entwicklung damit reagierte, dass sie die Wiedererrichtung eines eigenen jüdischen Staates in Israel befürwortete. Sie warb für die Umsiedlung nach Palästina. Und sie warb dafür, dass sich Jugendliche darauf vorbereiteten, indem sie sich handwerklich und landwirtschaftlich schulten und sich körperlich fit machten.

Diese Ziele vertrat auch der Sportverein Bar Kochba, der damit nicht nur das Selbstbewusstsein seiner Mitglieder stärkte, sondern ab 1933 auch eine aktive Unterstützerrolle übernahm, um Menschen mit jüdischen Wurzeln die Auswanderung zu ermöglichen.

Denn auch die meisten jüdischen Bewohner Leipzigs konnten sich eine Auswanderung gar nicht leisten. Sie waren einfache Angestellte, Kleingewerbetreibende, Arbeiter. Sie hatten gar nicht das Vermögen, um sich die Überfahrt und eine neue Existenzgründung in anderen Ländern zu kaufen. Sie erlebten die zunehmenden Repressalien der Nationalsozialisten mit aller Wucht, wurden ab 1933 zunehmend entrechtet und wussten spätestens ab dem Pogrom 1938, dass es um ihr Leben ging.

Wobei Rubovitch natürlich auch darauf eingeht, dass es der jüdischen Gemeinde in Leipzig tatsächlich gelang, über 1.000 ihrer Mitglieder die Ausreise zu ermöglichen. Doch das Verlassen Deutschlands war oft eben noch nicht die Rettung, denn spätestens mit den Überfällen Deutschlands auf seine Nachbarländer gerieten viele Geflüchtete doch wieder in die Fänge der Nazis. Im Anhang erzählen mehrere biografische Skizzen von einstigen Bar-Kochba-Sportlern, die auf diese Weise doch wieder in den Fängen der Nazis landeten und in deren Vernichtungslagern ums Leben kamen. Darunter auch Leo Bartfeld.

Wobei die Bar-Kochba-Geschichte ja aus zwei Teilen besteht. Denn in den ersten dreizehn Jahren war es einer von mehreren jüdischen Sportvereinen in Leipzig, die alle am ganz regulären Spiel- und Wettkampfbetrieb der Sportverbände teilnahmen und dabei auch Erfolge feierten. Unter dem Namen Bar Kochba gab es sogar zwei Vereine – denn um am Spielbetrieb des Verbands Mitteldeutscher Ballspielvereine (VMBV) teilnehmen zu können, durfte ein Verein keine politischen und auch keine religiösen Zwecke verfolgen.

Der Sportverein Bar Kochba hätte dort also niemals mit einer Fußballmannschaft spielen dürfen. Deshalb gründete sich ein eigener Sportclub Bar Kochba, der bewusst auch keine religiösen Zwecke in seine Satzung schrieb und fortan recht erfolgreich gerade in Mitteldeutschland kickte. Was auch deshalb gelang, weil einige namhafte Fußballer vom VfB Leipzig wechselten.

Trotzdem kann auch Rubovitch diese Zeit nur in Blitzlichtern streifen, weil das Material aus dem Vereinsarchiv fehlt. Wenn einmal jemand diese Zeit wirklich in all ihren Facetten aufarbeiten wollte, müsste er wohl ein ausgiebiges Studium der damaligen Zeitungen auf sich nehmen und die Sportseiten gründlich durchforsten nach Namen, Ergebnissen und Geschichten.

Rubovitch konnte zumindest an einigen Stellen auf die Erinnerungen älterer Augenzeugen zurückgreifen. Man merkt schon, dass auch diese Beschäftigung mit einem wichtigen Teil der Leipziger jüdischen Geschichte sehr spät kommt. Damit fehlen natürlich schon viele Zeitzeugenberichte und damit auch Anknüpfungspunkte, wo man gezielt weiter hätte forschen können.

Einige Bar-Kochba-Sportler schafften es natürlich nach Palästina und machten auch im jungen Staat Israel Karriere. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, welch einen Verlust Leipzig erlitten hat, als seine jüdischen Einwohner in die Mühlen der NS-Vernichtungsmaschinerie gerieten. Auch einen moralischen Verlust. Denn dass die Forschung zu Bar Kochba so spät begann, hat ja auch mit jahrzehntelanger Verdrängung und Verleugnung zu tun.

Und die Gegenwart zeigt, dass Antisemitismus noch immer virulent ist und Ewiggestrige alles dafür tun, ihn wieder salonfähig zu machen.

Deswegen ist das von Christoph Schumacher und dem Tüpfelhausen – Das Familienportal e. V. ins Leben gerufene internationale Fußballturnier um den Max-und-Leo-Bartfeld-Cup nicht nur ein Fest der Erinnerung, sondern auch eins der Mahnung. Gegen Antisemitismus hilft kein Wegschauen und Zuschweigen. Man kann nur aktiv dagegen anarbeiten – und das Fußballfest, das hoffentlich im Herbst doch noch stattfinden kann, ist ein buntes und lebendiges Zeichen für Weltoffenheit.

So wie dem ersten Kapitel des Sportvereins Bar Kochba mit den Jahren 1920 bis 1933 das beklemmende Kapitel der Jahre 1933 bis 1938 folgt, in denen die Nationalsozialisten auch die Arbeit des Sportvereins immer mehr einengten, so folgt der Bar-Kochba-Geschichte ein vielstimmiger Anhang, der sich mit dem Interkulturellen Fußballbegegnungsfest und den damit entstehenden neuen Kontakten auch nach Israel beschäftigt.

Darin wird auch von dem letztlich erfolglosen Versuch berichtet, das ehemalige Sportgelände von Bar Kochba wieder zum Sportplatz machen zu können. Aber das Fest hält die Erinnerung an den Sportverein Bar Kochba lebendig. Und mit diesem Buch, an dem auch die langjährige Direktorin des Sportmuseums, Gerlinde Rohr, mitwirkte, ist ein erster Baustein für eine mögliche weitere Beschäftigung mit dem Sportverein, der für viele Leipziger/-innen in der Weimarer Republik ein Ort der Identifikation war und später auch noch einige Jahre ein etwas geschützterer Raum in einem zunehmend von Antisemitismus dominierten Umfeld.

Yuval Rubovitch, unter Mitarbeit von Gerlinde Rohr Mit Sportgeist gegen die Entrechtung, Hentrich & Hentrich, Leipzig 2020, 14,90 Euro.

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Termintipp: Am Montag, 31. August, wird übrigens die Gedenktafel der Stadt Leipzig am ehemaligen Bar-Kochba-Sportplatz eingeweiht.

Die Einladung der Stadt: 4. Station der Leipziger Sportroute: Jüdische Sportvereine in Leipzig

Leipzig verfügt über eine lange und vielfältige Sporttradition. An diesen Teil der Leipziger Geschichte soll mit einer Sportroute erinnert werden. Im Vorfeld des Deutsch-Jüdischen Jahres „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ 2021 möchte die Stadt Leipzig mit der Einweihung der Station zum Thema Jüdische Sportvereine in Leipzig einen besonderen Akzent setzen.

Im Anschluss an den Pressetermin präsentiert am Buchtisch der Autor Yuval Rubovitch seine Publikation „Mit Sportgeist gegen die Entrechtung. Die Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba Leipzig“. Das unter Mitarbeit von Dr. Gerlinde Rohr erarbeitete Buch wird zur Einweihung der neuen Station der Sportroute Leipzig zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt.

Eine kleine Ausstellung mit Tafeln (erarbeitet vom Verein Tüpfelhausen – Das Familienportal e. V.) informiert mit Fakten und Bildern zum jüdischen Sport in Leipzig und zu dem nicht mehr vorhandenen jüdischen Sportplatz an der Delitzscher Straße. Auch werden Bar Kochba-Souvenirs angeboten.

Die Einweihung findet am Montag, 31. August, 17 Uhr an der Delitzscher Straße, nahe der Haltestelle „Hornbach Baumarkt“, statt.

Der Sportplatz von Bar Kochba soll schon 2020 seine Markierung als Ort der Sporthistorischen Route bekommen

Der Sportplatz von Bar Kochba soll schon 2020 seine Markierung als Ort der Sporthistorischen Route bekommen

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