Im Dichterhaushalt hängt der Haussegen schief. Mama und Papa haben sich richtig zerstritten. Das passiert auch unter Leuten, die beide Gedichte schreiben. Manchmal fehlen dann einfach die Worte, um wieder offen füreinander zu sein. Dumm nur: Da ist auch noch William, der nach dem Mittagessen im Wohnzimmer spielt.
Den Kopf voller Gedanken. Denn wenn die Eltern nun schon seit Wochen nicht mehr reden, dann macht das auch die Kinder ratlos. Nur manchmal passiert dann ein kleines Wunder.
Denn wer so etwas erlebt hat, weiß, wie schwer es ist, aus so einer Missstimmung wieder rauszukommen. Erst recht, wenn nicht einmal die vorsichtigen Interventionen der Kinder helfen. Der große Bruder Paul zieht sich ja danach immer mit seinem Buch in sein Zimmer zurück.
Nur William wühlt das weiter auf, auch wenn er es nicht zeigt. Wie geht man mit diesen verflixten Erwachsenen um, wenn die sich nur noch anschweigen und gedankenverloren vor sich hinschauen? Geht jetzt alles kaputt?
So eine kleine Ahnung ist dabei: Hier schreibt auch ein Leipziger Dichter-Vater über seine eigenen Ängste. Denn Sprachlosigkeit in so einer Situation macht doppelt Angst. Wie löst man das auf? Wie baut man wieder Brücken, ohne dass noch mehr kaputtgeht?
Sei mutig, William!
Und wie gehen die Kinder damit um? Erst recht, wenn das nicht zum ersten Mal passiert? Es ist also ein echtes Problem, von dem Carl-Christian Elze hier erzählt, indem er die ganze Geschichte aus Williams Perspektive zeigt, der sich gerade mit seiner Spielzeugburg beschäftigt, als er ein Summen hört.
Das sich dann bald als eine dicke, schillernde Fliege erweist. Und die summt und brummt nicht nur und zieht torkelnd ihre Kreise. Die kann auch sprechen. Denn es ist der Fliegenkönig, der noch dazu William heißt.
William der Einhundertvierundzwanzigste. Fliegen leben ja nicht so lange. Aber der Fliegenkönig hat Zauberkräfte. Und die braucht es nun auch, denn sein eines Schwingkölbchen ist ausgerastet, er kann also nicht mehr richtig steuern beim Fliegen.
Da kann nur William helfen. Aber auch nur, wenn er sich winzigklein schrumpfen lässt. So geht das zu in den Spielzimmern der Dichter. Mit Phantasie findet man für alles eine Lösung. Und es wird richtig aufregend, denn natürlich ist keiner von beiden Williams perfekt.
Sodass die Reparatur des Schwingkölbchens schon ein Abenteuer wird, bei dem sich die Kinder beim Vorlesen dieser Geschichte irgendwo festhalten müssen. Eine echte Mutprobe für William, dem der Fliegenkönig freilich auch versprochen hat, ihm nachher zu helfen bei der Sache mit seinen Eltern. Der Papa sitzt derweil grübelnd über seinem Laptop in der Küche, die Mama hockt im Sessel in der Stube.
Wenn Zaubern nicht hilft
Hat der Fliegenkönig da ein richtiges Geheimrezept, wie man das verbissene Schweigen brechen kann? Schnell merkt William, dass dem nicht so ist. Bei solchen Dingen wirkt kein Zauber, da geht es um Worte. Um die richtigen Worte. An der richtigen Stelle. Und eigentlich geht es zuallererst um William.
Es ist seine Not, die eine Lösung braucht. Und die Lösung ist sogar ganz eingängig, geradezu logisch. Sie wird hier aber nicht verraten. Denn das sind ja die Geschichten, die in unserem Leben ständig passieren und wo wir oft genug in Wüsten ohne Worte gelandet sind und einfach Angst davor haben, dass wir wieder die falschen Worte benutzen und die Sache damit noch schlimmer machen.
Denn so ganz aus dem Nichts kommt ja das Schweigen der Eltern nicht. Da sind zwei in sich gefangen, die sich ganz bestimmt auch nicht noch mehr verletzen wollen, selbst aber auch nicht wissen, wie sie aus der Sache wieder herauskommen sollen.
Und darin werden sich viele Erwachsene wiedererkennen. Auch in dem verbissen schreibenden Vater am Küchentisch, der selber merkt, dass ihn das Schweigen eigentlich am Schreiben hindert, auch wenn er weiter die Tasten drückt.
Letztlich ist es tatsächlich William, der mit Hilfe des Fliegenkönigs diese so wichtigen Brücken bauen kann, die die beiden Großen aus ihrer Erstarrung holen und nicht nur die Schreibblockade lösen, sondern auch diese verklemmte Situation, aus der die Großen allein nicht herauskommen.
Und wo dann eben die Kleinen mal deutlichst sagen müssen, wie sie sich fühlen und was dieses Schweigen in der Wohnung mit ihnen macht. Und der Fliegenkönig bringt dem Jungen noch etwas bei: Dass es für so etwas kein vorgefertigtes Zaubermittel gibt, das man einfach mal einsetzt, und schon ist alles wieder gut. Den richtigen Einfall muss schon William selbst haben. Und er hat ihn auch.
Am Ende ist es tatsächlich ein Gedicht, das die letzte Brücke baut. So wie eben Dichter dann doch zu Worten finden. So wird das beinah zu einer Geschichte aus dem richtigen Leben, wo nicht immer ein hilfreicher Fliegenkönig bereit ist, in vertrackten Situationen auf seine Weise zu helfen.
Und wenn es ihn nicht gibt, kann man ihn sich ja ausdenken, wenn man mal wieder nicht weiß, warum seit Wochen dieses grässliche Schweigen herrscht und keiner sich mehr traut, dem anderen auch nur etwas Aufmunterndes zu sagen.
Carl-Christian Elze William und der Fliegenkönig Voland & Quist, Berlin und Dresden 2025, 18 Euro.
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