Ganz schnell, so suggerierte Sachsens Kultusminister Conrad Clemens am Dienstag, 18. November, sollen die von ihm angeordeten Maßnahmen die Unterrichtsversorgung in Sachsens Schulen spürbar verbessert haben. An diesem Tag stellte er die aktuellen Kenndaten zur Unterrichtsversorgung mit Stichtag 1. Oktober vor, also gerade einmal ein paar Wochen nach Schuljahresbeginn. Eine Schnell-Meldung, an der die Bildungsgewerkschaft GEW postwendend ihre Kritik anbrachte.

Der planmäßige Unterrichtsausfall sei zu Beginn des neuen Schuljahres das erste Mal seit 10 Jahren rückläufig, meldete das Kultusministerium. Im August fielen in Sachsens Schulen planmäßig 3,1 % der Unterrichtsstunden aus (Vorjahr: 3,6 %) und im September 3,2 % (Vorjahr: 3,7 %). Die deutlichste Verbesserung habe es in den Oberschulen gegeben (August: von 8 % auf 5,8 %, September: von 7,8 % auf 5,8 %). Auch der außerplanmäßige Unterrichtsausfall etwa durch Krankheit, Fortbildungen oder schulische Veranstaltungen sei an Sachsens Schulen geringer als im Vorjahr gewesen (August: von 3,8 % auf 3,4 %, September: von 5,6 % auf 5,4 %). Die komplette Statistik zum planmäßigen und außerplanmäßigen Unterrichtsausfall soll – wie in den Vorjahren – nach jedem Schulhalbjahr schulscharf veröffentlicht werden.

Damit hat diese kurzfristige Ergebung natürlich noch nichts zu tun. Abgerechnet wird erst am Schluss, wenn das ganze Schuljahr gelaufen ist.

Endlich über 90 Prozent

Im Vergleich zum Vorjahr stieg die rechnerische Unterrichtsabsicherung im Grundbereich in allen Schularten mit Ausnahme der berufsbildenden Schulen, stellte das Kultusministeriu noch fest. Sie liege nun in allen Schularten bei über 90 % (Grundschule: 98,8 %, Oberschule: 92,4 %, Gymnasium: 97,8%, Förderschule 90,2 %, berufsbildende Schule: 95,7 %). Die deutlichste Verbesserung gab es bei den Oberschulen mit einem Anstieg von 2,8 %.

„Auf dieses Ergebnis haben wir in Sachsen lange hingearbeitet“, erklärte am Dienstag Kultusminister Conrad Clemens. „Die Trendwende ist da! Mehr Lehrkräfte, weniger Ausfall. Zum ersten Mal seit 10 Jahren sinkt der Unterrichtsausfall – und das bei steigenden Schülerzahlen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber die ersten Daten des neuen Schuljahres zeigen: Die Maßnahmen der letzten Jahre wirken. Ich danke allen Lehrkräften, die das mit ihrem großen Engagement ermöglichen.“

Lehrermangel leicht reduziert

In den Einstellungsverfahren zum Mai, August und November konnten Lehrkräfte mit einem Arbeitsvolumen von 1533,7 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) eingestellt werden – inklusive Seiteneinsteiger – wie das Kultusminisaterium mitteilt. Damit verringere sich der ungedeckte Lehrkräftebedarf auf 1.154 VZÄ. Bereits seit 10 Jahren stelle Sachsen mehr Lehrkräfte eing, als aus dem Schuldienst ausscheiden.

Das von Clemens angeschobene Maßnahmewnpaket käme nun besonders den Oberschulen zugute. Zum Stichtag 1. Oktober wurden Lehrkräfte mit einem Arbeitsvolumen von 84,5 Vollzeitäquivalenten von Grundschulen an Oberschulen abgeordnet (Vorjahr: 8,4) und 159,5 von Gymnasien an Grundschulen (Vorjahr: 52,9). Die abgeordneten Lehrkräfte würden nun dafür sorgen, dass an Oberschulen weniger Unterricht ausfällt. Betrachte man die zehn Schulen mit dem höchsten Unterrichtsausfall im vergangenen Schuljahr, darunter fünf Oberschulen und fünf Förderschulen, so sank der Unterrichtsausfallallein im September in diesen Schulen um rund ein Drittel (von durchschnittlich 34,6 % auf 22,8 %).

Sinkendes Arbeitsvermögen, demographischer Wandel

Nicht alle Lehrkräfte stehen für den Unterricht freilich voll zur Verfügung, betont das Kultusministerium. Betrug der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Lehrkräfte im vergangenen Jahr 35,3 %, so stieg er in diesem Jahr auf 35,9 %. Durch die in Teilzeit arbeitenden Lehrkräfte und weitere Anrechnungstatbestände, wie zum Beispiel Altersermäßigungen, sei das durchschnittliche Arbeitsvermögen aller Lehrkräfte von 90,9 auf 90,4 % gesunken.

Insgesamt gibt es nun in Sachsens Schulen 440.414 Schülerinnen und Schüler. Das sind 1.276 mehr als im Vorjahr, ein Zuwachs von 0,3 %. Zugleich mache sich der demographische Wandel bemerkbar, so das Kultusministrium. Während in allen weiterführenden Schularten die Schülerzahl anstieg, nahm sie an den Grundschulen inzwischen ab – von 141.386 auf nun 139.145.

Die durchschnittliche Klassengröße ist von 21,1 auf 21,0 leicht gesunken. Während sie in Grundschulen (von 21,4 auf 21,1) und Gymnasien (von 23,9 auf 23,8) sank, stieg sie in den berufsbildenden Schulen leicht an (von 19,3 auf 19,5). In den Oberschulen (24,3) und Förderschulen (9,8) blieb sie im Vergleich zum Vorjahr konstant. Die Anzahl an Klassen in Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien mit mehr als 28 Schülerinnen und Schülern ist auf dem niedrigsten Stand seit 4 Jahren (75, in den Vorjahren waren es noch 2024: 84, 2023: 101 und 2022: 95).

Die Zahl der inklusiv unterrichteten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist auf 13.118 (1.069 mehr, Vorjahr 678 mehr) gestiegen. Dies ist eine Steigerung über 8 %. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (gesamt) an der Gesamtschülerzahl ist auf 7,2 % gestiegen.

GEW Sachsen: „Hier wird Unterrichtsabsicherung gegen Bildungsgerechtigkeit getauscht”

Zu der am Dienstag von Kultusminister Clemens vorgestellten Statistik zur Unterrichtsabsicherung hat Burkhard Naumann, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen, freilich einige sehr kritische Worte zu sagen: „Für einige Schulen ist der geringere Ausfall in den ersten Monaten des Schuljahres ein kurzfristiger Lichtblick. Die Maßnahmen des Kultusministeriums sorgen nicht für mehr Lehrkräfte, sondern nur für noch mehr unbezahlte Überstunden. Der Effekt auf die Unterrichtsabsicherung ist einmalig und keine Trendwende. Das System wird weiterhin auf Verschleiß gefahren, auf Kosten der Gesundheit der Lehrkräfte und der Bildungsqualität. Der zusätzliche Unterricht geht auf Streichungen bei der Lehramtsausbildung, der Fachberatung, der Integration mit Deutsch als Zweitsprache, dem Oberstufenunterricht und den älteren Lehrkräften zurück, die nun mehr unterrichten müssen. Während die gestrichenen Stunden nur einmalig wirken, wird die Qualität der Schulbildung nachhaltig beschädigt. Hier wird Unterrichtsabsicherung gegen Bildungsgerechtigkeit getauscht und das ist der falsche Weg!“

Eine Lösung für den Lehrkräftemangel und die Überlastung der Schulen sei aus Sicht der GEW Sachsen weiterhin nicht in Sicht. Neben den Streichungen im Rahmen des Maßnahmenpakets kritisiert Naumann die neue Abordnungspraxis und die fehlenden Maßnahmen gegen die Überlastung von Lehrkräften und Schulleitungen.

Ein Verschiebebahnhof

„Wenn Lehrkräfte an eine andere Schulart abgeordnet werden, reißt dies nur eine neue Lücke. Das ist ein Verschiebebahnhof und keine sinnvolle Lösung. Die Unterrichtsqualität sinkt mit mehr schulart- und fachfremden Einsatz, während die Belastung für die Lehrkräfte und Schulleitungen immer weiter steigt“, mahnt Naumann. „Dabei hat bereits im letzten Schuljahr die Mehrheit der Lehrkräfte am Limit gearbeitet, wie die Arbeitszeitstudie des Kultusministeriums nachgewiesen hat. Besonders Teilzeitbeschäftigte, Schul- und Klassenleitungen schenken dem Freistaat jedes Jahr Überstunden im Millionenbereich. Auch knapp die Hälfte aller Lehrkräfte in Vollzeit leistet unbezahlte Mehrarbeit. Hauptursache der Überlastung sind außerunterrichtliche Aufgaben, die mit Abordnungen, Haushaltskürzungen und fehlender Schulassistenz immer weiter ansteigen. Anstatt hier gezielt anzusetzen und Schulen endlich zu entlasten, verschärft das Maßnahmenpaket die Situation zunehmend. Das ist keine Lösung, sondern eine Abwärtsspirale in der Qualität der Schulbildung.”

Die GEW Sachsen fordert deshalb mehr Schulverwaltungsassistenz zur Entlastung von Schulleitungen, mehr pädagogische Assistenzkräfte für Lehrkräfte, mindestens eine Ermäßigungsstunde für Klassenleitungen und die Möglichkeit für eine einfache und faire Arbeitszeiterfassung für alle Lehrkräfte, wie sie rechtlich geboten ist.

Zudem kritisiert Burkhard Naumann Veränderungen und fehlende Angaben in der Ausfallstatistik: „Neu in diesem Schuljahr ist, dass nicht mehr jede ausgefallene Stunde erfasst wird. Damit wird die Ausfallstatistik geschönt. Mit dem Maßnahmenpaket und Haushaltskürzungen fallen viele wichtige Angebote für Schülerinnen und Schüler weg, die nicht erfasst werden. Das betrifft besonders ausfallende Inklusionsstunden, aber auch Kürzungen bei Deutsch als Zweitsprache. Damit werden Schülerinnen und Schüler ohne ausreichende Sprachkenntnisse zu früh in die Regelklassen integriert, ohne dass das in irgendeiner Statistik sichtbar wird.“

Gemäß der neuen Vorgaben für die Schulleitungen in diesem Schuljahr wird bei den Fächern Ethik und Religion erstmals nur maximal eine Unterrichtsstunde als planmäßiger Ausfall ausgewiesen. Durch solche Vorgaben werde die Ausfallstatistik künstlich abgesenkt.

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