Ein Rabbiner namens Zacharias Frankel soll bereits um 1835 einen Antrag gestellt haben, in Leipzig eine Synagoge zu gründen – vergebens. Aber die Reformbewegungen der Jahrhundertmitte führten dann schließlich 1855 zum Bau der Leipziger Synagoge. Weitere Einzelheiten sind nachzulesen in der „Geschichte der Juden in Leipzig“.

Nachfolgend seien einmal zunächst einige Tatsachen und zeitnahe Eindrücke von der Gründung und Einweihung des „Neuen Isrealitischen Tempels“, der später so genannten Großen Gemeindesynagoge – entnommen aus dem Familienblatt „Die Gartenlaube“ Nr. 40/1854 und dem „Leipziger Tageblatt“ (LT) v. 10.09.1854, 12.09. und 21.09.1855 – vorgestellt.

Dem Rabbiner Dr. Adolf Jellinek (†1893) gelang es nämlich, die Errichtung der Leipziger Synagoge durchzusetzen. Aber: „Freilich ist die Gleichstellung des jüdischen Cultus noch nicht gleichbedeutend mit bürgerlicher Gleichstellung, an welcher noch Manches zu wünschen übrig bleibt.“

In seiner Weiherede im September 1855 zitierte Jellinek den seit 1854 regierenden König Johann von Sachsen, als dieser noch als Prinz „die wahrhaft königlichen Worte sprach“, daß „es ihm leid tue, in einem Lande zu leben, wo Untertanen um Gleichstellung der Juden erst bitten müßten“. Das hinterließ einen tiefen Eindruck nicht nur bei den unmittelbar Anwesenden.

In der sich anschließenden Projektbeschreibung wird die mögliche Anzahl der Personen genannt:
„Das Gebäude wird 1600 Sitzplätze enthalten, demnach gegen 2000 Personen fassen, von welcher Zahl sich die kleinere Hälfte auf die Emporen vertheilen würde, von wo aus auf allen Plätzen, vermöge ihrer tribünenförmigen Anlage, das Ceremoniell wie der Prediger wahrgenommen werden können.“

Die Grundsteinlegung

Der Grundstein wird am 7. September 1854 früh 8 Uhr „in Gegenwart der Herren Vertreter der königl. Kreisdirection, des Stadtverordnetencollegiums, der Communalgarde und der Herren Prediger der verschiedenen Confessionen“ gelegt, meldet das Tageblatt 3 Tage später.

Weiter heißt es dann: „Der Prediger der israelitischen Gemeinde, Herr Dr. Jellinek, eröffnete diese Feierlichkeit mit einer passenden Rede, welche mit herzlichen Worten die wichtige Bedeutung dieses Actes hervorhob; derselbe wies dabei ganz besonders auch auf die Liberalität der städtischen Behörden und der christlichen Mitbürger der Stadt hin.“

Nach Referenzen auf sächs. Hoheiten dann weiter: „Herr Architekt Simonson aus Dresden, welcher den Bauriß entworfen hat und auch den Bau leitet, sprach auch einige passende Worte, worauf Herr Regierungsrath Ackermann, als Vorsitzender der Kreisdirection, die übliche Reihe der Hammerschläge eröffnete.

Nachdem die Urkunde über den Act der Grundsteinlegung vorgelesen worden war und der Vorsteher der Gemeinde, Herr Eugen Marx, eine kurze Ansprache an die Versammlung gehalten hatte, wurden die bezüglichen Schriftstücke und Denkmünzen dem Grundstein übergeben. Das Schlußwort sprach Herr Dr. Jellink und beendete damit diese schöne, von gegenseitiger Toleranz zeugende Feier.“

Das Familienblatt bemerkt quasi ergänzend: „Am genannten Tage wurde der Grundstein zu dem hehren Tempel der confessionellen Gleichberechtigung gelegt. Der erste liegt in Dresden, und über ihm wölbt sich bereits seit Jahren der fertige Bau, die von Semper, dem genialen Baumeister, erbaute erste jüdische Synagoge in Sachsen. Die zweite erbaut nun in der zweiten Stadt des Landes ein würdiger Schüler des Meisters.

Es ist eine überall zu machende Erfahrung, daß das Urtheil über die Juden da am ungünstigsten lautet, wo man am wenigsten mit ihnen in Berührung kommt; wie diejenigen am meisten Gespenster fürchten, welche oft davon erzählen hören, ohne in Lagen gekommen zu sein, wo die Erzähler sie gesehen zu haben behaupten.“

Verwiesen wird auf die Anwesenheit tausender jüdischer Kaufleute aus aller Welt während der Leipziger Messen. Ihnen fehlte hier die Möglichkeit, an einem würdigen Ort die in diese Zeit fallenden bedeutendsten jüdischen Festtage zu feiern. Um dies hier überhaupt zu können, waren sie auf über 20 speziell dafür eingerichtete, in der Stadt verstreute Zimmer angewiesen.

In Leipzig selbst wohnen (2007 dokumentiert in: „Spuren jüdischen Lebens in Leipzig“) 1846 rund 300 Juden; 1867 leben hier schon 1.150!

Die Einweihung

Fast auf den Tag genau ein Jahr später, am 10. September 1855, in den Abendstunden von 6 bis 8 Uhr, wird die Synagoge zu Leipzig eingeweiht.

„Die Festversammlung bildeten außer der hiesigen Gemeinde und den Abgeordneten verschiedener auswärtiger israelitischer Gemeinden, so vorzugsweise der Dresdner Schwesterngemeinde und fern wohnender, aber jetzt hier anwesender Israeliten, Einwohner Leipzigs aus fast allen Ständen. Königliche und städtische Behörden waren vertreten, so die h. Kreisdirection, das h. Appelationsgericht, der Stadtrath, die Stadtverordnetenschaft, die Universität, die Communalgarde, das Militair, die hiesigen Schulen und andere Corporationen durch ihre resp. Vorstände, Räthe und Mitglieder.“ Ein Gesang des Thomanerchores eröffnete die Feier.

Die Predigt hielt Rabbiner Adolf Jellinek und weihte von da aus den Tempel. Für uns interessant ist seine Erklärung der hebräischen Überschriften über den drei Türen der Synagoge: Über dem Hauptportal stand: „Gesegnet sei Jeder, der da kommt im Namen des Herrn, wir grüßen euch aus dem Hause des Herrn. Mächtig zeigte sich der Herr, indem er uns leuchtete.“ Über dem ersten Eingang stand: „Haus Jacobs auf, und lasset uns wandeln im Lichte des Herrn!“ Und über dem zweiten Eingang standen die Worte: „Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker.“

Nach Predigt und Weihe singt man zum Abschluß der Feier der Psalm 100 von Felix Mendelssohn-Bartholdy vom Chor herab.

Am späten Abend nach 9 Uhr versammeln sich noch viele Teilnehmer zu einem Festmahl im Hotel de Prusse. Gedichte werden vorgetragen, Toaste erheitern die Tischgäste. „Herr Dr. med. Heyner, als Gast anwesend, sprach in einem längeren Toaste den Wunsch aus, daß bald eine allgemeine Emancipation der Juden erfolgen, und daß der Geist allgemeiner Bruderliebe ohne allen Unterschied der Confession allgemein herrschend werden möge, auch bezeichnete er den Bau hiesiger Synagoge als ein hochwichtiges erfreuliches Ereigniß für die Geschichte unserer Stadt, für Sachsen, ja für das gesammte liebe Deutschland.“

Mit einem Vorwort von Adolf Jellinek erscheinen in der Leipziger Dürr’schen Verlagsbuchhandlung „Tafeln zur gegenseitigen Verwandlung jüdischer und christlicher Zeitangaben oder Immerwährender Kalender vom Jahre 4118 (358) bis 5810 (2050)“ von Dr. G. A. Jahn. Mit französischer und englischer Übersetzung des Textes.

Am 17. September 1855 wird der Besuch des Königs Johann von Sachsen für den 19., einem Mittwoch, angekündigt. Er trifft ¼ 9 Uhr hier ein und bleibt bis Donnerstag früh, um verschiedene private und öffentliche Einrichtungen, 19 an der Zahl, zu besichtigen.

Die vorletzte Station ist „Der neue Judentempel. Hier wurde der Hohe Besucher vom Rabbiner Herrn Jellinek in priesterlichem Ornate, von dem Vorsteher der Gemeinde Herrn Kaufmann Merfeld von hier und dem Baumeister des Tempels Herrn Simonson aus Dresden empfangen“, so das LT v. 21.09.1855.

83 Jahre später eine Schandtat, die nie vergessen werden darf

Nach der geschilderten feierlichen Einweihung der Synagoge wird 83 Jahre später ein Novemberpogroms überall im Lande veranstaltet: Jüdische Geschäfte werden geplündert, jüdische Mitbürger aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben, Synagogen ein Raub der Flammen.

Am frühen Morgen des 10. November 1938 machen sich SA-Trupps in Zivil und mit gefüllten Benzinkanistern auf, um auch in Leipzig ein Pogrom zu veranstalten. Die Gemeindesynagoge, unmittelbar westlich des Promenadenrings auf dem Eckgrundstück Gottschedstraße 3/Zentralstraße gelegen, nur 80 Meter vom Sitz der NS-Kreisleitung entfernt, wird ab halb vier Uhr früh ein Raub der Flammen.

Nun gibt es aber (auch an dieser Stelle) eine Lücke im Leipziger Stadtbild. Es muss was geschehen.

„Statt Synagoge Geschäfts- und Wohnhaus“ — na endlich! Die „Leipziger Neuesten Nachrichten“ geben am 28. Februar 1939 einen Lichtblick fürs wartende Volk. (Man erfährt so ganz nebenbei, wer den Abbruch der Ruine zu bezahlen hat: natürlich die Juden): „In nicht zu ferner Zeit wird auf dem Grundstück Gottschedstraße 3 die Bautätigkeit beginnen. An die Stelle der ehemaligen Synagoge soll ein Geschäftshaus kommen, so daß sich die Baulücke zwischen Gottsched- und Zentralstraße wieder schließt.

Als am 10. November vorigen Jahres die Synagoge an der Gottschedstraße in Flammen aufgegangen war, setzten sofort die Bemühungen ein, die Reste des Gebäudes so schnell wie möglich abzubrechen. Schließlich konnten sie in dieser Verkehrslage nicht monatelang stehen bleiben. Der Abbruch, der auf Kosten der Grundstücksbesitzerin, der Israelitischen Religionsgemeinde, durchgeführt werden mußte, wurde darum von der Stadtverwaltung alsbald veranlaßt und trotz mancher Schwierigkeiten auch in ziemlich kurzer Zeit durchgeführt.

Dann aber setzte das große Rätselraten ein, was nun mit dem großen Platz werden würde. Als er einigermaßen eingeebnet war, wurde er in Zeiten starken Verkehrs, ohne daß er an sich dafür vorgesehen war, als Parkplatz verwendet, und man hörte schon vielfach die Meinung, daß dies eine recht zweckmäßige Ausnützung sei. Diese Auffassung konnte allerdings nicht restlos geteilt werden.

Die Baulücke mit den angrenzenden, unverputzten Gebäudemauern und dem Durchblick nach Hinterhäusern macht einen wenig schönen Eindruck, und es wären bestimmt deutliche Veränderungen notwendig geworden, wenn man auf eine Wiederbebauung des Grundstücks hätte verzichten wollen.

Außerdem ist die Bedarfsfrage für einen Parkplatz gerade in dieser Lage durchaus nicht dringend, da sich am Promenadenring, an der Thomaskirche und weiterhin am Fleischer- und Schulplatz genügend Möglichkeiten zum Abstellen von Fahrzeugen bieten, die außerhalb der Messe zunächst noch bei weitem nicht voll ausgenützt werden.

Städtebaulich würde diese Baulücke auch keinen guten Eindruck machen, selbst wenn man die jetzigen Mängel beseitigen könnte. Die Ecke der Gottsched- und Zentralstraße bedarf einer abrundenden Bebauung, die bestimmt wirkungsvoller erfolgen kann, als mit den bisherigen Judentempel. Darum ist auch vorgesehen, hier möglichst bald wieder ein Haus zu errichten, das in seinem Erdgeschoß Läden, im übrigen Geschäfts- und Wohnräume erhalten soll.

Wenn auch die Planung im einzelnen noch nicht vollkommen festgelegt und noch gewisse Auseinandersetzungen mit der Grundstücksbesitzerin notwendig sind, so wird doch dafür Sorge getragen werden, daß mit dem Aufbau recht bald begonnen werden kann. Während der Meßtage wird der freie Platz sicherlich eine willkommene Parkgelegenheit sein, die man gern ausnützen wird.“

Dabei bleibt es dann auch: jahrzehntelang ein Parkplatz, später wird da noch eine Trafostation mit hingestellt.

Nicht nur an dieser Stelle hat es in der Pogromnacht gebrannt – von den 13 Leipziger Synagogen ist lediglich die Brodyer-Synagoge im Wohnhaus Keilstraße 6 verschont geblieben. In Deutschland sollen 281 Synagogen und 7500 jüdische Geschäfte vernichtet bzw. verwüstet worden sein.

Kundgebung: „365 Tage 7. Oktober. Solidarität mit Israel. Gegen jeden Antisemitismus“. Gedenkstätte Alte Synagoge in der Gottschedstraße, 7. Oktober 2024. Foto: Jan Kaefer
Kundgebung: „365 Tage 7. Oktober. Solidarität mit Israel. Gegen jeden Antisemitismus“. Gedenkstätte Alte Synagoge in der Gottschedstraße, 7. Oktober 2024. Foto: Jan Kaefer

Mehr darüber kann bei Wolfgang Hocquél in seinem 1990 erschienenen Buch: „Leipzig. Baumeister und Bauten. Von der Romantik bis zur Gegenwart“ nachgelesen werden.

Der den Brandstiftern den Befehl gab – blieb er ungeschoren?

Der Befehlsgeber der SA-Zündler heißt Ernst Karl Wettengel (*22.01.1903 in Niederreuth; †30.08.1981 bei Fellbach) – zunächst ab Oktober 1937 Kommissarischer und von 1938 bis 1943 Hauptamptlicher Kreisleiter für die Stadt Leipzig und zugleich als Gauinspekteur der NSDAP im Gau Sachsen eingesetzt.

Gemeinsam mit seiner Frau Johanna bezieht er im Oktober 1937 eine Wohnung in der 2. Etage der Leipziger Scheffelstraße 53.

Als NSDAP-Kreisleiter berichtet Wettengel der Gauleitung Sachsen am 15. März 1938 über die bisher gegen Juden getroffenen Maßnahmen, „um die Juden aus dem öffentlichen Leben nach und nach immer mehr auszuschalten und ihr Betätigungsfeld einzuschränken“.

Als Gauinspekteur weiß er und berichtet, dass rund 18.000 Juden in seinem Bereich wohnen, davon allein zwei Drittel in Leipzig. Die in letzter Zeit sich häufenden Anfragen zur Erteilung einer Auswanderungs-Erlaubnis werden anstandslos erteilt, stellt er gleich eingangs mit Genugtuung fest, und führt das auf allgemeine und örtlich erlassene Einschränkungen zurück.

Der Gauleitung gibt er nun eine „kurz(e) Kenntnis von den seitens der Partei in Zusammenarbeit mit der städtischen Verwaltung getroffenen Massnahmen“: „Die städtische Verwaltung macht keinerlei Geschäfte mehr mit Juden; Juden erhalten keinerlei Darlehen, auch nicht von der Sparkasse; bei Ausschreibungsangeboten und Lieferungsaufträgen sind Juden nicht mehr dabei; Juden dürfen nicht betreten: Gemeinschaftsbäder, Leihhaus, städtische Bücherhallen; Angehörige der israelitischen Religionsgemeinde dürfen keine Feiern in städtischen Friedhöfen abhalten.

Beisetzungen müssen gestattet werden, obwohl ein israelitischer Friedhof vorhanden ist; Für Juden ist die öffentliche Fürsorge eingeschränkt; Auf Antrag werden Auswanderer-Beihilfen gezahlt, um ihre Gesellschaft bald los zu sein; Land wird an Juden nicht verpachtet; Auf den Messen und Märkten der Stadt werden die Juden beschränkt zugunsten arischer Aussteller; Den Vieh- und Schlachthof dürfen jüdische Vieh-Agenten und Großschlächter nicht mehr benutzen; Juden dürfen in Sportvereinen nicht mehr Mitglied sein. In Leipzig bestehen z.Zt. noch 2 jüdische Sportvereine, die auch eigene Sportplätze haben.

Der Sportbetrieb von Juden auf städtischen Sportplätzen ist untersagt; An der Kinderspeisung dürfen Judenkinder nicht teilnehmen; Die Mitteldeutsche Börse ist seit kurzem judenfrei, den Juden wurden die Erlaubnisscheine entzogen; Wandergewerbescheine und Reiselegitimationskarten werden an Juden nicht mehr ausgegeben; Bisher mussten neu nach Leipzig zuziehende Juden, wenn sie keine Wohnung hatten, im Obdachlosenhaus untergebracht werden.

Z.Zt. läuft bei der Stadt von uns ein Antrag, den Juden auch das Obdachlosenhaus zu verbieten; Zur Zeit wird die Frage behandelt, inwieweit den Juden das Betreten der im Herzen der Stadt liegenden Grünanlage „Rosenthal“ verboten werden kann. Es stösst dies auf einige Schwierigkeiten, da grössere öffentliche Wege durch das Rosenthal führen.

Eine Aktion ist in Vorbereitung, die Juden aus den arischen Kaffeehäusern zu vertreiben. Späterhin soll dann ein Verbot für sämtliche Gaststätten, evtl. von Anbringen von Schildern „Eintritt für Juden verboten“, ausgesprochen werden. Weigern sich Gaststätten, dieses Schild anzubringen, werden sie von uns gemieden; Eine Erfassung der Juden, die z.Zt. noch Geschäftslokale in städtischen Häusern innehaben, ist im Gange. Jede Gelegenheit wird wahrgenommen, um die bestehenden Mietverträge mit Juden aufzuheben.”

Das Jahr 1944 erlebt Wettengel als NS-Führungsoffizier des 36. Armeekorps der Wehrmacht.

Der einstige SA-Obersturmbannführer und Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP Ernst Karl Wettengel verbringt sein Leben von Juli 1950 bis zu seinem Tode am 30. August 1981 in Fellbach. In den dortigen Adressbüchern findet man ihn unter der Adresse Gartenstraße 67 als „kaufm. Angestellter“ (ab 1951), danach als „Lagerverwalter“ (ab 1955-1979).

Ihm gelang es fast, als harmlos-normaler Bürger unterzutauchen. Immerhin aber gab es gegen ihn durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Stuttgart Ermittlungen wegen Mordes und Brandstiftung in der Reichskristallnacht in Leipzig (Ermittlungssachen zu NS-Gewaltverbrechen, Schwurgerichtssachen >> 1. Ermittlungsakten >> 1.2 Js-Akten des Jahrgangs 1959)!

Die Akten liegen im Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 317 III Bü 7.

Interessenten können sich also auf eine weitere Spurensuche begeben und der Frage nachgehen, ob die Ermittlungen zu einem Ergebnis zum Nachteil des NS-Täters Wettengel geführt haben.
Die allgemein zugänglichen Quellen schweigen sich über diese Ermittlungen aus.

Von den 96 Epigrammen des Henryk Keisch, die der Rostocker Hinstorff-Verlag 1965 herausgebracht hat, scheint mir ein Text den Erwartungen an die Ahndung des NS-Verbrechens irgendwie verdächtig nahezukommen:

„Es liefern von nun an dem Tribunal
die Angeklagten das Beweismaterial.
Im Himmel herrscht Freude. Dank dem neuen Verfahren
erwartet man Unschuldsengel in Scharen.“

Ehrendes Gedenken ohne Wenn und Aber

Der einstige Standort der Leipziger Synagoge ist heute ein Ort des Gedenkens.

Seit seiner Einweihung am 18.11.1966 erinnert ein Gedenkstein aus Cottaer Sandstein, von Hans-Joachim Förster entworfen, an die hier durch Brandstiftung faschistischer Horden zerstörte Große Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinde unweit ihres ursprünglichen Standortes.

1997 wird die Stadt Leipzig Eigentümerin des Grundstückes. Zwei Jahre später wird gemeinsam mit der Israelitischen Religionsgemeinde ein Wettbewerb zur Gestaltung des Areals als Gedenkort ausgelobt. Die Entscheidung fällt schließlich auf den Entwurf von Sebastian Helm und Anna Dilengite. Im Oktober 2000 beschließt der Leipziger Stadtrat die Umgestaltung des Synagogen-Grundstückes zu einem großflächigen Mahnmahl. Es hat den Grundriß des zerstörten Gebäudes von 12 × 12 Metern und wird am 24. Juni 2001 eingeweiht.

140 Stühle aus Bronze in Reih und Glied stehen auf einer Rampe, umgeben von einer kleinen Mauer. Auf einer, das Areal westlich abgrenzenden Wand aus Sichtbeton stehen Gedenkworte auch über den Verlust an architektonischer Kultur in englischer, deutscher und hebräischer Sprache auf drei Bronzetafeln.

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