Eigentlich denkt man bei steinreich eher an Beucha, nicht an Taucha. Doch auch die Stadt an der Parthe hatte dereinst eine Steinbruchgeschichte. Etliches, was in Leipzig in Straßen verbaut ist, stammt aus Taucha. Genauer: Aus zwei jahrhundertealten Steinbrüchen. Die man aber nicht mehr besichtigen kann. Zumindest einer ist heute Teil jener durch Menschen geschaffenen Seenlandschaft, über welche die beiden Geologen Lothar Eißmann und Frank W. Junge in ihrem Standardwerk zum mitteldeutschen Seenland geschrieben haben.

In vier Bänden haben sie sichtbar gemacht, wie viele künstliche Gewässer in Mitteldeutschland entstanden sind, weil hier seit Jahrhunderten Bergbau betrieben wurde und die Bewohner aus der Erde holten, was sie zum Wirtschaften brauchten – es entstanden Sand-, Kies- und Tongruben, Kohlegruben und Steinbrüche. Manchmal brachen auch unterirdische Stollen ein und verursachten oberirdische Krater, in denen dann neue Seenbiotope entstanden.

Dass es das auch in Taucha gibt, wissen heute selbst viele Tauchaer nicht. Auch nicht, warum das mit einem vulkanischen Zeitalter zu tun hat, das diese Region vor rund 290 Millionen Jahren formte und jene riesigen Gebirge aus Vulkangestein schuf, die östlich von Leipzig da und dort noch als blankgeschliffene Kuppe aus den späteren Überlagerungen ragen. In Taucha traten die alten Steinformationen an zwei Stellen an die Oberfläche: im Döbitzer Berg bei Dewitz und im einstigen Cradefelder Berg bei Graßdorf.

Letzterer mit der Übernahme des kompletten Gutes Graßdorf, seit 1575 im Besitz der Stadt Leipzig, die den Steinbruch dann spätestes ab dem 18. Jahrhundert als Ratssteinbruch betrieb. Während der Döbitzer Steinbruch in Landesbesitz war. Sodass sich die Geschichte beider Steinbrüche zwar ähnelt – aber auch deutliche Unterschiede aufweist.

Auf vulkanischen Bergen

Aber bevor Frank W. Junge auf die konkrete Geschichte dieser beiden Steinbrüche zu sprechen kommt, nimmt er die Leser des Buches mit in die lange Vorgeschichte der Tauchaer Landschaft, die sich tatsächlich nicht nur auf Taucha beschränkt, sondern Teil der großen vulkanischen Formation ist, die sich über große Teile Nordsachsens und des Landkreises Leipzig erstreckt.

Nur eben an wenigen Stellen noch als herausragende Gesteinsformation zu sehen. Ansonsten überdeckt durch mächtige Schichten etwa jener Moorlandschaften, aus denen die mitteldeutsche Braunkohle entstand, und natürlich die Sedimente der letzten Eiszeit, die auch bei Taucha Endmoränen ausbildeten.

Junge erklärt natürlich auch, welches spezielle Vulkangestein jeweils in den diversen Steinbrüchen der Region sichtbar und abgebaut wurde. Dabei „leuchtet“ er tief hinein in die geologischen Formationen unter unseren Füßen. Und er zeigt auch, wie die gewaltigen Gletscher der Eiszeit auch die noch vorhandenen Spitzen der einstigen vulkanischen Berge abschliffen. Die Schleifspuren des Eises auf diese runden Bergkuppen waren im 19. Jahrhundert der Anlass dafür, überhaupt erst einmal belastbare Theorien für den Vorstoß des Gletschereises bis nach Mitteldeutschland aufzustellen.

Und auch in den beiden Tauchaer Steinbrüchen waren diese Schleifspuren der Gletscher zu sehen – bis die Felsen entweder gesprengt wurden oder man – wie den einstigen Ratssteinbruch bei Graßdorf – den Steinbruch zur Bauschuttdeponie umwandelte und komplett verfüllte und abdeckte. Mit der Folge, dass von diesem Steinbruch heute nichts mehr zu sehen ist als der abdichtende Mantel der Deponie.

Denn wie es eigentlich zu erwarten war – die Genehmigungsbehörden Anfang der 1990er Jahr haben die Belastung des Bauschutts nicht allzu ernst genommen, das Regenwasser spülte die Schadstoffe aus der Bauschuttdeponie ins Grundwasser. Die Deponie musste also regendicht gemacht werden. Der Schutt unserer Zivilisation mit all seinen Giftstoffen verschwindet eben nicht einfach.

Erinnerung an die Steinbrucharbeiter

Vom Steinbruch bei Dewitz existiert der runde Abbaukrater noch. Er ist – wie das mit ehemaligen Steinbrüchen so ist – längst voll Grundwasser gelaufen. Ein blaues Juwel in der Landschaft, das aber für die Öffentlichkeit nicht erlebbar ist, weil sich Taucha entschied, die Grundstücke rings um den Steinbruchsee an private Eigentümer zu verkaufen, sodass diese quasi einen eigenen blauen See vor der Haustür haben.

Aber die Geschichte der Steinbrüche ist natürlich auch lokale Geschichte. Sie hat das Wirtschaftsleben geprägt, hat hunderten Bewohnern von Taucha und den umliegenden Ortschaften Arbeit gegeben – und zwar nicht nur Männern. Auch Frauen haben hier gerackert und schwere körperliche Arbeit beim Zerkleinern des Steinguts geleistet. Junge erzählt die jeweilige Nutzungs- und Pachtgeschichte der beiden Steinbrüche, schildert aber auch, wie die Steine dann abtransportiert wurden – zumeist nach Leipzig, wo gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein gewaltiger Bedarf an Straßensteinen entstand. Und der Tauchaer Porphyr eignete sich ideal für die verschiedensten Zwecke vom Unterbau bis zum Straßenpflaster.

Während der Steinbruch Döbitz zumindest Bahnanschluss hatte, konnte das Steingut aus dem Ratssteinbruch lange Zeit nur mit Pferdefuhrwerken nach Leipzig transportiert werden. Das rief immer wieder den Tierschutzverein auf den Plan. Auch darüber schreibt Junge, der aus einigen lehrreichen Dokumenten aus den überlieferten Archiven so einiges zitieren kann zum Umgang auch der Stadt Leipzig mit ihrem Steinbruch, den Pächtern und auch den dort Arbeitenden.

Die rückt Junge am Ende des Buches noch einmal dezidiert in den Fokus und erzählt die Lebensgeschichten einiger dieser Steinbrucharbeiter, sodass auch der heutige Leser eine Vorstellung bekommt vom Leben und Arbeiten der Menschen, die sich damals im Steinbruch verdingten.

Steine mit Geschichte

Beide Steinbrüche wurde auch noch in DDR-Zeiten betrieben, aber dann doch wegen Unrentabilität eingestellt. Für Geologen waren sie sehr erhellende Fenster in die geologische Geschichte unserer Region. Auch die Verwitterungsprozesse der Gesteine waren bestens zu studieren. Und so ist es eigentlich nur folgerichtig, dass Junge jetzt ein solches Buch ganz speziell zum Tauchaer Vulkangestein und zu den beiden Steinbrüchen geschrieben hat, angereichert mit vielen geologischen Skizzen und vielen historischen Aufnahmen, die eine Vorstellung von der Arbeit in den Steinbrüchen geben. Ungefährlich war diese Arbeit auch nicht, wovon etliche Nachrichten zu Unfällen erzählen.

„Heute ist vom Tauchaer Porphyrfels und von den ehemaligen Tauchaer Steinbrüchen wenig Sichtbares geblieben und auch von der Arbeit und vom Leben der in ihnen tätigen Steinarbeiter selten Überliefertes zugänglich“, schreibt Junge. So gesehen macht er hier eben auch ein ganz besonderes Stück Tauchaer Wirtschaftsgeschichte sichtbar.

Und setzt selbstverständlich auch den Menschen ein kleines Denkmal, die dereinst in den Steinbrüchen arbeiteten und eine Stadt wie Leipzig mit Unmengen von Pflastersteinen versorgten, über die man heute spaziert, ohne sich ihrer Herkunft oder gar der 290 Millionen Jahre alten Entstehungsgeschichte bewusst zu sein.

Frank W. Junge „Steinreiches Taucha“, Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2023, 28 Euro.

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