In Norwegen muss es noch Mücken geben. Mücken, die auch kleine Schweinchen piesacken, wenn die einfach nur gemütlich im Wald die Stille genießen wollen. Ein dünnes, hohes Summen. Ein Stutzen. Ein Pieks. Und das Ferkel mit dem nicht geringelten Ringelschwanz hat ein Problem. Denn so ein Stich tut weh. Und brennt. Also muss Hilfe her. So geht das los mit Bjørn F. Rørviks neuer Geschichte aus dem norwegischen Wald, wo Ferkel und Fuchs zu Hause sind.

Es ist eine richtig wilde Kindergeschichte. So wie sie Kinder lieben. Einfach verrückt, so wie man sich das vorstellt, wenn Fuchs und Ferkel jetzt eine Lösung suchen für ein Problem, das einen zwickt. Und für das ja bekanntlich Menschen auch schon Lösungen gesucht haben. Mückenspray ist ja keine neue Erfindung. Wegkeulen, die lästigen Biester. Plattmachen. Tabula rasa. Aber wer hat zuletzt einen Mückenschwarm gesehen? Wo gibt es noch welche?

Stark wie Elefantenfürze

Irgendwie ist dieser sehr witzige Versuch von Ferkel und Fuchs, das Mückenproblem zu lösen, sehr menschlich. Auch wenn Fuchs so ein Zeug wie Mückenspray nicht in seinem Bau hat. Dafür lauter vergammeltes altes Zeug, das stinkt wie Elefantenfürze. Und irgendwie ist ja bekannt, dass Elefanten sich mit brachialen Elefanternfürzen gegen die blutsaugenden afrikanischen Mückenschwärme wehren. Also braucht man doch auch lauter richtig stinkendes Zeug, das wie Elefantenfurz funktioniert und die Mücken bewusstlos aus dem Himmel rieseln lässt.

Gesagt, getan. Es ist eine schöne Szene für experimentierfreudige Kinder, die sowieso schon immer wieder in die Vorratsschränke von Papa und Mama illern, was da so für wilde Pasten, Tinkturen und klebrige Massen herumstehen, die man vielleicht in einem wilden Experiment in etwas verwandeln könnte, das richtig Rabatz macht – ein selbstgemachtes Mückenspray zum Beispiel.

Auch wenn sie in diesem Fall auch noch kennenlernen, was im Kühlschrank mit alter Milch und altem Käse passiert, wenn man sie dort ein paar Jahre lang vergisst. Aber in Rørviks Geschichte, die wieder Claudia Weikert mit Lust am kindliche Drama illustriert hat, klappt das natürlich. Denn wenn etwas noch stärker als Elefantenpupse stinkt, dann muss es wirken. Und wirkt auch, als Fuchs und Ferkel sich mit der stinkenden Paste ordentlich einreiben: Die Mückenschwärme fallen vom Duft erschlagen vom Himmel. Alles wäre prima.

Wäre da nicht ein kleines Problem mit einem Raubtier mit zehn Buchstaben, das just in dem Moment munter wird, als es die wunderbare Elefantenpups-Wolke riecht. Denn die besteht auch noch aus etwas, von dem der Fuchs gar nicht mehr wusste, dass es in der Tube war.

Einfache Geschichten sind immer falsch

Auch das ist so ein kleiner Fingerzeig eines kindererfahrenen Autors, der weiß, dass die üblichen Kindergeschichten alle falsch sind. Es gibt für nichts eine einfache Lösung. Daran glauben nur Idioten im Weißen Haus. Es kommt immer anders, als man denkt. Denn wie gesagt: Im Wald gibt es nicht nur Mücken, sondern auch ein bissiges Raubtier mit zehn Buchstaben, vor dem sich die beiden wie Elefantenpupse stinkenden Freunde dann natürlich eiligst retten müssen.

Oder so formuliert: Wer die lebendige Natur immer nur mit chemischen Keulen traktiert und dann jubelt, dass er lauter „Schädlinge“ vom Himmel geballert hat, der bekommt die Rechnung das nächste Mal von unvorhergesehener Seite. Unsere Welt ist nicht linear, so schön unterkomplex, wie sie die Flachflieger aus der Großmaultruppe immer darstellen. Genau deshalb sind ja kluge Politiker so vorsichtig, versuchen sich erst mal Rat zu holen, bevor sie kraftmeiernde Beschlüsse fassen. Alles hat eben nicht nur eine Wirkung, sondern auch immer Nebenwirkungen. Und meistens sind die Nebenwirkungen schlimmer als die Wirkung.

Zumindest sind sie meist unerwartet und der Depp, der ebne noch glaubte, mit einem riesigen Elefantenfurz die Lösungen aller Lösungen bewirkt zu haben, steht da mit einem Kladderadatsch von Folgen, die der arme Tropf so nie erwartet hätte. Natürlich nicht. In seiner Welt gibt es keine Folge-Folgen, keine Nebenwirkungen und Langzeitschäden. Seine Kopf-Welt ist eine Erbse.

Na gut: Erbsen kommen in dieser Geschichte nicht vor. Auch nicht in vergammelter Form. Nur zwei gute Freunde, die am Ende rennen und abtauchen müssen, dafür aber hinterher blitzsauber sind. Und überglücklich, vom wilden Tier mit zehn Buchstaben nicht gefressen worden zu sein. Was ist da schon ein Mückenstich? Ein etwas heftiges Zeichen dafür, dass man noch am Leben ist. Auch so kann man das sehen.

Und wer noch am Leben ist, kann mit dem Fuchs in seiner Höhle Kreuzworträtsel lösen. Und weiß dann auch, wie das wilde Tier mit zehn Buchstaben heißt, vor dem man sich am besten schützt, wenn man eben nicht wie Mückenabwehrpampe stinkt.

Bjørn F. Rørvik, Claudia Weikert „Fuchs & Ferkel. Tücken mit Mücken“ Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2025, 16 Euro.

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